# taz.de -- Streitgespräch um Grünen-Zukunft: „Wahrgenommen als Spaßbremsen“
       
       > Bei den Grünen tobt ein Richtungsstreit zwischen Realos und Linken. Ein
       > Streitgespräch zwischen Vertretern beider Flügel: den Landeschefs in
       > Bayern und Berlin.
       
 (IMG) Bild: Was müssen die Grünen machen, um die Bürger für sich zu gewinnen?
       
       taz: Herr Janecek, sind Sie ein Konservativer? 
       
       Dieter Janecek: Ja, auf eine gewisse Art bin ich konservativ. Ich bin in
       ländlichen Räumen Niedersachsens und Niederbayerns aufgewachsen, komme aus
       einem eher konservativem katholischen Elternhaus, die Mutter vom Bauernhof,
       der Vater aus dem Arbeitermilieu, beide Bildungsaufsteiger. Ich finde,
       Politik muss Werten folgen. Die Bewahrung der Schöpfung ist wichtig, die
       Frage der Solidarität untereinander, das liberale Lebensgefühl.
       
       Sind Sie ein Linker, Herr Wesener? 
       
       Daniel Wesener: Ich würde mich als emanzipatorischen Linken bezeichnen. Ich
       hatte lange eine Distanz zu Parteien, weil ich dachte und immer noch denke,
       dass man aus der Zivilgesellschaft heraus viel bewirken kann. Ich bin dann
       aber 2001 in die Grünen eingetreten, weil sie genau diese Schnittstelle
       markieren.
       
       Was ist im Moment der zentrale Denkfehler der Realos, Herr Wesener? 
       
       Wesener: Einige Realos leiten aus unserem Wahlergebnis die Erkenntnis ab,
       man müsste die Grünen wieder auf ihren Markenkern schrumpfen. Zurück in die
       Nische, Öko only. Ich halte das für einen schweren inhaltlichen und
       strategischen Fehler. Als Ökologe muss man Linker sein. Ökologie ohne
       Gerechtigkeit, das funktioniert nicht. 
       
       Janecek: Ich teile deine Analyse nicht. Gerechtigkeit definiert sich nicht
       dadurch, dass man an fünf verschiedenen Steuerstellschrauben dreht. Und
       Ökologie muss nicht links sein, sondern progressiv. Das heißt, sie muss
       möglichst viele Bündnispartner finden, all die Progressiven in der
       Landwirtschaft, Industrie, den Gewerkschaften und am Ende eben auch in der
       Union. Das haben wir vernachlässigt. Stattdessen haben wir auf ein
       Umverteilungsprogramm gesetzt, das von einer allgemeinen Krise ausging und
       Gerechtigkeit zur absoluten Priorität erklärte. 
       
       Was ist falsch daran, für Gerechtigkeit zu sorgen? 
       
       Janecek: Die Menschen wollten sich von uns keine Verteilungsdiskussion
       aufdrängen lassen. Schon gar nicht im Süden Deutschlands, wo nahezu
       Vollbeschäftigung herrscht. Gerade der Mittelstand hat dazu beigetragen,
       Arbeitsplätze zu erhalten. Ich will Firmen als Partner haben, die mit uns
       die ökologische Transformation machen. Aber ich musste die ganze Zeit mit
       Unternehmen darüber reden, warum wir sie so stark besteuern.
       
       Wesener: Natürlich sind wir in einer Krise. Auch wenn die in Deutschland
       gefühlt noch nicht so angekommen ist. Es gibt eine Euro-, eine Finanz-,
       eine Klimakrise. Es gibt ein Gerechtigkeitsgefälle, international und auch
       in Deutschland. Außerdem ist es ein Widerspruch zu sagen: Unser Finanz- und
       Steuerkonzept war falsch, die Priorität muss die Energiewende sein.
       
       Weil? 
       
       Wesener: Weil man für mehr Klimaschutz auch eine andere Finanzpolitik
       braucht. Eine Energiewende funktioniert nicht ohne öffentliche
       Investitionen. Das ist der Grundfehler derjenigen, die jetzt die Revision
       des Steuerkonzepts fordern. Sie bleiben die Antwort auf die Frage schuldig:
       Wie wollt ihr die Energiewende bezahlen?
       
       Winfried Kretschmann kann also nicht rechnen? 
       
