# taz.de -- Wahl in Hamburg: SPD ist einsame Spitze
       
       > Die Hamburger SPD erringt in Hamburg sensationelle 48,3 Prozent. Die
       > Grünen können dagegen von der vorgezogenen Wahl nicht profitieren.
       > Schlimm wurde es für die CDU: Sie halbiert ihr Ergebnis.
       
 (IMG) Bild: Klarer Sieger in Hamburg: Olaf Scholz.
       
       HAMBURG taz/dpa/rtr/dapd | Er blieb hanseatisch. Schon während des
       Wahlkampfs um Ernsthaftigkeit und Seriosität bemüht, ließ sich Hamburgs
       künftiger SPD-Bürgermeister Olaf Scholz selbst bei seinem Einzug auf die
       SPD-Wahlparty in der "Fabrik" nicht von den "Olaf! Olaf!"-Rufen mitreißen.
       Nur ein spitzbübisches Lächeln zeigt sich auf seinem Gesicht, als ihm die
       mehr als 1000 anwesenden Sozialdemokraten zujubelten, und viele "Wir danken
       Dir" riefen.
       
       Schließlich ist Scholz gelungen, was bislang kein Politiker in Hamburg
       geschafft hat: Er befreite seine Partei nicht nur nach fast zehn Jahren aus
       der Opposition, sondern errang dabei auch gleich noch die absolute
       Mehrheit.
       
       Die CDU verlor dagegen die Hälfte der Stimmen und kam auf erschütternde
       21,9 Prozent. Damit hatte die Partei selbst das schlechteste
       Umfrageergebnis noch einmal deutlich unterboten. Der bisherige Hamburger
       Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) sprach von einer [1]["Stunde der
       Ratlosigkeit" für seine Partei].
       
       Als Begründung für das Wahldesaster führte Ahlhaus die schwarz-grüne
       Koalition an. Der Versuch dieses Bündnisses sei zwar richtig gewesen, doch
       die zu weitgehenden Zugeständnisse an den grünen Koalitionspartner hätten
       die Wähler nicht mehr nachvollziehen können.
       
       Unzufrieden waren auch die Grünen – trotz des Zugewinns von 1,6
       Prozentpunkten. So verteidigte Spitzenkandidatin Anja Hajduk, unter
       Schwarz-Grün Umweltsenatorin, zwar die Neuwahlentscheidung, räumte aber
       zerknirscht ein: "Wir wollten es schaffen, eine SPD-Alleinregierung zu
       verhindern. Das ist uns nicht gelungen."
       
       Die [2][Hamburger FDP konnte 6,6 Prozent] der Stimmen auf sich vereinigen.
       "Wer hätte das vor zwei Monaten noch gedacht?", fragte Spitzenkandidatin
       Katja Suding stolz am Sonntag. Damit können die Freidemokraten erstmals
       seit 2004 wieder ins Parlament der Hansestadt einziehen.
       
       Die Linken in der Hamburger Bürgerschaft konnten mit 6,4 Prozent [3][ihr
       Ergebnis halten]. Der Wähler habe "die gute Oppositionsarbeit" honoriert,
       begründete die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christiane Schneider
       im NDR.
       
       Jeder Wähler konnte insgesamt 20 Kreuze auf den Wahlzetteln setzen. Die
       Wahlbeteiligung lag mit nur 57 Prozent deutlich unter der bei der
       vergangenen Wahl 2008. Die Auszählung aller Wahlzettel bis zum vorläufigen
       amtlichen Endergebnis wird fast vier Tage dauern. Die Zweitstimmen dagegen
       waren am Sonntagabend bereits ausgezählt.
       
       Höhenflug während des gesamten Wahlkampfs 
       
       Seit Wochen hatte sich ein deutlicher Wahlsieg von Scholz und der SPD
       abgezeichnet. Die GAL hatte jedoch bis zuletzt auf eine rot-grüne Koalition
       gehofft. Jetzt muss sie sich vom Regieren verabschieden. Der
       SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Thomas Oppermann, zeigte sich
       erfreut über den Wahlsieg. "Die SPD und Olaf Scholz haben die
       gesellschaftliche Mitte zurückerobert", sagte Oppermann. "Eigentlich sind
       in einem Fünf-Parteien-System keine absoluten Mehrheiten mehr möglich."
       
