# taz.de -- Kolumne Macht: Lasst uns Zigaretten verbieten!
       
       > Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen das Rauchen. Die Abneigung sprengt
       > jede rationale Überlegung. Es gibt daher nur eine logische Konsequenz.
       
 (IMG) Bild: Von Kopf bis Fuß auf Zigaretten eingestellt? Aus und vorbei
       
       Kohlgeruch finde ich abscheulich, und Leute, die Sauerkraut essen, kann ich
       sowieso nicht leiden. Die will ich nicht als Nachbarn haben. Wie
       erfreulich, dass sie jetzt mit einiger Aussicht auf Erfolg aus der Wohnung
       geklagt werden können, wenn sie mit ihren ekelhaften Schwaden das
       Treppenhaus verpesten.
       
       Wer Knoblauch nicht mag – oder auch nur diejenigen nicht, die ihn
       regelmäßig essen – hat ebenfalls Anlass zur Zuversicht. Man kann ja
       zumindest mal versuchen, den Vermieter zum Gang vor Gericht zu bewegen.
       Aussichtslos scheint das doch nicht zu sein, seit das Amtsgericht
       Düsseldorf die fristlose Wohnungskündigung eines 74-jährigen Manns
       bestätigt hat, der seine Nachbarn durch Zigarettenrauch belästigt.
       
       Die Schlussfolgerung sei absurd, schließlich ließen sich Knoblauch und
       Sauerkraut auf der einen Seite mit Zigarettenrauch auf der anderen Seite
       überhaupt nicht vergleichen? Im letzteren Fall gehe es um ein
       Gesundheitsrisiko, im ersteren lediglich um Geruchsbelästigung? Na ja. So
       einfach ist es nicht.
       
       Im vorliegenden Fall wurde nämlich die Frage überhaupt nicht erörtert, ob
       und wie viel man in der eigenen Wohnung rauchen darf – und schon gar nicht,
       wie viel Knoblauch man beim Kochen benutzen kann. Diskutiert wurde nicht
       einmal, ob der Mieter, der nach 40 Jahren ausziehen soll, ausreichend
       gelüftet hat. In die Beweisaufnahme ist das Gericht gar nicht erst
       eingetreten, weil die Anwältin des Beklagten eine Frist versäumt hat.
       
       Unklar bleibt demnach auch weiterhin, ob kalter Rauch im Treppenhaus
       lebensgefährlich ist oder nicht. Da es – entgegen der Meinung einiger
       Nichtraucher – nicht einmal bewiesen ist, dass allein der Anblick einer
       Zigarettenschachtel das Krebsrisiko dramatisch erhöht, wären Aussagen von
       Gutachtern dazu interessant gewesen. Aber die gab es nicht.
       
       Wenn man sich überlegt, einen Text zum Thema „Rauchen“ zu schreiben, dann
       weiß man, dass man als unsozial, wenn nicht gar als Schlimmeres
       gebrandmarkt wird, wenn man sich nicht tief vor dem Gott der Nichtraucher
       verneigt und bestätigt, dass man bereut zu rauchen. Tief bereut. In
       Ordnung. Ich verneige mich, ich bereue. Tief. Schande über mich!
       
       Nachdem dies erledigt ist: Können wir jetzt wieder zu dem zurückkehren, was
       eigentlich Thema ist? Nämlich zu der Güterabwägung zwischen konkurrierenden
       Grundrechten?
       
       Die Unverletzlichkeit der Wohnung – also die Erlaubnis, in den eigenen vier
       Wänden innerhalb der gesetzlichen Grenzen alles tun zu können, was gefällt
       – ist eines der unveräußerlichen Grundrechte. Ja, ich bin starke Raucherin.
       Und dennoch plädiere ich inzwischen für ein generelles Rauchverbot.
       
       Weil ich nämlich fürchte, dass die Abneigung der Mehrheit der Bevölkerung
       gegen Zigaretten und deren Folgen ein Ausmaß angenommen hat, das jede
       rationale Überlegung sprengt.
       
       Irgendwo im Netz habe ich die Forderung gelesen, dass Raucherinnen und
       Rauchern im Winter der Besuch von Theater und Oper untersagt werden sollte.
       Weil deren Mäntel so getränkt seien von Nikotin, dass der Stoff an der
       Garderobe auf die Mäntel von nichtrauchenden Müttern übertragen werde. Und
       somit bei deren Heimkehr auf die unschuldigen, schlafenden Babys und
       Kleinkinder.
       
