# taz.de -- Debatte Euro Hawk: Willkommen im Rüstungsparadies
       
       > Es braucht ein unabhängiges Institut, das überprüft, ob die Waffen ihren
       > Preis auch wert sind. Bisher fehlt jeder Versuch in der Richtung.
       
 (IMG) Bild: Ist die Drohne das denn wert? Thomas de Maizière hätte eine Kosten-Nutzen-Rechung aufstellen sollen
       
       Die Geschichte des Euro Hawk lässt sich bislang so zusammenfassen:
       Aufklärungsdrohne wird abbestellt, weil nicht zum Luftraum zulassungsfähig,
       668 Millionen Euro sind verbraten, Aufregung groß, Minister lügt, kommt
       aber durch, Spionagetechnik soll in anderes Fluggerät eingebaut werden, 675
       Millionen Euro sind dafür ja noch da.
       
       Selbst mancher Oppositionspolitiker meint, für diese Erkenntnis hätte es
       keines Untersuchungsausschusses bedurft, nicht der vielstündigen
       Befragungen eines Ministers, zweier Staatssekretäre und eines Dutzends
       weiterer Herrschaften, auch nicht die 1.300 Aktenordner. Vielleicht findet
       sich ja noch ein fleißiger Referent, der diese Akten auch tatsächlich
       durchflöht – viele wurde so knapp vor den Ausschusssitzungen geliefert,
       dass sie dortselbst nicht verwertet werden konnten.
       
       Trotzdem warfen die Debatten im Ausschuss neues Licht auf die Mechanismen
       der Rüstungsbeschaffung und lassen einen ersten Schluss zu: Deutschland
       braucht eine öffentliche, wissenschaftliche Kontrolle der Kosten und Nutzen
       von Rüstungsgerät. Es wird sonst immer neue Kostenexplosionen von
       Rüstungsprojekten geben. Das Modell: Die Kosten-Nutzen-Bewertung von
       Medikamenten, die es in Deutschland seit der Einrichtung des Kölner IQWiG,
       des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesens,
       seit 2004 gibt.
       
       ## Vom Gesundheitssystem lernen
       
       Wie das IQWiG bewertet, ob eine neue Pille ausreichend neuen Nutzen bringt,
       um sie von den Krankenkassen bezahlen zu lassen, müsste ein unabhängiges
       Kontrollinstitut auf die Beschaffung der Bundeswehrausstattung schauen: Ist
       ein Gerät seinen Preis eigentlich wert? Wer sich jetzt fragt … – nein, in
       der Tat hat diese im Alltag bei jedem Unterhosenkauf zentrale Überlegung
       bislang bei der Wehrbeschaffung kaum eine Rolle gespielt, und übrigens im
       Gesundheitssystem bis 2004 auch nicht.
       
       Es klang schon originell, was Verteidigungsminister Thomas de Maizière
       (CDU) und sein Staatssekretär Stéphane Beemelmans vortrugen, was nun alles
       anders werden müsste, damit sich solche Fehler wie beim Euro Hawk nicht
       wiederholten. Man werde ab jetzt „nur noch das planen, von dem wir
       annehmen, dass wir es uns auch leisten können. Das ist eine Revolution im
       Ansatz von militärischer Fähigkeitsplanung“, sagte de Maizière.
       
       Dazu sollen die Planer nun sogar miteinander reden, erläuterte Beemelmans.
       Statt wie bislang ein schriftliches „Pingpongspiel“ zwischen Ministerium,
       Bundeswehr und Industrie zu betreiben, werde man sich künftig in
       gemeinsamer Runde „tief in die Augen schauen, wenn die Nachträge kommen“,
       also wieder einmal Preissteigerungen im Raum stehen.
       