       Eckart von Klaeden (CDU), Staatsminister im Kanzleramt, meinte nach der
       ersten Prognose: "Christoph Ahlhaus ist es in der kurzen Zeit wohl nicht
       gelungen, sich als Bürgermeister zu profilieren."
       
       "Wir haben zugelegt aus einer schwierigen Situation, wo der ehemalige
       Koalitionsparter dramatisch verloren hat", beurteilte der Grünen
       Parteichefs Cem Özedemir die Leistung der eigenen grünen Landespartei GAL.
       "Die Hamburgerinnen und Hamburger wollten offensichtlich klare Verhältnisse
       und haben deshalb SPD gewählt."
       
       Lokale Themen gaben den Ausschlag 
       
       Laut Forschungsgruppe Wahlen gab für 82 Prozent der Befragten in Hamburg
       die Lokalpolitik den Ausschlag für ihre Wahlentscheidung, nur für 16
       Prozent die Bundesebene. Die CDU habe gravierende Kompetenzverluste in
       vielen wichtigen Politikfeldern zu verzeichnen. Die SPD wurde in allen
       Bevölkerungsgruppen klar stärkste Partei. Eine personell und inhaltlich
       überzeugende SPD sei auf einen denkbar schwachen politischen Gegner
       getroffen.
       
       Nach Überzeugung des Politikwissenschaftlers Peter Lösche kann die SPD
       bundesweit lernen, dass sie Wahlen nur im Spagat gewinnen kann. "Olaf
       Scholz hat das Bürgertum in der Mitte und gleichzeitig das Thema soziale
       Gerechtigkeit angesprochen." Dagegen habe die CDU nach dem Rücktritt von
       Ole von Beust keine Chance gehabt. Sie werde von den Wählern nicht für
       kompetent gehalten.
       
       Schwarz-Grünes Scheitern in Hamburg 
       
       Knapp zweieinhalb Jahre hatte - zum ersten Mal auf Landesebene - eine
       schwarz-grüne Koalition die Geschicke an der Elbe bestimmt. Sie scheiterte
       mit einem zentralen Projekt, der Schulreform, am Widerstand der
       BürgerInnen. Während Schwarz-Grün eine sechsjährige Primarschule
       durchsetzen wollte, bei der Kinder länger gemeinsam lernen, organisierte
       eine Bürgerinitiative den Protest - und stoppte das ambitionierte Projekt
       mit einem Volksentscheid am 18. Juli.
       
       Am gleichen Tag kündigte Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU)
       seinen Rücktritt an. Von Beusts Nachfolger wurde Ahlhaus, der bis dahin
       Innensenator in der schwarz-grünen Regierung gewesen war. Nachdem von
       Beust, Architekt von Schwarz-Grün, das Rathaus verlassen hatte, knirschte
       es zwischen Union und Grünen an immer mehr Stellen, bis die Grünen
       schließlich im November 2010 ganz aus der Koalition ausstiegen.
       
       Aufgrund des [4][komplizierten Wahlsystems] lagen die ersten Hochrechnungen
       am Sonntag erst spät vor. Rund 1,3 Millionen Hamburger waren aufgerufen, an
       die Urnen zu gehen und neben dem Landesparlament auch noch die
       Kommunalvertretungen (Bezirksversammlungen) zu bestimmen.
       
       In Hamburg regiert die CDU seit fast zehn Jahren in wechselnden
       Koalitionen, von 2004 bis 2008 sogar mit absoluter Mehrheit. Die
       Christdemokraten hatten 2001 die SPD nach 44 Jahren ununterbrochener Macht
       abgelöst.
       
