# taz.de -- Dirigent im Rollstuhl: Schwerbehindert und freischaffend
       
       > Benedikt Lika fühlte sich oft doppelt diskriminiert: als Behinderter und
       > als Vertreter der Generation Praktikum. Jetzt diskutiert er im Bundestag.
       
 (IMG) Bild: Doktorand, Dirigent und Rollstuhlfahrer: Benedikt Lika
       
       Ein bisschen späte Genugtuung wird dabei sein, wenn Benedikt Lika an diesem
       Wochenende in seinem Elektrorollstuhl die Kuppel im Berliner Reichstag nach
       oben fährt. Eigentlich hätte er das gern schon im letzten Jahr gemacht.
       Damals war er zu der Veranstaltung „Menschen mit Behinderung im Deutschen
       Bundestag“ erst ein- und später wieder ausgeladen worden.
       
       Er und zahlreiche andere Menschen mit Behinderung sollten über ihre
       Gleichstellung in Deutschland mit Politikern diskutieren. Weil sich
       allerdings mehr Rollstuhlfahrer als erwartet angemeldet hatten, mussten die
       Organisatoren die Veranstaltung aus Brandschutzgründen kurzerhand absagen.
       PR-Debakel und Realsatire zugleich. Dieses Jahr wurde die Zahl der
       teilnehmenden Rollstuhlfahrer begrenzt, und die Veranstaltung konnte
       stattfinden.
       
       Lika ist 30 Jahre alt, Dirigent und hat ein eigenes Projektorchester in
       Augsburg, das sich einmal im Jahr trifft. An der Veranstaltung im Bundestag
       wird er im Arbeitskreis Arbeit mit Behinderung teilnehmen. Auf diesem
       Gebiet kann er besonders viel erzählen. Er hat zwar ein abgeschlossenes
       Musikwissenschaftsstudium, trotzdem sagt er: „Die Jobsuche auf dem ersten
       Arbeitsmarkt habe ich so gut wie aufgegeben.“
       
       Zu oft habe er bei Bewerbungsgesprächen spezielle Fragen nach seinem Alltag
       gehört, wie er zum Beispiel auf die Toilette gehe. Im Anschluss kam meist
       die Absage. Er fühlt sich doppelt diskriminiert, „als Behinderter und als
       Vertreter der Generation Praktikum“. So lange er nämlich unbezahlte
       Praktika gemacht habe, sei das mit der Toilette niemandem aufgefallen.
       
       Inzwischen hat sich Lika entschieden, seine Doktorarbeit in
       Musikwissenschaft zu schreiben. Den dafür notwendigen Begleiter hat ihm
       sein Heimatkreis allerdings abgelehnt. Ein Hochschulabschluss reiche in
       seinem Fall aus. Dagegen will Lika nun klagen. „Wenn ich gewusst hätte,
       dass der Weg des Normalseins so beschwerlich ist, wäre ich vielleicht
       lieber den Sonderweg gegangen. In einer Behindertenwerkstatt bekommt man
       alle Unterstützungsleistungen. Ein schwerbehinderter freischaffender
       Dirigent ist in diesem System leider nicht vorgesehen.“
       
       Als Dirigent will er trotzdem weiterarbeiten. Bei Konzerten liebt er es, im
       Rollstuhl auf einem Podest zu dirigieren: „Wenn dann die Musik einsetzt,
       fällt die ganze scheinbare Zerbrechlichkeit auf einmal weg.“
       
       28 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carsten Janke
       
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