# taz.de -- Kommentar Sicherungsverwahrung: Der Rechtsstaat muss kühl bleiben
       
       > Getötete Kinder lassen sich in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht
       > gänzlich eliminieren. Bei allem Mitgefühl dürfen die Emotionen jetzt aber
       > nicht über den Rechtsstaat siegen.
       
       Zwei Fälle, bei denen sich exsicherungsverwahrte Männer an Kindern
       vergehen. Beide Täter waren nur durch ein Urteil des Europäischen
       Gerichtshofs für Menschenrechte wieder in Freiheit gekommen. Hätten diese
       Männer also nie freigelassen werden dürfen?
       
       Die Mehrheit der Gesellschaft wird diese Fragen bejahen können, denn die
       Mehrheit regiert emotional. Das Grauen lässt die Fakten verschwimmen.
       Verständlicherweise. Denn die tendenziöse Berichterstattung über drastische
       Verbrechen hat Scheinriesen erschaffen.
       
       Doch sieht man genau hin, dann wird klar: Die Kriminalität in Deutschland
       ist nicht außerordentlich und steht in bizarrem Kontrast zur
       Kriminalitätsfurcht.
       
       Im aktuellen Fall nennt Bild einen der Täter das "Sex-Schwein". Diese
       Entmenschlichung folgt einer Funktion: Die Abstraktion fördert einen
       reflexhaften Furor, macht es leichter, rechtsstaatsfernes Vorgehen zu
       fordern. Denn klar ist, dass Bild sich für die Opfer überhaupt nicht
       interessiert. Die Stimmungsmache dient dem Profit.
       
       Die Kinder aber wurden Opfer nicht von Tieren, sondern von Einzeltätern. So
       schwer erträglich es ist: Solche Fälle lassen sich in einer freiheitlichen
       Gesellschaft nicht gänzlich eliminieren. Bei allem Mitgefühl dürfen die
       Prinzipien des Rechtsstaates gerade dann nicht vergessen werden, wenn dies
       emotional so nachvollziehbar wäre. Gerade hier muss sich der Rechtsstaat
       beweisen.
       
       Weil das im Strafvollzug so schwer vermittelbar ist, blieb auch das Primat
       der Resozialisierung ein Feigenblatt. Die Folgen des Verwahrvollzuges haben
       alle zu tragen. Gelder für eine sinnvolle Vorbereitung auf die Freiheit
       fehlen. Viel schlimmer aber ist, dass unserer Gesellschaft auch die
       Bereitschaft abhandengekommen ist, sich mit ihren Randfiguren
       auseinanderzusetzen. Die werden ins sichere Exil verbannt. Freiheitsrechte
       aber dürfen nicht der Fiktion von Sicherheit geopfert werden.
       
       17 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schlieter
       
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