# taz.de -- Nachruf Dirigent Sir Colin Davis: „Musik braucht keine Worte.“
       
       > Er galt als Gentleman: Sir Colin Davis hielt Musik für die „schönste
       > Erfindung des Menschen“. Jetzt ist der britische Dirigent im Alter von 85
       > Jahren gestorben.
       
 (IMG) Bild: Sir Colin Davis dirigiert das English Chamber Orchestra auf einem Gastspiel in Spanien (Archivbildvon 2012).
       
       LONDON/DRESDEN dpa | Mozart, immer wieder Mozart. Und ein guter Rotwein.
       Der britische Dirigent Sir Colin Davis war nicht nur musikalisch ein
       Gourmet. „Er kochte selbst mit Leidenschaft und ein Essen im Restaurant hat
       er regelrecht zelebriert“, erinnert sich Ria Sonntag, seine Betreuerin bei
       Davis' Aufenthalten in Dresden.
       
       Die Elbestadt war ein bevorzugter Arbeitsplatz des Briten. Mit der
       Sächsischen Staatskapelle verband ihn eine innige Beziehung, seit er 1981
       erstmals zu Plattenaufnahmen an die Elbe kam. Am Sonntag ist Davis mit 85
       Jahren in London gestorben. Dresden oder London hatte er sich früher einmal
       als Orte des Abschieds gewünscht.
       
       Davis stammte aus der Kleinstadt Weybridge im Südosten Englands und machte
       eine Weltkarriere. Davon konnte noch keine Rede sein, als er zunächst als
       Klarinettist in einer Militärkapelle Märsche blies. Wenig später wechselte
       er ins klassische Fach. Am Londoner Sadler's Wells Theatre amtierte er von
       1961 bis 1965 als Musikdirektor.
       
       Ab 1967 stand er am Pult des BBC Symphony Orchestra. Auch später sollten
       bekannte Namen folgen – vom Boston Symphony Orchestra bis zum London
       Symphony Orchestra (LSO). Davis hat stets in der Premier League der
       Orchester gespielt. Ende der 1970er Jahre wurde er als erster Engländer
       nach Bayreuth verpflichtet – für den „Tannhäuser“. „Die Rolle von Sir Colin
       im britischen Musikleben war riesig“, würdigte ihn das LSO.
       
       Auf die Frage nach einer beruflichen Alternative zur Musik antwortete Davis
       vor Jahren mit britischem Humor. „Was wäre ich geworden, wenn nicht
       Musiker? Vielleicht ein berühmter Verbrecher.“ Orchestermusikern begegnete
       er mit großem Respekt. Wohl auch deshalb wurde er Gentleman der Klassik
       genannt.
       
       ## „Ich bin kein Gentleman“
       
       „Es ist unnötig, ein Tyrann zu sein. Es bringt nichts, wenn die Musiker aus
       Furcht spielen“, formulierte der Brite sein Credo. Es gehe darum, Musik als
       gemeinsame Sprache zu pflegen: „Musik braucht keine Worte.“ Den Titel
       Gentleman hat er übrigens nie gemocht. „Ich bin kein Gentleman. Ein
       Gentleman arbeitet nicht“, sagte Davis, der 1980 zum Ritter geschlagen
       wurde.
       
       Beim Blick auf Davis' Leben wird deutlich, wie einige Komponisten zu
       besonders engen Wegbegleitern wurden. Neben Mozart sind das vor allem
       Edward Elgar, Jean Sibelius und Hector Berlioz. Als Davis' im Mai 2012 mit
       der Staatskapelle auf eine vorgezogene Jubiläumstour zum 85. Geburtstag
       ging und dabei Metropolen wie Wien und Mailand besuchte, bot man ein reines
       Mozart-Programm.
       
       Damals fiel es Davis schon schwer, mit ganz sicherem Gang auf die Bühne zu
       kommen. Kurz zuvor hatte er in Dresden einen Schwächeanfall erlitten. „Aber
       sobald er am Pult stand, straffte er sich“, erinnert sich Ria Sonntag. Sie
       behält den Sir als Mann von großer Bescheidenheit und mit „Ehrfurcht vor
       der Musik“ in Erinnerung.
       
       ## Würdigung aus München
       
       In Deutschland wird man das vor allem in München und Dresden tun. An der
       Isar war er von 1983 bis 1992 Chef des Symphonieorchesters des Bayerischen
       Rundfunks. „Mit Davis hatte das Orchester wieder einen Chef von Format: ein
       weltweit renommierter und leidenschaftlicher Musiker und als Mensch sehr
       liebenswürdig, völlig uneitel und von distinguierter feiner Art“, würdigte
       ihn das Orchester am Montag auf seiner Website.
       
       Die Dresdner, die die Todesnachricht auf einer USA-Tour erhielten, wollen
       Davis nun ihre beiden New Yorker Konzerte widmen. „Sir Colin war ein
       ungemein liebenswürdiger und völlig unprätentiöser Mensch, der mit seiner
       Warmherzigkeit die Herzen aller sofort für sich gewann. Zwischen ihm und
       der Staatskapelle bestand ein künstlerischer Einklang, wie er nur ganz
       selten zu finden ist“, betonte Dirigent Christian Thielemann. Die
       Staatskapelle verliere nicht nur ihren Ehrendirigenten, sondern vor allem
       einen einzigartigen Freund.
       
       Die Münchner beschrieben auch, mit welcher Begeisterung der Maestro den
       Nachwuchs förderte. Wie später in Dresden arbeitete er hier regelmäßig mit
       Studenten. Dass Sir Colin Davis die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ von
       Engelbert Humperdinck so sehr liebte, mag ein Beleg dafür sein, wie jung er
       im Herzen immer blieb.
       
       15 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Schurig
       
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