# taz.de -- Grüne nach der Hamburger Wahl: Dem Himmel so fern
       
       > Die Rekord-Umfragewerte der Grünen erweisen sich als überzogen. Nun soll
       > ein Lagerwahlkampf Anhänger mobilisieren. Ob das zusätzliche Wähler
       > bringt, ist unklar.
       
 (IMG) Bild: Hatte sich wohl auch mehr erhofft: Die Hamburger Spitzenkandidatin der Grünen, Anja Hajduk.
       
       BERLIN taz | Alles hätte so schön werden sollen für die Grünen: einer, ja
       vielleicht gar zwei Länder-Regierungschefs, dazu eine Wiederkehr von
       Rot-Grün mit veränderten Kräfteverhältnissen. Und als Dreingabe der Einzug
       der Partei in drei weitere Länderparlamente. Doch die Aussichten der Grünen
       fürs Superwahljahr 2011 verdüstern sich. Das magere Abschneiden bei der
       Hamburger Bürgerschaftswahl alarmiert die Partei. Sie fürchtet, dass sich
       die blendenden Umfragewerte der vergangenen Monate auch andernorts als
       trügerisch erweisen könnten. Dagegen soll nun ein Lagerwahlkampf helfen:
       wir gegen die CDU.
       
       Die Grünen in Bund und Ländern drückt das Wissen, dass die guten
       Umfragewerte beim ersten Realitätstest in Hamburg am vergangenen Sonntag
       nicht hielten: Die Partei lag dort zwar 1,6 Prozentpunkte über ihrem
       Abschneiden drei Jahre zuvor. Das Ergebnis war jedoch um mehr als 3 Punkte
       schlechter als das, was Demoskopen ihnen noch drei Tage zuvor in Aussicht
       gestellt hatten. Die nächsten Realitätstests stehen an: am 20. März in
       Sachsen-Anhalt und eine Woche darauf in Rheinland-Pfalz und
       Baden-Württemberg.
       
       Besonders viel steht bei der Wahl im Südwesten auf dem Spiel: Behält
       Schwarz-Gelb in Stuttgart die Macht, oder kommt Rot-Grün an die Regierung?
       Die anfängliche Hoffnung auf Grün-Rot, angeführt von einem
       Grünen-Ministerpräsidenten namens Winfried Kretschmann, ist bereits
       geschwunden. Rot-Grün kommt laut Emnid-Umfrage von Montag gemeinsam nur auf
       43 Prozent der Stimmen - 4 Punkte weniger als Union und FDP. Die Antwort
       von Grünen und CDU auf dieses Kopf-an-Kopf-Rennen ist dieselbe: immer feste
       drauf.
       
       "Es geht um jede Stimme", sagt der Verkehrsexperte der
       baden-württembergischen Grünen, Werner Wölfle, der taz. Die Devise für die
       letzten Wahlkampfwoche sei klar: "Wer nicht zur Wahl geht oder für
       Kleinparteien stimmt, der wählt Stefan Mappus."
       
       Ob das zusätzliche Wählerinnen und Wähler bringt? Die Proteste gegen
       Stuttgart 21 sind seit dem Schlichtungsverfahren abgeebbt. Die Verlängerung
       der Atomlaufzeiten hat der Bundestag beschlossen. Nun soll, zwei Wochen vor
       der Landtagswahl, eine Menschenkette von Stuttgart zum Atomkraftwerk
       Neckarwestheim mehrere zehntausend Menschen auf die Straße bringen. Die
       Grünen sind natürlich dabei. "Auch das wird Wahlberechtigte motivieren,
       ihre Stimme abzugeben", urteilt die Kovorsitzende der
       baden-württembergischen Grünen, Silke Krebs, gegenüber der taz. "In
       Baden-Württemberg gibt es eine sehr deutliche Wechselstimmung - wie in
       Hamburg. Aber bei uns trägt diese Stimmung beide, SPD und Grüne."
       
       Die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene erscheint da nur noch wie
       eine fahle Erinnerung. Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi
       Lemke, klagte am Montag, der "Kurs der grünen Eigenständigkeit und der
       strikten Orientierung an Inhalten" sei in der CDU-Grünen-Koalition in
       Hamburg nicht genügend klar erkennbar gewesen.
       
       Noch deutlicher distanziert sich die Union von Schwarz-Grün. In Angela
       Merkels Version des Lagerwahlkampfs klingt das dann so: Die Grünen, sagt
       die CDU-Vorsitzende, hätten sich in Hamburg aus Machtkalkül aus der
       Regierung verabschiedet - und dieses Kalkül sei nicht einmal aufgegangen.
       Die Grünen seien eine Dagegen-Partei, und es sei typisch für sie, dass sie
       auch noch aus den Hartz-IV-Verhandlungen ausgestiegen seien. Auf
       Bundesebene sei Schwarz-Grün "ein Hirngespinst", auf Länderebene künftig
       "nicht einfacher geworden". Diese Formulierung klingt absichtsvoll etwas
       vager. Bloß keine verbrannte Erde schaffen. Am 27. März wird auch in
       Rheinland-Pfalz gewählt. Und dort hat die CDU, wenn überhaupt, nur mit den
       Grünen zusammen eine Chance.
       
       Ähnliches gilt auch für die letzte Wahl eines Landesparlaments in diesem
       Jahr: am 18. September in Berlin. Renate Künast, im Herbst als
       aussichtsreiche Kandidatin fürs Amt der Regierenden Bürgermeisterin
       gestartet, muss nun zusehen, wie die SPD von Klaus Wowereit in Umfragen
       wieder an den Grünen vorbeizieht. Will Künast Chefin im Roten Rathaus
       werden, müsste sie auch ein Bündnis mit der CDU in Betracht ziehen. Beide
       Parteien liegen derzeit laut Infratest dimap bei 23 Prozent. Die SPD
       erzielt 28 Prozent. Die Union gäbe viel dafür, nach zehn Jahren endlich
       wieder zu regieren.
       
       So könnte das Jahr, das mit der lautstarken Absage an Schwarz-Grün begonnen
       hat, mit dem Entstehen einer schwarz-grünen Koalition enden.
       
       21 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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