# taz.de -- UN-Initiative für Palästina: Merkel hätte zustimmen sollen
       
       > Deutschland und die EU hätten die Aufwertung des UN-Status von Palästina
       > unterstützen können. Nun wird Präsident Abbas weiter isoliert.
       
 (IMG) Bild: Selbst wenn Palästina einen neuen UN-Status erhält: Am Alltag in Gaza würde das wenig ändern.
       
       Heute will der palästinensische Präsident Mahmud Abbas vor die
       Generalversammlung der Vereinten Nationen treten und eine Aufwertung des
       Status von Palästina erbitten. Eine breite Mehrheit ist sicher. Palästina
       würde zwar nicht als UN-Mitglied aufgenommen, weil dazu ein einstimmiges
       Votum des Sicherheitsrates nötig wäre.
       
       Aber die Aufwertung würde immerhin den Status eines „beobachtenden
       Nichtmitgliedstaats“ mit sich bringen, ähnlich dem des Vatikans oder früher
       der Schweiz. Die Palästinenser hoffen, dadurch auch die Mitgliedschaft beim
       Internationalen Strafgerichtshof und anderen internationalen Institutionen
       beantragen zu können.
       
       Die Abstimmung kommt nun zu einem schwierigen Zeitpunkt, nämlich gut eine
       Woche nach dem Ende des Gazakrieges. Israel und die USA hatten Abbas schon
       seit geraumer Zeit davon zu überzeugen versucht, den Antrag vor den UN ein
       weiteres Mal zu verschieben. Noch in letzter Minute bemühten sie sich,
       zumindest die Möglichkeit einer zukünftigen Anklage Israels vor dem
       Internationalen Strafgerichtshof auszuschließen.
       
       ## Drohung mit Sanktionen
       
       Israel hatte für den Fall eines Antrags harte Gegenmaßnahmen angekündigt,
       darunter die Einbehaltung von Steuereinnahmen, die der palästinensischen
       Regierung zustehen, und den Entzug von Arbeitsgenehmigungen für
       Palästinenser in Israel. Die USA drohen nicht nur sämtliche Finanzhilfen an
       die Palästinenser einzustellen, sondern auch Beiträge an die Vereinten
       Nationen einzubehalten.
       
       Ob dies wirklich geschieht, ist unklar. Mittlerweile ist offensichtlich,
       wie schwach die Palästinensische Autonomiebehörde und Abbas wirklich sind.
       Ein endgültiger Zusammenbruch der Verwaltung im Westjordanland scheint
       nicht ausgeschlossen, wenn die Unterstützung eingestellt würde.
       
       Die USA begründen ihre Drohungen mit dem Verweis auf das „unilaterale“
       Handeln der Palästinenser. Aber über Monate gab es keine Verhandlungen,
       Abbas wartete vergeblich auf ein Entgegenkommen Israels in der Frage des
       Siedlungsstopps. Stattdessen bekam er Schmähungen zu hören wie jene von
       Außenminister Avigdor Lieberman, der ihn – wie einst Ariel Scharon Arafat –
       das „Haupthindernis zum Frieden“ nannte.
       
       Dabei ist Abbas innerpalästinensisch gerade aufgrund seiner konzilianten
       Haltung gegenüber Israel unter Druck. Er kann seinen Landsleuten nur wenige
       Erfolge vorweisen, obwohl er stets seine Verhandlungsbereitschaft deutlich
       machte. In einem Fernsehinterview mit einem israelischen Sender verzichtete
       er jüngst sogar auf das vielen Palästinensern heilige „Rückkehrrecht“. Die
       meisten Palästinenser haben die Hoffnung auf die Errichtung eines eigenen
       Staates in den nächsten Jahren laut Umfragen längst verloren.
       