       ## Unqualifiziertes Personal
       
       Bislang wurde also eher vor sich hin geplant, wie selbst der oberste
       deutsche Soldat, Generalinspekteur Volker Wieker 2010 laut und sarkastisch
       beklagte. Im Zuge der Bundeswehrreform wurde 2012 deshalb schon das alte
       Beschaffungsamt in ein neues umgetauft, das BAAINBw. Von diesem ist bislang
       bekannt, dass es den Euro Hawk nicht in den Griff bekommen hat, und auch
       der Minister erwähnte Qualitätsprobleme beim Personal.
       
       Im Ausschuss zitierte der Linksfraktions-Politiker Paul Schäfer den
       BAAINBw-Chef Harald Stein mit einem Hinweis auf Loyalitätsprobleme: Die
       guten Ingenieure würden schlicht von der Industrie abgeworben, und „die
       sind dann gerade über die Straße zu EADS gegangen und hatten dort einen
       guten Job“.
       
       Um den fast 10.000 Mitarbeitern des BAAINBw die Arbeit zu erleichtern,
       erstellt oft das Institut IABG Studien zu Bundeswehrgerätschaften. Der
       entscheidende Teil, die Kaufempfehlung, wird dann schon mal von den
       Kollegen von EADS/Cassidian geschrieben, wie im Ausschuss herauskam.
       
       Was solche Schwierigkeiten für die Zukunft bedeuten, hat im Ausschuss der
       Minister selbst auf den Punkt gebracht. Einerseits bekennt er sich zum
       Drohnenbau. Drohnen dürfen keine Sache der Amerikaner und Israelis bleiben,
       sagt er, und weil man keine europäischen Konkurrenzkämpfe mehr wie bei
       Eurofighter (Airbus ehemals EADS) gegen Rafale (Dassault) haben will, soll
       es eine gesamteuropäische Drohne geben. Die in Frage kommenden Konzerne
       Airbus und Dassault sind schon dafür, die französische Regierung denkt noch
       nach.
       
       ## Die Monopole auflösen
       
       Doch gleichzeitig sieht de Maizière selbst, dass das Kontrollproblem nur
       größer wird, wenn Staat wie Industrie in immer größeren Einheiten arbeiten,
       also nicht bloß die Bundesrepublik, sondern halb Europa eine Drohne eines
       internationalen Konzernverbunds kauft: „Die Monopolstruktur oder
       Oligopolstruktur im Rüstungsbereich besteht; die ist nicht gut“, sagte der
       Minister; er habe „eine gewisse Skepsis“ gegenüber der Idee einer
       europäischen Rüstungsindustrie.
       
       Ja, was denn nun? Noch größere Monopole oder lieber nicht? Und wie sollen
       deutsche Planer, selbst wenn sie demnächst sogar miteinander reden und
       Kosten bedenken sollen, es mit gesamteuropäischer Industriepolitik
       aufnehmen? Ob es tatsächlich eine europäische Drohne mit oder ohne
       Euro-Hawk-Sensorik geben wird, wird sich vielleicht dieses Jahr noch
       entscheiden. Unabhängig davon aber müsste sich der deutsche Staat eine neue
       Kontrollinstanz für die Rüstungsbeschaffung leisten.
       
       Es müsste ein Institut sein, das wie die Pharmakritiker im IQWiG in einem
       Bereich, in dem Marktmechanismen nicht funktionieren, weil Anbieter- und
       erst recht die Nachfrageseite monopolisiert sind, alle verfügbaren
       Erkenntnisse zu einem Schwimm- oder Fluggerät zusammenträgt. Anders als der
       Bundesrechnungshof – der übrigens bei der Kostenkontrolle bereits gute
       Arbeit leistet – müsste es den Wettbewerb etwa um das beste Flugzeug
       weltweit verfolgen. Es müsste öffentlich erklären können, warum das eine
       fliegt und das andere nicht. Es müsste für ausgeschiedene
       Rüstungsingenieure eine Ehre sein, dort zu arbeiten.
       
       Das Institut würde von EADS und BAAINBw gleichermaßen gehasst, aber dem
       Staat könnte es Millionen, wahrscheinlich Milliarden Euro ersparen.
       
       6 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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