# taz.de -- Die Wahrheit: Bremsspur auf der Piste
       
       > Nach unzähligen Flughafenstreiks in den vergangenen Wochen platzt nun den
       > Passagieren endgültig der Kragen.
       
 (IMG) Bild: An vielen Flughäfen werden die Protestierer durch massiven Einsatz von Sicherheitskräften brutal niedergeknüppelt.
       
       „Ich lass mir meinen Urlaub nicht mehr versauen! Ich kack auf Ihre feine
       Landebahn!“ Rentner Heinz Huber gestikuliert wild mit den Händen in der
       Luft. Der junge Mann vom Sicherheitsdienst hatte ihn freundlich darum
       gebeten, doch bitte die Hose hochzuziehen und die Landebahn zu räumen.
       Heidrun Huber steht peinlich berührt neben ihrem Mann. „Wissen Sie, wir
       wollten doch nur nach Teneriffa! Aber ständig streikt hier ja irgendwer.
       Und der Heinz, der regt sich doch so schnell auf!“
       
       Jetzt hilft die silbrigfarbene Dame dem Sicherheitsmitarbeiter dabei, ihren
       Mann aus der Hocke aufzurichten. Als Huber steht, entwindet er sich
       geschickt ihrem Griff und ergreift die Flucht. Der 67-Jährige rennt in
       hohem Tempo die Landebahn entlang. Dabei rutscht ihm die Hose in die
       Kniekehlen. Huber taumelt, stürzt, rappelt sich wieder auf und streckt dem
       Sicherheitsmitarbeiter aus sicherer Entfernung den Mittelfinger entgegen.
       „Mich kriegt ihr nie! Und eure Scheiß-Landebahn wird niemals sauber!“
       
       Der Flughafen Köln-Bonn erlebt zurzeit eine gewaltige Protestwelle, die
       jeden Gewerkschaftsfunktionär vor Neid erblassen lässt. Denn es kämpfen
       keine unterbezahlten Arbeitnehmer für Tariflohn oder faire Arbeitszeiten,
       sondern frustrierte Fluggäste gegen die häufigen Streiks des
       Flughafenpersonals. Nach dem letzten Ausstand des Sicherheitspersonals auf
       den Flughäfen Düsseldorf und Hamburg, scheint die Geduld der Passagiere
       endgültig ein Ende gefunden zu haben.
       
       Sabine Feilinger, eine Studentin aus Köln, wollte eigentlich nur für drei
       Tage nach Berlin fliegen. Jetzt ist sie spontan Sprecherin des
       Aktionsbündnisses Passengers For Free Travel (PFFT) geworden. „Ich lass mir
       das nicht mehr bieten! Da bekomme ich ein Last-Minute-Ticket zum absoluten
       Schnäppchenpreis, und dann verhageln die mir meinen Kurztrip! Weil ihnen
       die Bezahlung mal wieder nicht passt!“
       
       Feilinger erklärt, sie und die Fluggäste seien bereit, so lange zu
       streiken, bis sämtliche Tarifkonflikte für alle Zeiten beigelegt wären. Auf
       einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekundet daraufhin
       Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt Verständnis für die Protestierenden. „Wir
       wollen schließlich schon lange die Gehälter einfrieren und nicht wieder
       auftauen.“
       
       Ein Sprecher des Flughafens hingegen kündigt Gegenmaßnahmen an: „Wir sehen
       momentan keine andere Möglichkeit, als Leih-Touristen aus Asien
       einzustellen. Wenn hier kein Passagier mehr fliegt, bricht das System
       zusammen!“
       
       ## Turbulente Szenen
       
       Im Flughafengebäude kommt es derweil zu turbulenten Szenen bei der
       Gepäckausgabe. Ein 40-jähriger Mann im Business-Anzug hat sich an die
       Öffnung der Gepäckausgabe gekettet. Sein voluminöser Körper hindert die
       Koffer ankommender Flieger daran, auf das Fließband zu gelangen.
       
       „Sagen Sie meiner Frau und meinen Kindern, dass ich sie liebe! Aber wenn es
       sein muss, gehe ich bis zum Äußersten!“, brüllt er einem Fernsehreporter
       ins Mikrofon, während drei bullige Sicherheitskräfte an seinem Körper
       zerren.
       
       Während die drei Männer erschöpft eine Kaffeepause einlegen, schildert
       Gerhard Zeisel seine Beweggründe. Er habe die Beherrschung verloren, als er
       den dritten Geschäftstermin auf Grund ausgefallener Flüge verpasst habe.
       Seitdem hänge er in der Gepäckausgabe und sei zu allem bereit.
       
       „Ich fall lieber tot um, als dass mich auch nur ein Koffer passiert!“
       Zeisels Enthusiasmus wird nun allerdings einer harten Belastungsprobe
       unterzogen. Gerade ist eine Ferienflieger aus Mallorca gelandet, die Koffer
       müssten jede Minute eintreffen.
       
       Die noch junge Protestbewegung hat zwar für einen Stopp der Abflüge
       gesorgt, doch die Ankünfte neuer Maschinen noch nicht unter Kontrolle. Das
       soll ein großes Protestcamp auf den Landebahnen ändern. Unterstützer aus
       ganz Deutschland haben große Zelte für die Verpflegung der Protestierer
       errichtet. Kaffee, Schnittchen, Bratwürste und Nudelsalat werden verteilt.
       
       Thorsten Beier hilft bei der Kinderbetreuung aus. „Bei uns im Zelt gibt es
       Spiele wie ’Wer zertritt die meisten Flugzeugmodelle in einer Minute‘ und
       solche Sachen.“ Er sei allerdings nicht persönlich von den Streiks des
       Flughafenpersonals betroffen gewesen, sondern aus reiner Langeweile vorbei
       gekommen.
       
       In all dem Chaos sucht Heidrun Huber nach ihrem Mann. „Gerade wo hier jetzt
       Kinder rumtoben!“ Sie findet Heinz Huber endlich am Bratwurststand. Die
       Hose immer noch heruntergelassen, verkündet er zwischen zwei herzhaften
       Bissen: „Das wird eine globale Bewegung! Bratwürste und Kaffee auf der
       Landebahn statt Ferien im Süden! Wenn es das ist, was die
       Fluggesellschaften wollen – ich bin dabei!“
       
       19 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nico Rau
       
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