       Wesener: Ich habe interessiert zur Kenntnis genommen, dass
       Baden-Württembergs Ministerpräsident jetzt gesagt hat: Die Länder brauchen
       pro Jahr 20 Milliarden Euro mehr vom Bund. Nun, selbst unser angeblich zu
       ambitioniertes Steuerkonzept sieht nur 12 Milliarden Euro vor.
       
       Janecek: Die Steuermehreinnahmen sprudeln. Außerdem haben wir uns nicht
       getraut, darüber zu sprechen, welche ökologisch schädlichen Subventionen
       wir kürzen könnten. Das wären schon mal 48 Milliarden Euro. Wir müssen doch
       akzeptieren, dass viele Menschen ihre eigene Situation nicht so sehen, wie
       wir sie ihnen ausgemalt haben.
       
       Was ist mit der Gerechtigkeitsfrage? 
       
       Janecek: Die Grünen muss eine zentrale Gerechtigkeitsfrage beschäftigen:
       Wie schaffen wir es, Wohlstand und einen drastisch reduzierten
       Ressourcenverbrauch in Einklang zu bringen? So hart das klingt: Am Ende ist
       so etwas wichtiger als die Frage, ob wir eine Kindergrundsicherung von 300
       Euro anstreben sollen, wenn bereits knapp 200 Milliarden in die
       Familienförderung gehen. Die Prioritäten für eine gute Zukunft Deutschlands
       sind die Energiewende, die ökologische Transformation, gute Löhne, Bildung.
       Punkt.
       
       Wesener: Deine Analyse springt zu kurz. Manche Realos denken, Grüne müssten
       einfach dreimal häufiger „Ökologie“ sagen, um wieder erkennbar zu werden
       als Partei der Nachhaltigkeit. Stimmt, Ökologie muss stärker in den
       Vordergrund.
       
       Aber? 
       
       Wesener: Aber Ökologie ist nicht mehr per se ein Gewinnerthema für die
       Grünen. Schwarz-Gelb hat eine sehr erfolgreiche Angstkampagne gemacht …
       
       Janecek: … der wir viel zu wenig entgegengesetzt haben. 
       
       Wesener: Richtig. Aber wenn wir im Wahlkampf in Berlin über die
       Energiewende sprechen wollten, fragten uns die Menschen nach Strompreis und
       Heizkosten. Viele Leute, die im Grunde die Energiewende wollen, sind in
       ihrem Alltag mit einem konkreten Problem konfrontiert – das Geld fehlt.
       Wenn wir das ausblenden, dann scheitern wir.
       
       Haben Sie die Wirtschaft abgeschreckt, Herr Wesener? 
       
       Wesener: Quatsch. Ich kann dieses Argument nicht mehr hören. Was haben wir
       denn in den letzten Jahren getan? Wir haben den Green New Deal gemacht, der
       Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammendenkt.
       
       Janecek: Den haben wir dann im Wahlkampf vergraben. Der war ja nicht mehr
       da.
       
       Wesener: Wir haben diverse Landesminister, die jeden Tag mit der Wirtschaft
       über den Erfolg der Energiewende sprechen. Wir haben viele Bündnispartner.
       Aber wir haben auch Gegner. Ich halte es für reichlich naiv zu glauben,
       dass man mit den strukturkonservativen Kräften in der Wirtschaft eine
       Energiewende machen kann. Mit Vattenfall und Eon wäre der Atomausstieg
       nicht gelungen.
       
       Janecek: Daniel, das bestreitet doch keiner.
       
       Wesener: Doch. Wenn ich von manchen höre, wir müssten Ökologie plus ein
       bisschen Mittelstands- und Industriepolitik machen, ist das verrückt.
       
       Janecek: Wir haben in der Strompreisdebatte immer nur reagiert, wir waren
       immer in der Verteidigung. Stattdessen hätten wir offensiv sagen müssen:
       Die Energiewende ist das Projekt unserer Generation. Sie bedeutet Zukunft
       und Klimaschutz, sie macht das Land zum Vorbild, sie berührt die zentrale
       Gerechtigkeitsfrage. Das hätte das Wahlkampfthema Nummer eins sein müssen.
       
       Mit Kuschelkurs Richtung Energiekonzerne? 
       
       Janecek: Nein, da hat Daniel recht. Wir können die Energiewende nicht mit
       Eon zusammen organisieren. Im Gegenteil: Am Ende der Energiewende ist Eon
       weg.
       
