# taz.de -- Die Strategie der Hamburger SPD: Auf dem Scholzweg
       
       > Olaf Scholz siegte mit einer simplen Weisheit: It's the economy, stupid!
       > Wer das verstehen möchte, muss sich das Geflecht von SPD und Hamburger
       > Kaufleuten ansehen.
       
       HAMBURG taz | Verantwortung, Vernunft, Klarheit: Mit diesen drei
       Schlagworten hat SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz die Bürgerschaftswahl in
       Hamburg geführt. Und gewonnen. Denn sie bedienten offensichtlich den Wunsch
       Hamburger Wählerinnen nach Übersichtlichkeit und Führung. Der Wahlsieg von
       Olaf Scholz und der SPD hat vor allem zwei Gründe: das Versprechen eigener
       Stärke und die tatsächlichen Schwächen der CDU.
       
       Denn in Hamburg hat sich ein Wählermilieu der Mitte herausgebildet, dass
       ohne tiefgreifende Parteibindungen vornehmlich für vermeintliche Erlöser
       stimmt. 2001 schaffte der Rechtspopulist Ronald Schill aus dem Stand 19,4
       Prozent. 2004 sprang Ole von Beust (CDU) um 21 Prozentpunkte auf die
       absolute Mehrheit mit 47,2 Prozent. Jetzt tat Olaf Scholz es ihm mit 48,3
       Prozent (plus 14,1) nach. Sein Wahlversprechen war, "Hamburg anständig zu
       regieren". Und selbst die Ankündigung, angesichts des gewaltigen
       Schuldenberges des Stadtstaates hart zu sparen, hat ihm nicht geschadet.
       
       Scholz gelang es sogar, bereits wie ein Staatsmann zu erscheinen. Auf
       Podien und in den drei TV-Duellen mit dem immer etwas tapsig wirkenden
       CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus analysierten die Hamburger Medien
       ausführlich das Phänomen, dass Scholz wie der Amtsinhaber gewirkt habe und
       Ahlhaus wie ein Herausforderer.
       
       Die Schwäche der CDU ist aber nicht allein mit dem Abgang von Strahlemann
       Ole von Beust und seinem Nachfolger Ahlhaus zu erklären. In den drei Jahren
       seit Anfang 2008 hat die CDU drei Wirtschafts- und drei Finanzsenatoren
       verschlissen - was der SPD die These leicht machte: "Die Schwarzen können
       nicht mit Geld umgehen." Im Ergebnis hat die CDU nach ersten Analysen von
       Wählerwanderungen gegenüber 2008 etwa 52.000 Wähler an die SPD verloren und
       rund 19.000 an die FDP, noch mal genauso viele aber blieben einfach zu
       Hause.
       
       Die SPD wurde demnach in allen Bevölkerungsgruppen klar stärkste Partei und
       liegt auch in allen Themenfeldern vor der CDU - auch bei der Innen-,
       Haushalts- und Wirtschaftspolitik. In allen drei Bereichen haben Olaf
       Scholz und die SPD der CDU keine offene Flanke geboten, deren Angriffe
       verpufften wirkungslos.
       
       Beispielhaft dafür ist, wie machtorientiert und zielstrebig Scholz, nach
       dem Desaster bei der Bundestagswahl im September 2009 von seinen Genossen
       als Retter gerufen, seitdem als SPD-Landesvorsitzender seinen Weg ging.
       Kurz vor seiner Kür auf einem Parteitag im November 2009 verkündete er:
       "Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt."
       Die Genossen akzeptierten, seitdem hat niemand mehr gemurrt. Dann gelang es
       ihm in wenigen Wochen, die seit dem Stimmzettelklau 2007 zerstrittene
       Partei mit interner Aufklärungsarbeit zu befrieden. So machte er die SPD
       schrittweise wieder zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft in Hamburg.
       
       Parallel dazu betrieb Scholz die Annäherung an die Wirtschaft. Im Verlauf
       des Jahres 2010 hatten er und Hamburgs mächtigster Wirtschaftsführer Frank
       Horch sich in mehreren vertraulichen Gesprächen inhaltlich und persönlich
       angenähert. Horch ist Manager der Großwerft Blohm + Voss und Präses der in
       der Hanse- und Hafenstadt nahezu allmächtigen Handelskammer.
       
       In seiner traditionellen Silvesteransprache im Großen Börsensaal der
       Handelskammer, vor 2.000 geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik, lobte
       der parteilose Horch Scholz ausdrücklich für seine Tätigkeit als
       Bundesarbeitsminister in Berlin. Und nicht zufällig hatte Scholz sich zwei
       Wochen zuvor im selben Saal zum Bürgermeisterkandidaten der SPD küren
       lassen. Es war das erste Mal, dass ein Parteitag der Hamburger
       Sozialdemokraten in der Handelskammer stattfand: Die Genossen durften schon
       mal die Atmosphäre dort schnuppern.
       
       Mitte Januar stellte Scholz überraschend für Freund und Feind seinen
       Schattenwirtschaftssenator vor - Frank Horch: "Er ist die optimale
       Besetzung." Und der durfte sogleich mit auf dem Podium sitzen, als am 2.
       Februar Exbundeskanzler Gerhard Schröder seinem ehemaligen Generalsekretär
       Scholz - "meinem Freund Olaf" - in einem Luxushotel vor 140 handverlesenen
       Führungskräften aus Hamburger Unternehmen Wahlkampfhilfe gewährte.
       
       Und als ob das alles noch nicht genug wäre, präsentierte Scholz auch noch
       Erck Rickmers als Kandidaten für die Bürgerschaft: Der Geschäftsführer der
       176 Jahre alten Hamburger Reederei Rickmers zählt zur ersten Garde der
       hanseatischen Wirtschaftsbosse - und ist nun Genosse. Die Begründung, die
       Rickmers dafür lieferte, ist eine Demütigung für die CDU: "Die SPD ist in
       jeder Hinsicht dazu in der Lage, die Stadt zu führen und positiv zu
       gestalten. Sie steht für ein grundsolides Programm." Zudem müsse in Hamburg
       mal wieder "handwerklich gute Politik gemacht werden".
       
       Die CDU reagierte bei beiden Personalien gereizt. Ahlhaus wies darauf hin,
       dass er schon zu schwarz-grünen Zeiten Horch auch gern als
       Wirtschaftssenator gehabt hätte, aber am Widerstand des grünen
       Koalitionspartners gescheitert sei. Die Antwort von Scholz fiel kurz und
       kühl aus. Er sei es gewohnt, "durchzusetzen, was ich als richtig erkannt
       habe". Solche Worte kommen an in Chefetagen. Auch bei den WählerInnen. Und
       auch in der eigenen Partei. Denn bislang hat Olaf Scholz keine Fehler
       gemacht. Und die Rechnung nicht ohne die Wirtschaft.
       
       Olaf Scholz indes denkt schon weiter. Im Blick hat er bereits zwei weitere
       Wahlen. Zunächst will er 2015 wiedergewählt werden: "Es geht nicht nur
       darum, eine Wahl zu gewinnen, sondern es dann so gut zu machen, dass die
       Bürgerinnen und Bürger nach vier Jahren sagen: ,Das wollen wir noch ein
       zweites Mal wagen' ", ist sein Credo. Wenn Olaf Scholz das gelänge, könnte
       er im Herbst 2017 ein gewichtiges Wort mitsprechen, wenn die SPD einen
       Kanzlerkandidaten braucht.
       
       21 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven-Michael Veit
       
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