# taz.de -- Kolumne Männer: Weißt du, wie groß mein Penis ist?
       
       > Männer protzen und prahlen? Dagegen weiß ich ein Mittel.
       
       Neulich erhielt ich Post von mir. Als ich morgens, noch benebelt vom
       alkoholisierten Vorabend, meine Mails abrief, war darunter auch eine von
       mir selbst. Warum sollte ich mir eine Nachricht schicken? Erst recht eine
       mit der Betreffzeile „Weißt du eigentlich, wie groß mein Penis ist?“.
       
       Merkwürdige Frage, dachte ich, schließlich kenne ich die Antwort. Langsam
       begriff ich, was geschehen war. Am Vorabend hatten Gastgeberin, Gastgeber
       und ich zu vorgerückter Stunde Dinge thematisiert, über die wir
       normalerweise nicht reden, nämlich Kinderbücher.
       
       Der Gastgeber berichtete vom immensen Erfolg des Buchs „Weißt du
       eigentlich, wie lieb ich dich hab?“. Darin übertrumpfen ein Hasenjunge und
       sein Vater einander in ihren wechselseitigen Zuneigungsbekundungen. Wie
       wäre es, fragte der Gastgeber, wenn man an diesen Erfolg anknüpfte? Sein
       Vorschlag: ein Buch namens „Weißt du eigentlich, wie scheiße ich dich
       finde?“.
       
       Super Idee, sagte ich. Aber wenn das Prahlen zweier männlicher Hasen sich
       so gut verkauft, sei es doch logisch, noch einen Schritt weiter zu gehen.
       Und der Ursprung des Prahl-Drangs von Männern liege schließlich,
       Entwicklungspsychologen zufolge, in deren Körpermitte.
       
       Zur Erinnerung an meine blendende Buchidee schickte ich mir die erwähnte
       Mail, die ich am nächsten Morgen mit Freude löschte.
       
       Denn nüchtern betrachtet sehe ich weit weniger Anlass, sich über angebliche
       Penisprahlerei unter Männern lustig zu machen. Gibt es irgendeinen
       Leuchtturm, irgendein Hochhaus, über das niemand geurteilt hat, das sei ja
       ein Penisersatz, ein peinlicher Ausdruck männlicher Größenfantasien? Dabei
       dachte ich immer, Leuchttürme seien so gebaut, damit Schiffe sie von weitem
       sehen können. Und die Höhe von Häusern habe auch zu tun mit den örtlichen
       Grundstückspreisen.
       
       Die Gastgeberin des trunkenen Abends hat mich seither bei jedem
       Aufeinandertreffen auf meine Gin-Tonic-Idee angesprochen. Wie bizarr sie
       gewesen sei. Und wie ich denn, um Himmels willen, darauf gekommen sei,
       meinen Penis, nun ja, hervorzuheben. Da hat sie natürlich recht.
       
       Können Sie sich vorstellen, dass Frauen ihre sichtbarsten
       Körperausbuchtungen betonen, sie mit Halterungen versehen, damit diese
       besser zur Geltung kommen, mitunter gar größer wirken? Und schielen Frauen
       etwa darauf, ob andere Frauen „mehr“ haben? Na also.
       
       Entwicklungspsychologen sagen, die Konzentration von Männern auf ihre
       Penis-Beschaffenheit habe mit ihrer Außenfixierung zu tun: Wem in der
       Kindheit beigebracht werde, dass der Ausdruck von Gefühlen „unmännlich“
       sei, der versuche, diese abzuspalten. Der Kontakt zu den eigenen Emotionen
       breche ab. Übrig bleibe den Heranwachsenden die Fixierung auf messbare,
       äußere Dinge. Wir müssen uns Maschinenbaustudenten als unglückliche
       Menschen vorstellen.
       
       Wer also Ruhe vor Penisgeprahle will, sollte Kerlen freundlich begegnen,
       sie auch als emotionale Wesen begreifen, auf sie eingehen. Sagen Sie ihnen
       doch mal, wie lieb Sie sie haben.
       
       13 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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