# taz.de -- Eurokolumne: Kröten für Berlin
       
       > Im Wahlkampf haben die deutschen Euroretter Däumchen gedreht. Die nächste
       > Regierung muss mit den Lebenslügen von Schwarz-Gelb aufräumen.
       
 (IMG) Bild: 2007 versuchten sie in Grönland, das Klima zu retten. Jetzt müssen Angela Merkel und Sigmar Gabriel den Euro retten.
       
       Was ist eigentlich aus der Eurokrise geworden? In den letzten Wochen vor
       der Wahl schien sie wie auf Befehl der Kanzlerin Pause zu machen. Auch
       jetzt, vor dem Start der Koalitionsverhandlungen in Berlin, drehen die
       Euroretter Däumchen. Alle warten auf Angela Merkel und ihr neues Kabinett,
       könnte man meinen. Schließlich ist Deutschland ja der unerschütterliche
       Stabilitätsanker in Euroland.
       
       Doch der Eindruck täuscht. Zum einen war die Krise nie weg – sie hat sich
       nur von den Finanzmärkten auf die Realwirtschaft und die Arbeitsmärkte
       verlagert. Zum Zweiten ist Deutschland selbst zum Problem geworden. Das
       liegt nicht nur an der Weigerung der Kanzlerin, sich auf Eurobonds oder
       eine gemeinsame Arbeitslosenkasse einzulassen, was viele EU-Politiker
       verärgert. Es liegt auch an den Strukturproblemen der deutschen Wirtschaft,
       die im Wahlkampf gerne verschwiegen wurden.
       
       Die einstige Konjunkturlokomotive Europas ist nämlich zum Bummelzug
       geworden. Gleichzeitig hat Deutschland neue Rekorde bei Exporten und
       Leistungsbilanzüberschuss aufgestellt. Konkreter: Wir haben
       Arbeitslosigkeit exportiert, ohne für neues Wachstum in Europa zu sorgen.
       
       Die Ungleichgewichte in der Eurozone, die Merkel und Noch-Finanzminister
       Schäuble eigentlich abbauen wollten, sind also gewachsen. Während die
       Krisenländerdefizite langsam schrumpfen, schießen die Überschüsse in
       Deutschland in die Höhe. Sie werden zwar vor allem mit Ländern außerhalb
       Europas erwirtschaftet. Doch ins Gleichgewicht kommt die Eurozone so nicht.
       
       ## Memo für Merkel
       
       Nicht nur das: Der Brüsseler Thinktank Bruegel hat eine lange
       Hausaufgabenliste für Berlin erstellt. Das „Memo für Merkel“ enthält einige
       alte Bekannte: höhere öffentliche Investitionen, erleichterte Zuwanderung,
       eine echte Bankenunion und viel mehr Geld gegen die Jugendarbeitslosigkeit
       – inklusive Liberalisierung der Arbeitsmärkte. Klingt konsensfähig, vor
       allem wenn es zu einer Koalition mit der SPD kommen sollte. Die Genossen
       fordern schon lange mehr Geld etwa für Bildung und den Abbau der
       Jugendarbeitslosigkeit.
       
       Allerdings sollte die neue Regierung laut Bruegel auch ein paar Kröten
       schlucken. Die „echte“ Bankenunion – also eine zentrale Überwachung mit
       gemeinsamer Abwicklung von Pleiteinstituten – stößt auf Widerstand in
       Berlin, selbst wenn EZB-Mann Jörg Asmussen (SPD) sie unterstützt. Auch eine
       höhere Inflationsrate, die Deutschland zur Linderung der Krise hinnehmen
       soll, dürfte kaum auf Gegenliebe stoßen.
       
       Das ist die Krux mit Deutschland: Wir möchten ganz Europa nach unserem
       Vorbild umkrempeln, aber bei uns darf sich nichts ändern, kosten darf es
       natürlich auch nichts. Dass das deutsche Exportwunder mit Schuld an den
       Ungleichgewichten und damit an der Krise ist, wird ebenso wenig vermittelt
       wie der Umstand, dass deutsche Niedriglöhne ein Problem für Europa sein
       könnten. Die alte Bundesregierung hat all das bewusst verschwiegen.
       
       Wird die neue Koalition die Tabus der abgewählten schwarz-gelben Regierung
       brechen? Bisher spricht nichts dafür. Schon im Wahlkampf spielte
       Europapolitik nur eine Nebenrolle. Nun möchte Merkel ihren Wahlsieg nutzen,
       um genauso weiterzuwurschteln wie zuvor.
       
       Mit keinem Satz hat sie ihren Wählern vermittelt, dass für einen stabilen
       Euro auch Deutschland Opfer hinnehmen muss. Auch SPD und Grüne wagen sich
       nicht an dieses heikle Thema heran. Niemand stellt das deutsche Modell in
       Frage, alle fordern nur Reformen in den Krisenländern. Doch wenn sich in
       Berlin nichts bewegt, bedeutet das nicht unbedingt mehr Stabilität für
       Brüssel. Im Gegenteil: Es könnte die Eurokrise noch verlängern.
       
       4 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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