# taz.de -- Kommentar Sicherungsverwahrung: Realistische Perspektive
       
       > Rechtssicherheit gilt auch für einen verhassten Personenkreis. Wir müssen
       > diese Menschen ertragen, die Frauen vergewaltigt oder Kinder ermordet
       > haben. Auch in Freiheit.
       
       Wer es bevorzugt, in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben und nicht
       etwa in Libyen oder Nordkorea, kann nur zu einem Schluss kommen: Das Urteil
       aus Karlsruhe war zwingend und überfällig. Die irrationale Steigerung der
       präventiven Haft in den letzten Jahren war eine gesellschaftlich goutierte
       Aushöhlung fundamentaler Grundrechte. Und das ist viel beängstigender als
       freigelassene Sicherungsverwahrte.
       
       Nach wie vor klatscht die Masse, wenn die "Bestie" (Bild-Zeitung) am
       Pranger steht. Sich darüber zu echauffieren, wenn die Kanzlerin sich
       öffentlich über den Tod des Massenmörders bin Laden freut, ist ähnlich
       bigott wie die Reaktion der Politik auf das Urteil der
       Bundesverfassungsrichter. Diejenigen, die mit ihrem Wahlkampfkalkül in den
       letzten Jahren populistisch die Straftatbestände ausgeweitet haben,
       begrüßen die richterlich verordnete Revolution.
       
       Das ist imposant. Ob auch bei der breiten Masse die Einsicht einkehrt, dass
       Resozialisierung eben kein Firlefanz ist, der nur Geld kostet? Auch
       Straftätern, die Frauen vergewaltigt oder sich an Kindern vergangen haben,
       muss eine realistische Perspektive geboten werden, wieder in Freiheit zu
       kommen.
       
       In einer Gesellschaft, die keine Postdemokratie sein will, ist es nicht
       hinnehmbar, die Rechtssicherheit für einen verhassten Personenkreis
       aufzuheben.
       
       Aber was soll mit Tätern getan werden, die Frauen vergewaltigt oder Kinder
       ermordet haben? Wir müssen diese Menschen ertragen. Auch in Freiheit. Auch
       in unserer Nachbarschaft. Angst und Vollkaskomentalität sind die Kehrseite
       des politisch erzeugten Ausnahmezustandes. Die Gefahr für Kinder und Frauen
       geht statistisch nicht vom Fremden in Schwarz aus. Sondern vom Ehemann und
       Vater.
       
       5 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schlieter
       
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