# taz.de -- Kolumne Männer: Wir sind Brüderle
       
       > Männer vs. Frauen, Frauen vs. Männer, Männer vs. Männer, Frauen vs.
       > Frauen: Bei Sexismus kann jeder mitmachen.
       
 (IMG) Bild: Krawatte als Penisersatz? Dafür gibt es schon auch mal einen Bambi
       
       Die beliebteste Rolle des Kabarettisten Georg Schramm ist die des Rentners
       Lothar Dombrowski. Der verbitterte Mann hat im Zweiten Weltkrieg eine Hand
       verloren, trägt deshalb eine schwarze Prothese. Im schlecht sitzenden
       grauen Anzug, mit Pomadefrisur und Hornbrille, wettert der Rentner gegen
       die moderne Welt. Die Figur Dombrowskis hat etwas Entscheidendes gemein mit
       dem Sexismus à la Rainer Brüderle.
       
       Die Hochphase des keifenden, zwangsneurotischen Spießbürgers ist lange
       vorüber. Gerade als die sogenannten Kriegskrüppel aus dem Stadtbild
       verschwanden, nahmen sich Kabarettisten der Figur an. Über sie wird bis
       heute gelacht – gerade weil das Publikum die eigenen Ressentiments nicht in
       ihr wiedererkennt. So ähnlich ist es mit Brüderles Form des Sexismus.
       
       Hat der FDP-Politiker sexistisch gehandelt? Ja, klar. Wir stellen das heute
       so leicht fest, weil diese Form des Sexismus zum Klischee geronnen ist.
       Einst schien er allgegenwärtig, der Typus des sich onkelhaft gebenden
       älteren Mannes in Machtposition, der statusunterlegene jüngere Frauen
       folgenlos sexuell bedrängen darf.
       
       ## Wer Sexismus beklagt, kann selbst sexistisch denken
       
       Noch immer gibt es diese Form des Sexismus: sexuelle Diskriminierung in
       Hierarchien. Aber immer mehr Frauen erringen hohe berufliche Positionen.
       Auch die Stern-Redakteurin ist keine Untergebene des Politikers, und
       folgenlos blieb dessen Verhalten bekanntlich auch nicht. Wir können
       Brüderles Form des Sexismus so leicht verurteilen, weil wir eigene
       sexistische Haltungen darin nicht wiedererkennen. Dabei kann, wer Sexismus
       beklagt, selbst sexistisch denken und handeln.
       
       Beispielsweise der Stern. Das Magazin, das die Brüderle-Episode öffentlich
       gemacht hat, stellt seit Jahrzehnten regelmäßig nackte, schöne Frauen aufs
       Cover. Auch bei Titelthemen wie „Neue Waffen gegen Krebs“ und „Risiko
       Röntgen“. Auf [1][Stern.de] erschien, begleitend zum Brüderle-Porträt, ein
       Text einer Redakteurin und eines Redakteurs. Sie schrieben scheinbar
       selbstkritisch, „dass in manchen Redaktionen junge, attraktive Frauen
       strategisch eingesetzt werden“: „Offenherzigkeit gegen tiefes Dekolleté und
       klimpernde Wimpern“. In dieser Sicht gelten gut aussehende Frauen allein
       als Beute und Männer als hirnlose Trottel, die nicht anders können, als
       Geheimnisse auszuplaudern, weil eine gut aussehende Frau vor ihnen steht.
       
       ## Wer Frauen als Opfer definiert, degradiert sie
       
       Auch wer meint, Frauen seien ausnahmslos Opfer von Sexismus, Männer immerzu
       Täter, denkt selbst sexistisch. Nicht nur in Bezug auf Männer, auch auf
       Frauen. Denn wer sie ausschließlich als Opfer definiert, degradiert sie. Es
       ist kompliziert.
       
       Natürlich können Frauen sich auch sexistisch gegenüber Männern verhalten.
       Am Sonntag sah ich „Günther Jauch“ zum Thema Sexismus. Geladen war neben
       anderen Alice Schwarzer. Jauch sagte seinem Gast: „Wir haben mal eine
       lustige Sendung zusammen gemacht. (…) Und da haben Sie so sinngemäß gesagt:
       Meine Krawatte, das sei ja nur ein Penisersatz. (…) Wenn’s umgekehrt
       gewesen wäre, säße ich heute nicht mehr hier.“ Schwarzer winkte ab: „Dafür
       haben wir aber beide das ’Bambi‘ gekriegt.“
       
       Niemand im Publikum lachte. So muss Kabarett sein.
       
       30 Jan 2013
       
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