       Also muss Konfrontation auch weiter sein? 
       
       Janecek: Ja. Deshalb ist die Energiewende ein gigantisches
       Umverteilungsprogramm, weg von den Konzernen, hin zum Mittelstand. Aber
       auch Linke müssen doch einsehen, dass sich ein gesellschaftliches Projekt
       nicht mit der Ansage durchsetzen lässt: Wir schrumpfen euren Wohlstand.
       
       Wesener: Die Kritik am grünen Wahlkampf teile ich, aber die Schuld muss man
       bei sich selbst suchen.
       
       Janecek: Immer.
       
       Wesener: Klimaschutz war der erste von drei grünen Schwerpunkten im
       Wahlkampf. Er wurde nur völlig überlagert, weil wir uns vor, auf und nach
       dem Programmparteitag im April eine Steuerdebatte leisteten. Nicht das
       Konzept war schädlich, sondern der interne Streit. Du, Dieter, warst
       übrigens einer von denen, die damals die Debatte hochgefahren haben. Ich
       weiß bis heute nicht, warum.
       
       Für die Parteilinken sind also die Steuerkritiker wie Janecek und
       Kretschmann schuld an dem 8,4-Prozent-Desaster? 
       
       Wesener: Nein, schuld sind wir alle. Ich möchte nur die Legendenbildung
       verhindern, dass wir den Wahlkampf als Steuererhöhungswahlkampf geplant
       hätten.
       
       Ein Teil der Leute hat schlicht nachgerechnet und gesagt: Wir wollen nicht
       zahlen für die bessere Gesellschaft der Grünen. Wollen Sie warten, bis die
       Leute moralischer werden? 
       
       Wesener: Es gab zwei Fehler. Da wurde das Bild konstruiert von einem
       gierigen Staat, der eh in Geld schwimmt, und den wollen die Grünen noch
       mehr füttern. Was wir der Gesellschaft zurückgeben wollten, also Bildung,
       Infrastruktur, Energiewende, blieb völlig unterbelichtet. Das zweite
       Problem war der Habitus. Wir sind aufgetreten wie Finanzbeamte mit
       Rechenschieber. 
       
       Herr Janecek, Sie haben das alles mit durchgewinkt. Warum, wenn es so
       falsch war? 
       
       Janecek: Bitte, ich sage ja nicht, es seien nur die Linken verantwortlich
       für das Finanzkonzept. Den Wahlkampf hat eine Partei geplant, die aus der
       Balance geraten war. Der linke Flügel hatte eine zu große Dominanz.
       
       Oh. Müssen wir Mitleid haben? 
       
       Janecek: Danke, ich verzichte. Wir haben 2009 auf der BDK in Rostock auch
       auf meinen Antrag hin die Grünen „jenseits der Lager“ positioniert, als
       Partei der linken Mitte und eigenständig. Als Konsequenz wäre eine einfache
       Ansage richtig gewesen: Die SPD ist unser erster Partner. Aber wenn das
       nicht klappt, schauen wir, was mit der Union geht. 
       
       Noch mal: Warum haben Sie das nicht einfach durchgekämpft? 
       
       Janecek: Diese Positionen zu vertreten, war kaum mehr möglich. Das wurde in
       der Partei vehement unterbunden. Nach dem Motto: Der will ja nur
       Schwarz-Grün, der ist ja konservativ, der will dann noch das Soziale
       killen. Geschlossenheit ging über alles. Alle sagten: Wie kannst du es
       wagen, so einen Antrag zu stellen? Eine solche Haltung will ich bei den
       Grünen nie wieder haben.
       
       Wesener: Du unterschlägst den Vorlauf. Das Finanzkonzept ist weder vom
       linken Flügel erdacht worden noch entstand es in den letzten sechs Monaten.
       Der Impuls kam aus den Ländern, die einen Ausweg aus ihrer Finanzmalaise
       suchten – deshalb habe ich auf Winfried Kretschmann verwiesen. Wenn wir die
       Schuldenbremse einhalten und Infrastruktur vor dem Wegbrechen bewahren
       wollen, brauchen wir neue Mittel. Jetzt von der Dominanz der Linken zu
       reden, ist auch Legendenbildung. 
       