       ## Der einsame Präsident
       
       Durch den jüngsten Krieg, in dem die Hamas ihren bewaffneten „Widerstand“
       gegen Israel feierte, ist Abbas zusätzlich marginalisiert. Trotz
       zahlreicher Aufforderungen, etwa seitens des in Israel inhaftierten
       Fatah-Führers Marwan Barghuti, verweigerte er einen Solidaritätsbesuch in
       Gaza.
       
       Während der ägyptische Präsident Mohammed Mursi im Zentrum der
       Verhandlungen mit der Hamas, Israel und den Außenministern der gesamten
       arabischen Welt stand, wirkten die Besuche von Hillary Clinton und UN-Chef
       Ban Ki Moon bei Abbas wie Gnadenakte für einen einsamen
       Palästinenserpräsidenten.
       
       Die UN-Initiative, letztes Jahr von den Palästinensern noch in
       Massenkundgebungen gefeiert, droht nun fast unterzugehen. Aber für Abbas
       gibt es kein Zurück. Zu oft hat er bereits US-Druck nachgegeben, zu klar
       hatte er sich auf die Initiative festgelegt. Dies nicht zu tun käme nun
       politischem Selbstmord gleich.
       
       Fraglich bleibt, warum in erster Linie die USA und auch Israel den
       UN-Antrag so bitterlich bekämpften, als schlüge er die Abschaffung des
       Staates Israel vor. Dabei handelt es sich bei der Resolution um einen
       konstruktiven, überaus moderaten Text. Abbas und andere führende
       palästinensische Politiker haben deutlich gemacht, dass sie am Tag nach der
       Abstimmung zu Friedensgesprächen bereit sind – obwohl Premier Benjamin
       Netanjahu sogar den Ausbau neuer Wohneinheiten in den israelischen
       Siedlungen angekündigt hat.
       
       Statt die UN-Initiative zu verteufeln, wäre es sinnvoll, sie als positiven
       Schritt der palästinensischen Regierung zu würdigen. Denn schließlich ist
       es der Versuch, trotz der verfahrenen Lage politisch und friedlich zu
       agieren.
       
       Nun droht die Gefahr, dass Abbas mit einer diplomatischen Initiative vor
       den Vereinten Nationen weniger erreicht als die Hamas mit ihrem
       Raketenbeschuss auf Zivilisten. Die Hamas konnte die Bedingungen des
       Waffenstillstands diktieren, sie präsentiert sich als Sieger im Konflikt
       mit Israel.
       
       ## Merkel mauert
       
       Niemand kann von den Palästinenserinnen und Palästinensern erwarten, dass
       sie bis in alle Ewigkeit auf einen eigenen Staat hoffen, während Israels
       Rechtsregierung Fakten durch den Siedlungsausbau schafft. Die von Netanjahu
       dieses Jahr eingesetzte Levy-Kommission kam gar zu dem Ergebnis, man könne
       weder Israels Präsenz im Westjordanland als Besatzung bezeichnen, noch
       seien die dort errichteten Siedlungen völkerrechtswidrig.
       
       Deutschland und die gesamte EU sollten geschlossen und entschieden Ja zu
       der palästinensischen Initiative sagen. Die EU kritisiert den israelischen
       Siedlungsbau und fördert den Staatsaufbau Palästinas mit
       Milliardenbeträgen. Internationale Institutionen wie die Weltbank haben in
       der Vergangenheit längst bestätigt, dass Palästina die wesentlichen
       Voraussetzungen für Staatlichkeit erfüllt.
       
       Abbas stärken zu wollen ist eigentlich Konsens. Frankreich hat daher noch
       vor der Abstimmung erklärt, den palästinensischen Antrag zu unterstützen.
       Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle haben hingegen
       versucht, Abbas noch in letzter Minute von einer Verschiebung des Antrags
       zu überzeugen.
       
       Das wäre ein katastrophales Signal gewesen. Die deutsche Enthaltung bei der
       Zustimmung in der Generalversammlung ist kontraproduktiv – für die
       politische Zukunft von Abbas, die Staatlichkeit Palästinas und für den
       Frieden im Nahen Osten.
       
       29 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Wildangel
       
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