# taz.de -- Rückbau der Kernkraftwerke: Milliardenlasten des Atomzeitalters
       
       > Nach der Energiewende müssen noch die Atomkraftwerke entsorgt werden.
       > Zahlen sollen die Energiekonzerne. Aber was passiert, wenn einer pleite
       > geht?
       
 (IMG) Bild: Das Ding muss weg: Atomkraftwerk Biblis
       
       BERLIN taz | Es ist ein kleines Sätzchen in einem der zahlreichen Papiere,
       mit denen Union und SPD gerade um ihre künftige Koalition ringen: „Zur
       Sicherstellung der Finanzierung der nuklearen Entsorgung könnte ein
       öffentlich-rechtlicher Fonds in Betracht kommen“, heißt es in einem Entwurf
       der Arbeitsgruppe Umwelt und Landwirtschaft. Die SPD hat ihn eingebracht,
       in eckige Klammern gesetzt – also ist alles noch lange nicht Konsens.
       
       Es geht um 32,6 Milliarden Euro. So viel wird es im günstigsten Fall
       kosten, die im Jahr 2022 komplett stillgelegten Atomkraftwerke in
       Deutschland zu demontieren und den ganzen Strahlenschrott irgendwie sicher
       für die nächsten 100.000 Jahr im Erdreich zu verstauen.
       
       Formal müssen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW bezahlen: Sie haben dafür
       insgesamt 32,6 Milliarden Euro Rücklagen gebildet und tragen die Kosten,
       wenn es teurer wird. Aber was passiert, wenn ein Konzern pleitegeht? Der
       Rückbau dauert bis weit ins 21. Jahrhundert, und die jüngsten Zahlen der
       Konzerne sind alles andere als beruhigend. Manager wie RWE-Chef Peter
       Terium räumen ein, zu spät auf die Energiewende reagiert zu haben. Was,
       wenn einer der Konzerne vom Markt verschwindet?
       
       Ein öffentlich-rechtlicher Fonds wäre eine Möglichkeit, das Geld zu
       sichern. Der Opposition ist das Sätzchen der AG Umwelt deshalb zu wenig:
       „Union und SPD müssen als Erstes Transparenz herstellen. Wie viel Geld wird
       für AKW-Rückbau und Atommüllentsorgung benötigt, und wie sind die
       bisherigen Rückstellungen investiert worden? Dann muss das Geld gesichert
       werden, im Idealfall durch einen öffentlich-rechtlichen Fonds“, sagte Anton
       Hofreiter, Grünen-Fraktionschef im Bundestag, der taz. Zudem glaubt er,
       dass die 32,6 Milliarden Euro nicht ausreichen werden. „Da muss erheblich
       nachgeschossen werden“, fordert Hofreiter.
       
       ## Wie gemein sind die Atomkonzerne?
       
       Dem schließt sich Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, an: „Vergangene
       Bundesregierungen, auch die rot-grüne, haben höchst fahrlässig finanzielle
       Risiken zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Kauf genommen.
       Damit muss Schluss sein. Die neue Bundesregierung muss umgehend handeln und
       die Rückstellungen der AKW-Betreiber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds
       überführen“, sagte Gysi der taz.
       
       Das Problem ist nicht neu. Auf dem 13. Deutschen Atomrechtssymposium 2007
       schrieben Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums: „Wenn ein
       Energieversorgungskonzern insolvent werden sollte, dann sind auch die bei
       den Betreibergesellschaften gebildeten Rückstellungen für den Bund nicht
       mehr werthaltig.“ Dann müsste der Bund zahlen.
       
       Noch ein zweites Szenario ist dort beschrieben: Eine Konzernmutter
       schneidert sich ihre Atom-Tochter so zurecht, dass sie für deren Altlasten
       nicht mehr haften muss. So gemein ist niemand? Vattenfall hat 2012 genau
       das getan. Der schwedische Mutterkonzern haftet jetzt nicht mehr, falls
       Vattenfall Deutschland den Rückbau seiner AKWs nicht mehr finanzieren kann.
       „Mit der Veränderung der Vattenfall-Unternehmensstruktur hat sich der
       schwedische Staatskonzern faktisch aus seiner Rolle als Mithaftender für
       die Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel zurückgezogen“, schreibt der
       Wirtschaftsausschuss des Landtages Schleswig-Holstein.
       
       ## Wohin flossen die Rückstellungen?
       
       „Vattenfall ist der Konzern, der am anfälligsten ist“, sagt Bettina Meyer,
       die für das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft und Greenpeace
       umfangreiche Studien zum Thema erstellt hat. Auch sie fordert zunächst mehr
       Transparenz über die Rückstellungen. Die waren bisher vor allem ein
       Steuersparmodell für die Konzerne: Gewinne, die als Rückstellungen
       bilanziert werden, müssen nicht versteuert werden. Allerdings ist völlig
       unklar, wie sie angelegt sind. Zwar testieren
       Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, dass die Bilanzen korrekt sind – nicht
       aber, ob Rückstellungen in sichere Staatsanleihen oder den Bau neuer
       Kohlekraftwerke geflossen sind.
       
       Meyer schlägt daher vor, an die Reserve zum Atomrückbau zunächst die
       gleichen, sicheren Investmentregeln wie für Pensionsfonds oder
       Lebensversicherungen anzulegen. Rückstellungen für langfristige
       Verpflichtungen wie die Atommüllendlagerung sollten dagegen in einen Fonds
       verlagert werden. Eine offizielle Stellungnahme wollten Eon oder RWE nicht
       abgeben.
       
       14 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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