# taz.de -- Kolumne Männer: Kein Land für alte Säcke
       
       > Warum gilt es als schicklich, alternde Männer zu schmähen, weil sie
       > altern und Männer sind? Es könnte an den Hodensäcken liegen.
       
 (IMG) Bild: Bälle in ihrer natürlichen Umgebung: einem Sack in Oberschenkelhöhe.
       
       Frauen haben’s gut. Zumindest alte Frauen. Sie haben richtig gelesen.
       Diesen schmissigen Texteinstieg wähle ich aus gutem Grund. Denn ich habe
       eine neue Form der Diskriminierung gefunden, und die trifft ausschließlich
       Männer, alte Männer. Ich nenne sie Altersgeschlechtsdiskriminierung.
       
       Es ist nämlich so: Nicht alle Menschen altern auf dieselbe Art. Frauen
       reifen im allgemeinen Sprachgebrauch nach und nach zu „alten Damen“. Männer
       hingegen werden bestenfalls „alte Männer“, häufig aber auch „alte Säcke“.
       Nur Kerle können alte Säcke werden. Das liegt den Schluss nahe, dass diese
       Bezeichnung etwas mit dem Geschlecht des Bezeichneten zu tun hat. Um ein
       alter Sack zu werden, braucht man also einen Hodensack. Das ist doch arg
       unfein.
       
       Oder wäre es hierzulande kommod, eine nicht mehr junge Frau dafür zu
       schmähen, dass sie schon etwas länger lebt? Sicher, es gibt die Bezeichnung
       „alte Schachtel“, aber die klingt geradezu putzig. Mit großer
       Selbstverständlichkeit werden Männer auch in der Öffentlichkeit als „alte
       Säcke“ bezeichnet. Da klappert kein Porzellanservice beim Nachmittagstee,
       und kein Attaché hebt indigniert die Augenbraue.
       
       Was aber geschieht, versieht ein Mann in kultivierter Runde eine ergrauende
       Dame mit dem Adjektiv „alte“, ergänzt um einen derben Ausdruck für die
       äußerlich sichtbaren weiblichen Geschlechtsorgane? Ist es okidoki, ein Wort
       zu verwenden, das so grob ist, dass selbst die Worte, die sich darauf
       reimen, umgangssprachlich Erbrochenes und Speichel bezeichnen? Mit breiter
       Brust des Meinungsinhabers stelle ich mich hin und sage: Ich glaub, eher
       nicht.
       
       ## "Alter Sack" versus "Cougar"
       
       Insbesondere ältere Männer, die sexuelles Interesse an jüngeren Frauen
       zeigen, handeln sich das Etikett „alter Sack“ ein. Früher galt Ähnliches
       für die Lust älterer Frauen. Das ändert sich. Begehrt heute eine ältere
       Frau einen jüngeren Mann, heißt das „Cougar Town – 40 ist das neue 20“ und
       läuft auf Sixx.
       
       Vor einigen Wochen bezeichnete ein Kommentar auf Seite 1 dieser Zeitung den
       alten und den neuen Papst als „alten Sack“. Wunschgemäß beschwerten sich
       Leser über die „unglaublichen Tiraden“. Dabei geht diese Kritik, meiner
       Meinung nach, am Kern vorbei.
       
       Jeder Papst ist qua Jobprofil ein Frauen und Homosexuelle gering
       schätzender Chef eines mafiös strukturierten globalen Unternehmens. Das
       genügt meiner Meinung nach völlig, ihn doof zu finden. Ich gehe sogar so
       weit, zu erklären: Ich würde nach einem Papst eher ungern dieselbe Toilette
       benutzen. Aber: Sein Testikelschutz ist mir schnurz, er taugt nicht zur
       Beleidigung.
       
       Jemanden für seine Geschlechtszugehörigkeit zu schmähen, ist Sexismus. Es
       ist doch erbärmlich, Stolz oder Verachtung zu empfinden gegenüber etwas,
       wozu man nichts beigetragen hat. Das Geschlecht fängt man sich ja nicht
       durch schlechtes Karma ein oder verdient es sich durch richtige Antworten
       bei „Wer wird Millionär?“. Und jemandem sein Alter zum Vorwurf zu machen,
       ist schlicht dumm.
       
       Halten wir es mit Hodensäcken doch wie mit Gesichtern. Da heißt es ja, jede
       Falte erzähle eine Geschichte.
       
       24 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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