       Wenn solche Warnungen für rational gehalten werden, dann ist es kein
       Wunder, wenn eine flächendeckende Überwachung der Bevölkerung – bis hin zu
       Liebeserklärungen – für sinnvoll erklärt wird, um Terroranschläge zu
       verhindern. Es ist gewiss wahr: Gelegentlich werden Attentate im Vorfeld
       aufgeklärt, weil Leute abgehört wurden, die nicht hätten abgehört werden
       dürfen. Vermutlich ist auch wahr: Irgendjemand erkrankt nicht an Krebs,
       weil er oder sie irgendwann, irgendwo keinen Zigarettenrauch eingeatmet
       hat. Wer derartige Einzelfälle allerdings als Argument benutzt, kann damit
       jedes Grundrecht aushebeln.
       
       Lasst uns also Zigaretten verbieten! Darauf kann man sich ja verständigen.
       Worauf man sich aber nicht verständigen sollte: auf die Ausgrenzung eines
       Teils der Bevölkerung, der sich durchaus im Rahmen legaler Grenzen bewegt.
       Aber etwas tut, was der Mehrheit nicht gefällt. Eine solche Ausgrenzung
       führt zu Willkür. Immer und unausweichlich.
       
       Das ist Teil des Problems. Wenn man Richtersprüche nur deshalb gut findet,
       weil sie sich gegen blöde Leute richten, dann geht es nicht mehr um eine
       Definition von Recht, sondern um Gefühl. Mit Grundrechten hat das nichts zu
       tun.
       
       5 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rauchen
 (DIR) Gesundheit
 (DIR) Verbot
 (DIR) Zigaretten
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Zigaretten
 (DIR) Zigaretten
 (DIR) E-Zigaretten
 (DIR) Kneipe
 (DIR) Rauchen
 (DIR) Afrika
 (DIR) Rauchen
 (DIR) Mieten
 (DIR) Mieten
 (DIR) Toleranz
 (DIR) Gericht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Verordnung zu Zigaretten tritt in Kraft: Schockbilder-Verstecken nun verboten
       
       Viele Läden verdecken Raucherlungen-Fotos auf Zigarettenpäckchen. Ab
       Samstag gilt eine Verordnung, die das verhindern soll.
       
 (DIR) Bundesrat zu Verkauf von Zigaretten: Schockbilder-Verstecken ist illegal
       
       Viele Läden verdecken Raucherlungen-Fotos auf Zigarettenpäckchen. Der
       Bundesrat will das ändern. Doch die Tabaklobby gibt nicht auf.
       
 (DIR) Der sonntaz-Streit: Retten E-Zigaretten die Rauchkultur?
       
       Die Raucherzahlen gehen zurück. Nun aber greifen immer mehr Menschen zur
       E-Zigarette. Kommt das Laster im anderen Gewand zurück?
       
 (DIR) Endlich eine eigene Kneipe: Mit Fußfessel hinterm Tresen
       
       Hamburg, Berlin, München – die Menschen zieht es in die Städte, an jeder
       Ecke macht eine Kneipe auf. Wie das geht? Unsere Autorin hat es erlebt.
       
 (DIR) Weltgrößte Tabakmesse: Dichter Qualm in Dortmund
       
       Das strikte NRW-Nichtraucherschutzgesetz wurde von der Lobby ausgehebelt:
       Zur Tabakmesse darf in der Westfalenhalle hemmungslos gequalmt werden.
       
 (DIR) Kolumne Macht: Afrika, so oder so
       
       Der Brand des Flughafens von Nairobi, dem wichtigsten Drehkreuz für Ost-
       und Zentralafrika, verweist nur auf Eines: Korruption.
       
 (DIR) Shisha-Urteil in Münster: Früchte rauchen bleibt erlaubt
       
       Das Nichtraucherschutzgesetz in NRW ist hart. Selbst einem Shisha-Café
       drohte ein Bußgeld. Die Besitzerin klagte - und bekam jetzt Recht.
       
 (DIR) Wohnungsloser Raucher: Ein unerbittlicher Kampf
       
       Die Nichtraucher zogen feixend große Mengen Frischluft in ihre top-gesunden
       Lungen. Die Raucher zündeten sich nervös zitternd erst mal eine an.
       
 (DIR) Urteil im Düsseldorfer Raucherstreit: Stört der Qualm, fliegt der Mieter
       
       Die Nachbarn beschwerten sich über den Nikotingeruch aus Friedhelm Adolfs
       Wohnung. Die Vermieterin darf ihm nun kündigen, hat das Amtgericht
       Düsseldorf entschieden.
       
 (DIR) Pro und Contra Rauchen: Raucher raus oder mehr Toleranz
       
       Verletzen stark rauchende Mieter die schutzwürdigen Interessen ihrer
       Nachbarn? Muss ihnen die Wohnung gekündigt werden?
       
 (DIR) Prozess gegen Wohnungskündigung: Ein Raucher wehrt sich
       
       Weil ein Rentner nach Angaben seiner Vermieterin mit seinem Qualm andere
       Mieter belästigt, soll er seine Wohnung verlieren.