# taz.de -- Endlagersuche in Gorleben: "Wir sind gebrannte Kinder"
       
       > Faule Kompromisse versus gefährliche Strategien? Ein Streitgespräch
       > zwischen Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) und Wolfgang Ehmke (BI
       > Lüchow-Dannenberg).
       
 (IMG) Bild: Kann die Gorleben-Frage rein politisch beantwortet werden?
       
       taz: Herr Ehmke, erstmals debattieren Bund und Länder über Alternativen zum
       Endlagerstandort Gorleben - dennoch hagelt es Kritik aus der
       Anti-Atom-Bewegung, gerade auch an den Grünen. Was werfen Sie der Partei
       vor? 
       
       Wolfgang Ehmke: Uns stört in erster Linie, dass die Grünen in diese
       Gespräche von vornherein mit einer Kompromissformel hineingehen. Statt
       darauf zu bestehen, dass Gorleben wegen der erwiesenen geologischen Mängel
       und des von Mauscheleien geprägten politischen Prozesses endgültig gestoppt
       wird, haben sich die Ländervertreter gleich zu Beginn damit einverstanden
       erklärt, dass Gorleben bei der neuen Endlagersuche mit im Pool der
       möglichen Standorte bleibt. Das ist kein Neustart, sondern ein fauler
       Kompromiss.
       
       Können Sie diese Kritik nachvollziehen, Frau Kotting-Uhl? Auch Ihre
       niedersächsischen Parteifreunde sind ja sehr unzufrieden mit der
       Verhandlungsposition der Grünen. 
       
       Sylvia Kotting-Uhl: Zunächst mal ist es ganz natürlich, dass es in den
       verschiedenen Bundesländern auch verschiedene Interessen gibt. Möglich
       wurde der neue Prozess ja dadurch, dass Baden-Württembergs
       Ministerpräsident Winfried Kretschmann erstmals angeboten hat, dass auch in
       seinem Land nach einem Endlager gesucht werden kann. Dass er seinen Bürgern
       dann nicht gleichzeitig noch vermitteln mag, dass die Suche in Gorleben
       sofort komplett eingestellt wird, das kann ich schon ein Stück weit
       nachvollziehen. Genauso kann ich verstehen, dass die Niedersachsen ein
       originäres Interessen daran haben, dass in Gorleben sofort Schluss ist. Das
       wünsche ich mir ja auch.
       
       Und wie lässt sich der Konflikt lösen? 
       
       Kotting-Uhl: Am Ende kommt es nicht darauf an, was in den Verhandlungen
       diskutiert wird, sondern was im Gesetz steht, das von Bundestag und
       Bundesrat beschlossen werden muss. Und da hat unsere Fraktion
       vorgeschlagen, dass Gorleben zwar nicht vorab gestrichen wird, aber dass
       gleich in das erste Gesetz detaillierte Kriterien geschrieben werden, die
       dafür sorgen, dass dieser Standort gleich zu Beginn des Verfahrens
       rausfällt.
       
       Ehmke: Aber warum soll es denn überhaupt Teil des neuen Verfahrens sein?
       Wir wollen, dass endlich die geologischen Gründe zur Kenntnis genommen
       werden, die gegen Gorleben sprechen - das fehlende Deckgebirge, der
       Wasserkontakt, die Gasvorkommen. Die sind doch dermaßen offensichtlich,
       dass es gar keinen Sinn macht, über ein Verhandlungspaket zu reden, das
       Gorleben beinhaltet.
       
       Wenn die geologischen Fakten so eindeutig sind, was spricht dann gegen den
       Vorschlag der Grünen, Gorleben im Laufe des Verfahrens anhand von
       Sicherheitskriterien auszuschließen? 
       
       Ehmke: Bei uns gibt es einfach kein Vertrauen mehr in solche Prozesse. In
       Gorleben ist schon viel Geld ausgegeben worden, darum gibt es einen großen
       Druck, es im Spiel zu halten. Dass die Regierung noch nicht mal einem
       echten Baustopp in Gorleben zustimmt, zeigt doch, dass sie nicht daran
       denkt, den Standort aufzugeben. Wenn sich in der Vergangenheit
       herausgestellt hat, dass Gorleben bestimmte Kriterien nicht erfüllt, dann
       sind die Kriterien verändert worden - und nicht der Standort. Wir sind da
       gebrannte Kinder.
       
       Wie wollen Sie garantieren, dass das nicht wieder passiert, wenn Gorleben
       im Spiel bleibt, Frau Kotting-Uhl? 
       
       Kotting-Uhl: Indem wir alles Wissen, das wir bisher bei der Erkundung in
       Gorleben gewonnen haben, in die Kritierien und Ausschlusskriterien
       integrieren. Und ohne einen echten Baustopp werden die Grünen am Ende die
       Hand nicht heben.
       
       Wenn Sie den Weg der Grünen ablehnen: Was schlagen Sie denn konkret vor,
       wie Gorleben gestoppt werden soll, Herr Ehmke? 
       
       Ehmke: Weil Umweltminister Röttgen sich festgelegt hat, dass er die neue
       Endlagersuche im parteiübergreifenden Konsens will, gibt es im Moment eine
       unglaubliche große Chance, Gorleben politisch zu beenden. Die Grünen
       müssten als Vorbedingung formulieren, dass es Gespräche über einen Konsens
       nur ohne Gorleben gibt. Es braucht nur einen politischen Beschluss.
       
       Kotting-Uhl: Dafür gibt es aber keine Mehrheiten. Ich halte es auch für
       falsch. Im Untersuchungsausschuss kritisieren wir massiv, dass Gorleben
       nicht aus geologischen, sondern aus politischen Gründen ausgewählt wurde.
       Wenn wir es jetzt mit einem politischen Beschluss beenden anstatt anhand
       von geologischen Kriterien, dann machen wir den gleichen Fehler. Außerdem
       ist es riskant: Wenn Gorleben vorab ausgeschlossen wird und dann irgendwann
       ein anderer Standort ausgewählt ist, könnte dagegen geklagt werden, dass
       der nie anhand von wissenschaftlichen Kriterien mit Gorleben verglichen
       wurde. Und dann ist Gorleben möglicherweise wieder im Spiel.
       
       Ehmke: Das kann ich mir nicht vorstellen. Gorleben wurde politisch
       ausgewählt, und es wurde dort nie ein atomrechtliches
       Planfeststellungsverfahren eröffnet. Darum kann es so ein juristisches
       Nachspiel nicht geben.
       
       Sie sind beide gegen den Standort Gorleben. Fragen Sie sich auch manchmal,
       ob es nicht sinnvoller wäre, gemeinsam gegen die Befürworter zu streiten
       statt untereinander über den richtigen Weg des Ausstiegs? 
       
       Kotting-Uhl: Ich würde mir das wünschen. Und ich denke, dass wir ein gutes
       Verfahren vorgeschlagen haben, das politisch und juristisch standhält - und
       auch ethisch, weil wir uns eben nicht auf die krumme Tour einlassen,
       Gorleben mal wieder rein politisch zu entscheiden.
       
       Ehmke: Ich sehe die Grünen nicht als Gegner. Aber wir wollen die Parteien
       nicht aus der Pflicht entlassen und Druck dafür machen, dass der Standort
       Gorleben, wo das Desaster vorgezeichnet ist, keine Option bleibt. Dass die
       Grünen Gorleben im Pool lassen wollen, alarmiert uns darum schon sehr.
       
       1 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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