# taz.de -- De Maizière auf US-Besuch: Onkel Thomas erzählt vom Krieg
       
       > Der Verteidigungsminister versucht den Amerikanern die Idee vom „sauberen
       > Krieg“ auszureden. An den Drohnen sind die Deutschen trotzdem
       > interessiert.
       
 (IMG) Bild: Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zu Besuch in der US-Militärakademie West Point bei New York.
       
       WEST POINT/WASHINGTON taz | Vor gut 1.000 sehr jungen amerikanischen
       Kadetten in adretten weißen Hemden steht am Montagabend der deutsche
       Verteidigungsminister und soll sich plötzlich ernsthaft für deutsche
       Verteidigungspolitik rechtfertigen.
       
       Thomas de Maizière (CDU) hat in West Point, der Militärakademie des
       US-amerikanischen Heeres, gerade eine Rede gehalten über das, was die
       amerikanische und die deutsche Armee verbindet: Freiheit, Demokratie und so
       weiter. Dann kommen die Fragen aus dem im Schnitt vielleicht 18- bis
       19-jährigen Publikum. Sie sind ganz offensichtlich vorbereitet, und zwar
       nicht vom vortragenden Teenager; aber sie sind ganz offensichtlich auch
       komplizierter, als sich de Maizière das vorgestellt hat.
       
       Wie es um den schwindenden Willen der Bevölkerung auch in Deutschland
       bestellt sei, Opfer für Kriege zu bringen, selbst wenn diese dem Erhalt von
       Freiheit und Demokratie dienten? De Maizière verpasst seinen Einsatz aber
       nicht. Es sei doch darin die Frage verborgen: „Tun wir genug? Sind wir
       stark genug?“ - etwa in Afghanistan, sagt er. Und seine Antwort sei „ja“.
       
       Er kenne die umlaufenden Gerüchte und Einschätzungen von „Think-Tankern“
       und anderen, dass der deutsche Einsatz in Afghanistan nicht ausreichend
       sei. Aber sie seien nicht wahr.
       
       ## Tonfall-Test
       
       De Maizière macht in Begleitung eines Dutzends PressevertreterInnen eine
       dreitägige Reise an die US-Ostküste, am heutigen Dienstag wird er
       nachmittags auch auf seinen US-Kollegen Chuck Hagel treffen.
       
       Doch wird der Minister vorm Termin bei Hagel im Pentagon bereits von einer
       dieser Aussagen eingeholt, wie sie bei solchen pressebegleiteten Reisen
       bisweilen manchem gesteckt, inoffiziell bestätigt werden und dann medial
       ein bisschen außer Kontrolle geraten. Die Meldung, dass die USA bereits
       eine Voranfrage nach dem „Reaper“ bestätigt hätten, dass diese Kampfdrohne
       also mehr oder weniger sofort gekauft werde, muss de Maizière in der
       Residenz des Deutschen Botschafters zurückholen.
       
       Er vermute zwar, schon im Mai eine positive Antwort auf die Frage nach
       einer bewaffnungsfähigen Drohne zu bekommen, sagt de Maizière. Doch werde
       diese Antwort „eine umfangreiche sein“. Nicht nur das Ob, sondern das Wie,
       sprich die technischen und finanziellen Bedingungen seien entscheidend. Der
       Bundestag werde in jedem Fall erst nach der Wahl befasst.
       
       Eine Klärung im Gespräch mit US-Verteidigungsminister Hagel scheint niemand
       zu erwarten. Bis dahin aber absolviert de Maizière einige Stationen zur
       Erprobung eines argumentativen Pfads zwischen nationalem Selbstbewusstsein
       und Respekt vor amerikanischen Leistungen.
       
       De Maizière testet seinen Tonfall Marke „klare Kante“ und das entsprechende
       Vokabular. Beides hat er viele Jahre lang nur auf innenpolitischem Parkett
       eingesetzt. Doch nun übt er dabei auch öffentlich Kritik. Den Kadetten im
       beschaulichen West Point in der Wildnis 50 Kilometer hinter New York sagt
       er etwas unvermittelt - ihre Gesichter verraten nicht, ob die Botschaft
       ankommt -, ihm missfalle eine im US-Militär verbreitete Art, von „sauberem
       Krieg“ zu reden. Die Idee, dass Krieg chirurgisch präzise und daher
       irgendwie unblutiger sei, funktioniere nicht. „Sie werden nie einen
       klinischen Krieg bekommen“, erklärt de Maizière.
       
       ## „Eigentlich unübersetzbar“
       
       Der Versuch allerdings, den US-Amerikanern ein paar deutsche Lehren
       mitzubringen, wirkt nicht besonders überzeugend. Zwar hat erst in dieser
       Woche ein Bericht in der New York Times die gravierenden psychischen
       Probleme in der Army, den gigantischen Medikamenteneinsatz und auch
       Drogenmissbrauch, die Vernachlässigung der Veteranen, die aus harschen
       Einsätzen zurückkommen, geschildert.
       
       Aber ob die mächtigste Streitkraft der Erde wirklich hören will, wie das in
       der Bundeswehr mit der Inneren Führung funktioniert, dass man deutsche
       Soldaten so selten aus der Rolle fallen sieht?
       
       Innere Führung, so die nach der Erfahrung des Nationalsozialismus
       entwickelte Idee, ist ein Versuch, eine Armee soweit möglich demokratisch
       zu konstruieren; den Soldaten ein Maß an demokratischen Werten mitzugeben,
       dass sie nie wieder zu bloßen Mördern werden. „Innere Führung“, erklärt de
       Maizière auch den Kadetten, ist „eigentlich unübersetzbar“.
       
       Kein Wunder. Morgens waren Minister und Presse auf der 20. Geburtstagsparty
       des Holocaust Memorial Museums gewesen, hatten in großen weißen Zelten im
       strömenden Washingtoner Regen den Festansprachen von Gründer Elie Wiesel
       und Bill Clinton zugehört. Hunderte von Holocaust-Überlebenden und
       Kriegs-Veteranen, die 1945 Europa von den Nazis befreiten, waren im
       Publikum.
       
       Auf Zuruf erhoben sie sich, uralte Menschen, tief gebeugt über ihren
       Rollatoren, gezeichnet, gestützt von Kindern, die auch schon im Rentenalter
       waren. „Survivors and Veterans“, Holocaust-Überlebende und die, die sie
       befreit haben, wurden bejubelt. Die Militärkapelle spielte.
       
       Nicht nur, dass de Maizière später einräumen muss, wie gut die
       amerikanischen Riten „das Herz - und nicht nur den Kopf“ anzusprechen
       vermögen. Mögliche weitere Erkenntnis: Eine Armee, die in solch einer
       Tradition ruht und sich feiert, braucht sich auch bald 70 Jahre nach Ende
       des Zweiten Weltkriegs nicht unbedingt von einem deutschen
       Verteidigungsminister erklären lassen, wie Militär geht.
       
       30 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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