# taz.de -- Die Wahrheit: Warmes Politikernest
       
       > Sobald die Bundestagswahl vorbei ist, beginnt das beliebte
       > Politiker-Spielchen „Wen schicken wir nach Brüssel“? Peer Steinbrück ist
       > ein heißer Kandidat.
       
 (IMG) Bild: Brüssel ist schön, vor allem für Kuchenfreunde.
       
       Im wenigen Wochen findet die Bundestagswahl statt. Das haben viele Bürger
       noch gar nicht mitbekommen. Denn aus rührender Fürsorge um allzu
       strapazierte Wählernerven haben die Parteien diesmal darauf verzichtet,
       Wahlkampf zu führen. Spart ja auch Steuergelder in Krisenzeiten.
       
       Doch hinter den Kulissen sind die Abgeordneten in Berlin äußerst aktiv,
       denn nach jeder Bundestagswahl beginnt das beliebte Parteienspielchen: „Wen
       schicken wir nach Brüssel?“ Wie ein schwarzes Loch saugt die Stadt seit
       jeher ausgediente Politiker auf und spuckt sie nur zu wichtigen Parteitagen
       wieder aus.
       
       Dieses Jahr ist die Liste potenzieller Abwrackkandidaten lang. Allerdings
       wird sich nicht für jeden ein wärmendes Plätzchen an der
       Brüssler-Bürokraten-Sonne finden. Die Kompetenzkompetenz ist entscheidend,
       die nur Ausnahmepolitiker mitbringen, wie beispielsweise Edmund Stoiber,
       der allerdings seit mehreren Jahren als verschollen im Brüsseler
       Bürokratie-Dschungel gilt.
       
       Wer sich aber auf den Fluren der EU-Kommission ganz leise verhält, hört
       manchmal ein verwirrtes Flüstern: „Wenn Sie vom Gebäude der EU-Kommission …
       mit zehn Minuten, ohne dass Sie noch mal ein Ticket lösen, dann starten Sie
       im Grunde genommen vom Büro aus … vom Gebäude der Kommission starten Sie
       Ihre Rückreise nach Berlin. Zehn Minuten.“ Allerdings bedeutet die Brüssler
       Resterampe in der Regel ein One-Way-Ticket in den Vorruhestand.
       
       Ein neuer heißer Kandidat ist Noch-Verteidigungsminister Thomas de Maizière
       von der CDU. Insider bringen ihn als zukünftigen Nato-Generalsekretär in
       Stellung. Darüber würden sich viele Friedensaktivisten freuen. In der
       Euro-Hawk-Affäre hat de Maizière eindrucksvoll bewiesen, dass er problemlos
       horrende Militärbudgets verschleudern kann. Das ist konsequent betriebene
       Abrüstung.
       
       Der Spruch „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa“ ist längst überholt.
       Auch junge Politiker können mittlerweile rückstandslos in Brüssel entsorgt
       werden. FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin gilt als Vorbild, wie man sich
       gar nicht erst in der Bundespolitik verausgabt, sondern gleich als
       EU-Parlamentarier ein dickes Salär einstreicht und dafür nicht einmal an
       Sitzungen teilnehmen muss.
       
       Sollte die CDU nicht an der Macht bleiben, böte sich also auch für
       Familienministerin Kristina Schröder ein Wechsel nach Brüssel an. Nach
       ihrer beispiellosen Karriere vom Kindergarten über die Grundschule direkt
       in den Bundestag würde ihr etwas Ruhe guttun. Möchte sie jedoch unbedingt
       politisch aktiv sein, könnte Schröder in Brüssel den Kitaplätze-Ausbau
       vorantreiben. Die dortige Bevölkerung besteht zu 98 Prozent aus
       Parlamentariern, Lobbyisten und familiären Anhängen. Horden von unbetreuten
       Kindern stromern tagsüber durch Brüssels Altstadt und schlagen sich den
       Bauch mit Karamellwaffeln und belgischen Pommes voll. Soll so Europas
       zukünftige Führungselite aufwachsen? Fett und übernächtigt?
       
       Auch bei den Grünen ist das politische Verfallsdatum einiger Spitzenkräfte
       längst überschritten. Des Grünen neueste Lieblingsbeschäftigung – alles und
       jedes zu verbieten – passt hervorragend zur grundsätzlichen politischen
       Zielsetzung der EU: der totalen Normierung.
       
       Nicht umsonst weiß der Volksmund: In Brüssel gibt es viel zu tun / Normiert
       das Ei, normiert das Huhn / Die Eurokraten nehms genau / Normiert wird auch
       des Bauern Frau.
       
       Veggieday für Steakhouses, Tempo 7 auf dem Parlamentsflur, Steuer auf das
       Taschengeld von Vorschulkindern – in der EU ist noch reichlich Spielraum
       für grünen Gestaltungswillen.
       
       Wenn es, wie zu erwarten, nichts wird mit einem zukünftigen SPD-Kanzler
       Peer Steinbrück, dürfte selbst für ihn Brüssel eine Option sein. Zwar ließ
       er sich jüngst abfällig über die Regelungswut der EU-Kommission aus und
       verriet, er habe im Keller Glühbirnen gehortet. Aber gerade deshalb
       empfiehlt sich für Steinbrück eine späte Karriere als EU-Lobbyist zum
       Beispiel für Glühbirnen, Rotwein oder hochdotierte Rednerverträge.
       
       Nur mit der gewünschten Beinfreiheit wird es da nichts. Die Lobbyisten
       sitzen den lieben, langen Tag auf den Schößen der Parlamentarier und
       flüstern ihnen Schweinereien ins Ohr. Dafür macht dann die menschliche Nähe
       die fehlende Wärme der Energiesparlampen in den Brüssler Büros wett.
       
       23 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nico Rau
       
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