# taz.de -- Kolumne Männer: Champions League des Chauvinismus
       
       > Der Fußball wirft eine wichtige Frage auf. Warum verhalten sich manche
       > Frauen so sexistisch, wie sie es Männern so lange zu Recht vorgehalten
       > haben?
       
 (IMG) Bild: Auch „geile Schnitten“ haben Gefühle: Madrids Sergio Ramos nach dem Halbfinal-Aus gegen Borussia Dortmund.
       
       Am Wochenende muss ich wieder Fußball gucken. Lust habe ich nicht gerade.
       Nicht nach den Erlebnissen bei einem der Halbfinalspiele der Champions
       League. Da musste ich lernen: Menschen kann man sich schönsaufen, aber
       Äußerungen anderer Menschen leider nicht.
       
       Dabei herrschten hierfür perfekte Umstände. Die Kneipe wurde immer voller,
       der Fernseher musste brüllen, und beides tat auch ich. Gleich begann das
       Rückspiel im Duell Dortmund gegen Real Madrid. Die Rollen von Gut und Böse
       schienen klar verteilt. Doch dann war Anpfiff.
       
       „Geil“, ruft eine Freundin neben mir in den Raum, „gleich läuft auch der
       Schnucki mit dem Bart auf.“ Nach einem Moment des Wahns, in dem ich
       vermute, sie könnte von mir reden, frage ich: „Meinst du Sergio Ramos?“ Sie
       nickt. Neben ihr steht ihr Freund. Ich freue mich.
       
       Wir drei scheinen der lebende Beweis zu sein, dass das Klischee überwunden
       ist, demzufolge Männer beim Fußballgucken unter sich bleiben wollten und
       dort ihren „eigentlichen“ Charakter offenbarten: der Mann als aggressiver,
       dumpfer, geschmackloser Kerl.
       
       ## Maul stopfen mit Bier
       
       „Der Ramos“, sagt die Freundin, „der ist ’ne geile Schnitte. Nicht wie das
       Kroppzeug da.“ Kroppzeug? Ihr Freund lächelt gequält, und ich bin froh,
       meinen Mund mit einem Schluck Bier stopfen zu können.
       
       Wann ist es unter manchen Frauen chic geworden, sich so sexistisch zu
       verhalten, wie sie es Männern zu Recht so lange vorgehalten haben? Einst
       war das ein cleveres Mittel, um Männern zu spiegeln, was sie Frauen im
       Alltag zumuteten. Aber manche Frauen verwechseln weibliche
       Selbstermächtigung mit plumpem Chauvinismus. Und wenn die Schlagersängerin
       „Möhre“ singt „Das sind keine 20 Zentimeter“, dann ist das nicht nur öde,
       sondern auch sehr erfolgreich.
       
       Was wäre, sänge ein Kerl „Du hast aber kleine Brüste“? Oder spräche ein
       Mann von seiner Vorfreude auf die „geilen Schnitten“ beim
       Synchronschwimmen? Letzteres werden wir wohl nie erfahren. Welcher Mann
       guckt schon Synchronschwimmen?
       
       Die Freundin mag ihr Bier nicht mehr, schüttet es ihrem Freund und mir in
       die Gläser. Wir rufen, wie es sich für diesen Glücksmoment gehört, „Juhu!“
       – mit der schrillen Stimme Homer Simpsons. Die Freundin schüttelt den Kopf
       und sagt: „Lauter Homos um mich rum.“ Wäre ich bloß schwul. Vielleicht
       fiele mir dann eine hübsch bösartige Bemerkung über ihre Frisur ein.
       
       ## Wir geilen Schnitten
       
       So aber schweige ich und sehe, wie Dortmund 0:1 in Rückstand gerät. Noch
       zwei Gegentore, und Dortmunds Traum von Finale ist geplatzt. Mein Freund
       und ich nehmen gleichzeitig einen Schluck Bier, und wir geilen Schnitten
       sehen dabei aus wie Synchrontrinker.
       
       88. Minute, es fällt das 0:2. Die Kneipe ist in Aufruhr – doch die Freundin
       tippt auf ihrem Handy. 96. Minute, endlich Abpfiff. Die Freundin gähnt.
       Warum nur, frage ich mich, finde ich sie heute Abend so unsympathisch, dass
       nicht mal Alkohol hilft? Ist es ihr Chauvinismus?
       
       Als wir uns verabschieden, sagt sie: „Morgen, beim anderen Halbfinale,
       wird’s erst richtig interessant. Ich bin ja Bayern-Fan.“ Das erklärt
       natürlich einiges.
       
       23 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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