       Wenn man Ihnen zuhört, fühlt man sich in einer Zeitmaschine. Ihre Rhetorik
       gleicht frappant jener nach den verlorenen rot-grünen Wahlkämpfen 2005 und
       2009. Am Ende stand auch diesmal keine Regierungsoption. 
       
       Janecek: Schwarz-Grün wäre spannend gewesen. Denn wenn sich die drei
       Parteien auf ambitionierte Ziele beim Klimaschutz und der Energiewende
       einigen, dann gäbe es dazu keine Opposition mehr in Deutschland. Die
       Wirtschaft säße mit im Boot. Schade, dass die Union dazu dieses Mal nicht
       bereit war.
       
       Eine schwarz-grüne Koalition im Bund könnte Ihre Partei zerstören, weil die
       letzten Wähler abwandern. 
       
       Janecek: Wofür sind wir gegründet worden? Doch nicht dafür, dass wir
       überlegen, ob wir beim nächsten Mal 6, 8 oder 12 Prozent kriegen. Ich will
       verdammt noch mal eruieren können, ob man mit den Schwarzen was Gutes
       hinkriegt. Wenn nicht, dann halt nicht. Im Umkehrschluss gilt das auch für
       die Linken.
       
       Wesener: Ich verstehe diesen ganzen Eigenständigkeitsdiskurs nicht. Als ich
       2001 eingetreten bin, stand für mich völlig außer Frage, dass die Grünen
       eigenständig sind. Für mich ist entscheidend, dass die Grünen von ihrem
       eigenen Standpunkt aus Nähe und Distanz definieren. Ich habe manchmal den
       Eindruck, dass bei einigen Realos Eigenständigkeit bedeutet, die Grünen
       anschlussfähiger für die CDU zu machen. Das finde ich falsch. Das ist nicht
       eigenständig, sondern unterwürfig. 
       
       Meine Herren, den Klimawandel interessiert doch nicht, wie die Grünen Nähe
       und Distanz definieren. Warum koalieren Sie nicht längst mit der CDU, Herr
       Wesener? 
       
       Wesener: Wir sind von 3,7 Millionen Menschen gewählt worden, und wir stehen
       in der Pflicht, das umzusetzen, wofür wir angetreten sind. Wenn wir zu dem
       Schluss kommen, dass sich zentrale grüne Projekte mit der Union nicht
       realisieren lassen, dann ist eine Absage kein Verrat, sondern ein Verdienst
       an der Demokratie. Selbstverständlich, würde die CDU ihr Parteiprogramm
       über Bord werfen, dann denken wir gerne noch mal nach. 
       
       Das ist borniert. So kann man nicht Politik machen. 
       
       Wesener: Was ist borniert? 
       
       Der CDU Rückständigkeit vorzuwerfen, sich aus der Verantwortung zu
       schleichen, während der Klimawandel voranschreitet – dessen Bekämpfung die
       wichtigste Aufgabe Ihrer Partei ist. 
       
       Wesener: Wenn ich mir aber das Ergebnis der Sondierungen anschaue, dann
       wollte sich die CDU dem Konflikt zwischen fossilen Kraftwerken und
       Erneuerbaren nicht stellen. So geht Klimaschutz nicht. Und ich finde das
       auch nicht überraschend. Die Union kann nicht gegen ihre eigenen
       Unterstützer regieren. Nehmen sie das Beispiel Hamburg. Da haben die
       Schwarzen suggeriert, es gäbe so etwas wie ein gemeinsames Projekt. Aber
       das gab es nicht, weil es weder mit dem eigenen Programm etwas zu tun hatte
       noch mit den eigenen Mitgliedern noch mit den Wählermilieus – siehe
       Schul-Volksentscheid.
       
       Sie haben damals wie heute Ihre Wähler mit Ihrem Gerechtigkeitsanspruch
       überfordert. Die Hamburger wollten Ihre Modernisierung der Schulpolitik
       nicht mittragen. 
       
       Wesener: Vor allem die CDU-Wähler.
       
       Ja, klar. 
       
       Wesener: Es geht doch um die Frage: Ist Schwarz-Grün ein
       erfolgversprechendes Projekt für die Menschen, die damit auch Erwartungen
       verbinden? Eine Koalition einzugehen aus falsch verstandener Staatsräson
       oder weil man sich als Scharnierpartei begreift, das halte ich nicht für
       politisch verantwortlich. 
       
