# taz.de -- Die Wahrheit: Strahlende Keller
       
       > Jahrzehntelang gab es Streit über Gorleben. Nun überlegen Bund und
       > Länder, ob man den Atommüll nicht doch woanders verbuddeln kann.
       
 (IMG) Bild: Trotz vehementen Protests der Hauseigentümer steht nun die Dichtigkeitsprüfung des Kellers an.
       
       Wenn sie so weitermachen, erledigt sich das Problem von selbst: Irgendwann
       zerfällt sogar ein Uranatom. Jahrzehntelang stritten sich Bund und Länder
       über Gorleben, dass vor 36 Jahren als Standort für nuklearen Abfall
       ausgewählt wurde. Jetzt haben sie sich überlegt, doch noch mal zu schauen,
       ob sich das strahlende Zeugs nicht besser woanders verbuddeln lässt.
       
       „Ein epochaler Durchbruch! Wir sind uns einig, bei der Suche nach einem
       geeigneten Standort darf es keine Tabus geben!“, strahlt
       Bundesumweltminister Peter Altmaier in die Kameras. Doch die Kosten für
       Suche und Errichtung eines Endlagers gehen in die Milliarden. Zahlen sollen
       das die Atomkraftwerk-Betreiber, die spontan wenig Lust dazu haben. Deshalb
       will Altmaier „kostengünstige Alternativen“ erkunden lassen.
       
       Damit diesmal jeglicher Eindruck von Untätigkeit vermieden wird, hat das
       Bundesumweltministerium kurzfristig 400-Euro-Kräfte eingestellt, die ab
       sofort in der gesamten Republik „ergebnisoffen“ potenzielle Lagerstätten
       begutachten sollen.
       
       Auch bei Roland Dütterstett, Eigentümer einer Doppelhaushälfte in
       Bottrop-Kirchhellen, wird geprüft – für den 56-Jährigen überraschend. „Die
       haben hier einfach geklingelt. Ob ich Platz zum Lagern hätte. Dabei kenn
       ich mich doch mit der Materie gar nicht aus!“
       
       Teamleiter Helge Vogel, gelernter Bäckermeister und seit fünf Tagen im
       Prüfdienst für das Umweltministerium, hat kein Verständnis für solche
       Ausflüchte. „Schön warm wollen sie es alle haben! Aber wenn es dann darum
       geht, Verantwortung zu übernehmen, dann kneifen sie!“
       
       Vogels Kollegen haben angefangen, den Zierteich in Dütterstetts Garten
       trockenzulegen. „Wir müssen prüfen, ob das als Zufahrt breit genug für die
       Castoren ist“, kommentiert ein untersetzter Mann und schaufelt weiter Sand
       in den Teich. Dütterstetts Frau Anja rettet in letzter Sekunde eine
       Handvoll Zierfische mit einem Plastikeimer. Ein junger Mann ist damit
       beschäftigt, den Jägerzaun abzubauen und ihn fünf Meter weiter auf dem
       Nachbargrundstück provisorisch wieder aufzubauen. „Wegen der
       Demonstranten“, erklärt er, „da gibt es gesetzliche Vorschriften. Ist doch
       alles ganz schön eng hier.“ Dütterstetts Nachbarin, Hilde Großkämper,
       streckt ungläubig den Kopf aus ihrem Küchenfenster. „Was machen sie denn
       da?“, ruft sie empört. „Das ist nur wegen des Atommülls!“, antwortet der
       Mann entschuldigend.
       
       ## „Helge, was wiegt den so ’n Castor?“
       
       Trotz vehementen Protests der Hauseigentümer steht nun die
       Dichtigkeitsprüfung des Dütterstett’schen Kellers an. Vogel und seine
       Mitarbeiter werden dafür fünf Millionen Liter Wasser in das Kellergeschoss
       der Doppelhaushälfte pumpen. „Wenn wir das nicht überprüfen und der Keller
       ist undicht, dann strahlt hier demnächst ganz Bottrop-Kirchhellen“, erklärt
       Vogel fachmännisch.
       
       Roland Dütterstett versucht noch, das Schlimmste zu verhindern, und fleht
       Vogel an. „Der Keller ist nicht dicht! Der ist ständig feucht! Sie brauchen
       sich nicht …“ Doch Vogel hat schon den Startbefehl gegeben. „Das werden wir
       ja bald herausfinden“, brummt er zufrieden, während die ersten Liter durch
       den Schlauch schießen.
       
       „Helge, was wiegt den so ’n Castor? Der ganze Garten ist jetzt ein einziger
       Matsch. Nicht das die einsinken!“, fragt der untersetzte Mann mit der
       Schippe in der Hand. Vogel kratzt sich am Kopf. „Das kann nicht so viel
       sein. Dieses Plutonium ist doch immer ganz klein. Hab ich mal bei James
       Bond gesehen.“
       
       In der Zwischenzeit inspiziert eine Mitarbeiterin des Teams die Küche. „Der
       Altmaier hat gesagt, ein Prüfkriterium ist die Infrastruktur. Ich denk mal,
       der meint, ob es auch was zu beißen gibt“, erklärt Olga Fährmann, die
       selbst lange in der Gastronomie tätig war. Vier Kochplatten seien dann doch
       etwas dürftig, befindet die Mittvierzigerin und schüttelt verständnislos
       den Kopf. „Hier arbeiten später 40 Mitarbeiter. Die verhungern mir doch!“
       Für Helge Vogel ein klares Ausschlusskriterium. Als Bäckermeister weiß er,
       wie wichtig die Verpflegung ist. Vogel ruft seine Teamkollegen zusammen.
       „Leute, unsere strengen Prüfkriterien werden hier nicht erfüllt. Wir machen
       drüben bei der Großkämper weiter.“
       
       Dütterstetts stehen fassungslos vor dem hinterlassenen Chaos. „Was soll ich
       denn jetzt mit dem Keller machen? Der ist ja randvoll mit Wasser!“, ruft
       Roland Dütterstett verzweifelt. Helge Vogel kennt solche Situationen und
       drückt ihm mit einem versöhnlichen Lächeln den Plastikeimer mit den
       Zierfischen in die Hand. „Da drin haben die Kleinen wenigstens richtig
       Platz!“
       
       14 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nico Rau
       
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