# taz.de -- Kommentar Sicherungsverwahrung: Nachhilfe in liberalem Recht
       
       > Das Verfassungsgericht erachtet das gesamte Recht zur
       > Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Das ist eine Nachhilfestunde
       > in liberaler Rechtspolitik.
       
       BERLIN taz | Mit einer so weitreichenden Entscheidung hat niemand
       gerechnet. Das Bundesverfassungsgericht hat das gesamte Recht der
       Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Es ist zwar auch in
       Zukunft möglich, dass hochgefährliche Strafgefangene nach Verbüßung der
       Strafe hinter Gitter (nicht: im Gefängnis) bleiben müssen. Doch das Recht
       der Sicherungsverwahrung muss völlig neu geregelt werden.
       
       Das ist ein herber Dämpfer für Justizministerin Sabine
       Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die von ihr als großer Wurf gefeierte
       Reform der Sicherungsverwahrung, die erst Anfang diesen Jahres in Kraft
       getreten ist, wurde von den Verfassungsrichtern gleich wieder versenkt.
       
       Was bisher nur halbherzig war, soll jetzt konsequent umgesetzt werden,
       fordern die Richter. Die Sicherungsverwahrung soll letztes Mittel sein und
       so schnell wie möglich enden. Deshalb sollen Verwahrte, zum Beispiel, einen
       Anspruch auf Vollzugslockerungen (zum Beispiel begleitete Ausgänge)
       bekommen.
       
       Nur so können sie sich erproben und zeigen, dass eine Entlassung möglich
       ist. Was sich Leutheusser-Schnarrenberger - zur Vermeidung von Risiken oder
       aus Rücksicht auf die Union - nicht getraut hat, schreibt das
       Bundesverfassungsgericht nun vor. Das Urteil ist insofern eine
       Nachhilfestunde in liberaler Rechtspolitik.
       
       Zugleich ist das Karlsruher Urteil ein Friedensangebot an den Europäischen
       Gerichtshof für Menschenrechte. Karlsruhe hat seine eigene Rechtsprechung
       korrigiert und beanstandet jetzt (wie Straßburg) die jüngsten Reformen der
       Sicherungsverwahrung, insbesondere die rückwirkende Verlängerung über zehn
       Jahre hinaus.
       
       Dass die Betroffenen nicht sofort entlassen (oder in die Psychiatrie
       überführt) werden müssen, verstößt zwar gegen die Straßburger Regeln,
       sollte als Kompromiss aber auch für den Straßburger Gerichtshof akzeptabel
       sein. Karlsruhe hat sich jedenfalls viel mehr bewegt.
       
       4 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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