       Herr Janecek, Herr Wesener, Sie beide vermitteln den Eindruck, Besserwisser
       zu sein. 
       
       Janecek: Inwiefern? 
       
       Der Realo sagt: Das Wahlprogramm war falsch, wir haben es immer gewusst,
       Trittin ist schuld. 
       
       Janecek: Ach was. 
       
       Und der Linke sagt: Das Wahlprogramm war richtig, auch wenn uns keiner
       gewählt hat, schuld ist Kretschmann. Wie wollen Sie das Signal aussenden:
       Wir wollen nicht nur recht behalten, sondern auch recht bekommen? 
       
       Janecek: Ich glaube, viele Menschen haben uns dieses Mal noch gewählt. Aber
       sie denken sich: Wenn sich die Grünen jetzt nicht verändern, ist nächstes
       Mal Schluss. So ist die Lage. Unser Projekt von Green New Deal und einer
       ökologischen Wohlstandsgesellschaft bringt Ökologie und Soziales zusammen.
       Wir müssen uns über uns selbst klar werden.
       
       Wesener: Mich trifft Ihr Besserwisservorwurf. Das ist in der Tat unser
       Problem: Im Wahlkampf wurden wir als ewige Besserwisser, als moralinsaure
       Spaßbremsen wahrgenommen. Und da geht es nicht nur um Kommunikation.
       
       Worum geht es? 
       
       Wesener: Über Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit haben wir gesprochen. Aber
       stehen die Grünen eigentlich für eine progressive emanzipatorische Politik?
       Für einen individuellen Freiheitsgewinn, der mit Verantwortung einhergeht?
       Wir haben im Wahlkampf den Eindruck vermittelt, als Verbotspartei nicht für
       Aufbruch, sondern für Restriktion zu stehen. Es ist eine zentrale Aufgabe,
       diesen Eindruck zu korrigieren.
       
       Künftig mit mehr Realo oder weiter so? 
       
       Wesener: Die große Disparität in der Partei besteht nicht zwischen Flügeln.
       Es gibt ein Nord-Süd-Gefälle, da bilden wir als Partei inzwischen ab, was
       in Deutschland auch sozioökonomisch als Gefälle besteht. Wir haben einen
       Landesverband Baden-Württemberg, der gefühlt Volkspartei ist. Und wir haben
       Landesverbände, die um die Fünfprozenthürde kämpfen. 
       
       Also doch mehr Kretschmann? 
       
       Wesener: Nein, das ist zu einfach. Ein Ministerpräsident muss seinem
       Bundesland verpflichtet sein. Als Grüner hat Kretschmann aber auch den
       Auftrag zu schauen, was für Menschen im Ruhrgebiet, in Sachsen oder in
       Berlin gut ist. Baden-Württemberg ist nicht die Republik.
       
       Janecek: Was Verbote angeht: Ich bin weiter dafür, das Grüne Gebote und
       Verbote formulieren, wenn das sinnvoll ist. Auch die Union formuliert
       Verbote, zum Beispiel für die Lebensrealität von Lesben und Schwulen.
       
       Wesener: Solange es nicht das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen in
       Tübingen ist.
       
       Janecek: Von mir aus. Ich will in Zukunft diskutieren, was wir wollen.
       Nicht, was Merkel falsch macht oder die SPD richtig. Wir brauchen eine
       positive Vision. Die Leute wählen ja nicht CDU, weil sie alle in die Kirche
       gehen, sondern weil Merkel das Ganze ganz gut managt und für
       wirtschaftliche Stabilität steht. Die Grünen werden nicht reüssieren, wenn
       sie sich zwischen SPD und Linkspartei streiten, wer am meisten umverteilt.
       
       Wesener: Für mich ist die Ironie der Geschichte, dass die die immer sagten,
       die Grünen sollen Volkspartei werden, jetzt die Schrumpfung auf das
       Ökothema befürworten. Und ich wage die These, dass es zwischen den beiden
       Volksparteien CDU und SPD, die sich immer näher kommen, auch nicht viel
       kuscheliger ist.
       
       Und was ist nun mit den Okayverdienenden vom Prenzlauer Berg? Reinholen
       oder weiter abstoßen? 
       
       Janecek: Klar, ich will die haben. 
       
       Wesener: Ich will Politik für alle machen.
       
       18 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
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