       Mit der Landtagswahl in Hamburg verliert Schwarz-Gelb im Bundesrat an
       Boden. Nach der Niederlage der CDU in der Hansestadt verkleinert sich das
       Lager von Union und FDP in der Länderkammer von 34 auf 31 Sitze, das
       Oppositionslager verfügt nun über 24 statt 21 Sitze. Folgen für die
       Machtverhältnisse in dem Gremium hat dies nicht. Auch bisher reichte die
       Stimmenzahl von Schwarz-Gelb nicht, um dort im Alleingang wichtige
       Gesetzesvorhaben zu beschließen. Dafür ist die absolute Mehrheit der
       insgesamt 69 Bundesratssitze nötig - und die liegt bei 35.
       
       20 Feb 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /1/politik/deutschland/artikel/1/groesste-anzunehmende-niederlage/
 (DIR) [2] /1/politik/deutschland/artikel/1/streit-um-den-erfolg/
 (DIR) [3] /1/politik/deutschland/artikel/1/die-grosse-erleichterung/
 (DIR) [4] /1/politik/deutschland/artikel/1/1-person-20-stimmen/
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Strategie der Hamburger SPD: Auf dem Scholzweg
       
       Olaf Scholz siegte mit einer simplen Weisheit: It's the economy, stupid!
       Wer das verstehen möchte, muss sich das Geflecht von SPD und Hamburger
       Kaufleuten ansehen.
       
 (DIR) Grüne nach der Hamburger Wahl: Dem Himmel so fern
       
       Die Rekord-Umfragewerte der Grünen erweisen sich als überzogen. Nun soll
       ein Lagerwahlkampf Anhänger mobilisieren. Ob das zusätzliche Wähler bringt,
       ist unklar.
       
 (DIR) Linke schafft Wiedereinzug in Hamburg: Die große Erleichterung
       
       Euphorisch reagiert die Bundesspitze der Linkspartei auf den Wiedereinzug
       in die Hamburger Bürgerschaft. Ein Scheitern wäre einer Katastrophe gleich
       gekommen.
       
 (DIR) Bundesgrüne nach der Hamburg-Wahl: Zugelegt und doch verloren
       
       Die Grünen fliegen in Hamburg aus der Regierung. Die Bundesgrünen erklären,
       das Wahlziel sei damit verfehlt. Jetzt konzentriert sich die Partei auf
       Baden-Württemberg.
       
 (DIR) FDP zieht ins Hamburger Parlament ein: Streit um den Wahlerfolg
       
       FDP Parteichef Westerwelle wertet den Wahlerfolg als Stabilisierung seiner
       Macht. Doch jüngere FDPler sehen darin eine Bestätigung ihres Kurses der
       Mitte.
       
 (DIR) Kommentar Bürgerschaftswahl in Hamburg: Was ist dieser Sieg für die SPD wert?
       
       Olaf Scholz agierte in Hamburg mittig und geschickt. Doch weil sich die CDU
       in Hamburg quasi selbst vernichtet hat, kann die SPD aus dieser Wahl nicht
       wirklich etwas ableiten.
       
 (DIR) SPD und Grüne bei der Wahl: Olaf, Held von Hamburg
       
       Der klare Sieger des Abends ist Olaf Scholz. Die SPD kann laut Prognosen
       vermutlich mit absoluter Mehrheit regieren. Die Grünen bleiben weit unter
       den Erwartungen.
       
 (DIR) CDU halbiert bei Wahl in Hamburg: Größte anzunehmende Niederlage
       
       Nach dem Desaster bei der Wahl in Hamburg werden beim Verlierer CDU Köpfe
       rollen. Bürgermeister Ahlhaus und Fraktionschef Schira werden kaum an der
       Spitze bleiben.
       
 (DIR) Wahlrecht in der Hansestadt: 1 Hamburger, 20 Stimmen
       
       Zum zweiten Mal hintereinander wurde in der Hansestadt nach einem neuen
       Wahlrecht gewählt. Dabei darf ein Wahlberechtigter 20 Stimmen verteilen.