# taz.de -- Kolume Die eine Frage: JFK und Al-Wazir
       
       > Bei der CDU dominiert Pragmatismus, die SPD verkauft die Grünen für dumm.
       > Ob Lee Harvey Oswald die Antwort auf die Frage des Jahrhunderts kennt?
       
 (IMG) Bild: Kriegt es Tarek al-Wazir nach 12 Jahren als Fraktionsführer endlich hin?
       
       Die Frauen radelten mit leeren Kindersitzen die Wiener Straße runter, die
       Gesichter starr und grau wie der Berliner Himmel. Das Leben hatte ihnen
       nicht gutgetan. Ich ging schnell in das Café rein – und da war er. Saß
       allein an einem Vierertisch, im Rücken eine gekachelte Wand, wie in einem
       Schlachtraum. An der Kachelwand hing ein Abreißkalender: 22. November 2013.
       
       Wahnsinn. Ich ging direkt hin.
       
       „Lee“, sagte ich, „Sie sind es doch – oder?“
       
       Er schaute mich mürrisch an.
       
       „Ich bin Peter Z. Unfried.“
       
       „Oswald“, antwortete er automatisch.
       
       Sehen Sie. Und jetzt hätte ich fragen können. Es wäre das Naheliegendste
       von der Welt gewesen, ihn zu fragen.
       
       Ja, waren Sie es denn nun in Dallas oder waren Sie es nicht, Lee Harvey
       Oswald? Das hätte ich fragen können.
       
       Und wenn Sie es waren, aber nicht allein, wie oft haben Sie auf Kennedy
       geschossen, wer war der zweite Schütze, und von wem ging das alles aus?
       
       Ich fragte aber nicht. Die Antwort, die ich suchte, konnte die
       Vergangenheit nicht geben. Ich nickte ihm kurz zu, nahm zwei Zeitungen und
       ging damit an einen anderen Tisch.
       
       Irre, dachte ich: Jetzt ist schon die FAZ für grüne Regierungsbeteiligung
       in Hessen. Bouffier, der klassische Fall eines von 1968-ff-Gekränkten und
       die Erben der Scherben – ein Beweis der Aufklärung oder dafür, wie weit es
       mit den Grünen gekommen ist? Weder noch. Eine simple Kosten-Nutzen-Frage.
       Das ist ja das Angenehme an der CDU.
       
       Man kann sich auf sie verlassen. Wenn es um das Regieren geht (und worum
       sollte es jetzt sonst gehen?), kommt Pragmatismus vor Ideologie. Das ist
       eine Praxis, die ideologisch Andersdenkende strengstens verurteilen –
       weshalb sie es zu nichts bringen.
       
       Damit ist selbstverständlich nicht die Kohlepartei SPD gemeint, die das
       Maximale – einen Platz als Juniorpartner einer Bundesregierung – mit einer
       schlüssigen Gesamtwahlstrategie sicherte. Dass die Rückkehr in die
       Regierung nun mit skrupulösem Getöse verpackt wird, ändert nichts daran.
       Das Authentische wird als Mantel gebraucht für die Inszenierung. Es geht in
       dieser Phase darum, den anderen einzureden, die SPD sei keine abgeschlagene
       25-Prozent-Partei, sondern eine virile, diskursive, breite
       40-Prozent-Partei. Das Vorbild ist der Breitmaulfrosch: Das riesige Maul
       soll verdecken, dass dahinter nicht mehr viel kommt.
       
       ## Die Grünen für dumm verkaufen
       
       Die SPD ist in der Realität längst nicht nur wegen eines angeblich falschen
       Kanzlerkandidaten oder wegen der Arbeitsmarktreformen auf ein Wählerviertel
       geschrumpft. Es war ja andersherum: Kandidat Steinbrück wurde als der
       Richtige nominiert, weil die SPD eine 25-Prozent-Partei ist und der
       angebliche Kanzlerkandidat eh nur zum Verbrennen gebraucht wurde.
       
       Worum es wirklich ging, war: die Grünen für dumm zu verkaufen.
       
       Das kann man der SPD aber nicht vorwerfen. Es braucht vor allem einen, der
       sich für dumm verkaufen lässt. Da sind die Grünen immer gern dabei. Wenn es
       Tarek Al-Wazir nach zwölf Jahren als Fraktionsführer doch nicht hinkriegen
       sollte und auch in Hessen die SPD mitregiert, dann würde ihn eine normale
       Partei zum Teufel jagen.
       
       Manche Bundesgrüne würden ihn schnellstmöglich nach Berlin befördern.
       Solange sie in einem Teil ihrer gequälten Seelen das Gefühl haben, es habe
       irgendwie ja seine moralische Richtigkeit, sich für dumm verkaufen zu
       lassen und die eigene Unfähigkeit zur Verantwortungsübernahme dann auch
       noch anmaßend mit zivilisatorischen Defiziten der Restwelt begründen, ist
       ihnen nicht zu helfen.
       
       Das stimmt doch alles gar nicht mehr?
       
       Das muss Al-Wazir erstmal beweisen.
       
       Für jeden, der die historische Dimension der Energiewende begriffen hat,
       ist es der schlechteste Witz des Jahrhunderts: Die Grünen besinnen sich auf
       ihren Markenkern – und lassen die SPD mithelfen, die Energiewende zu
       verhindern. Da stellt sich doch die Frage, was gleich wieder das grüne
       Projekt und die angeblich zentrale Aufgabe der Gegenwart ist: die quotierte
       Raumfahrt und interplanetarisch freilaufende Hühner oder was?
       
       Ich legte die Zeitung weg, stand auf und ging rüber zum Tisch von Oswald.
       „Lee“, sagte ich, „ich muss Ihnen diese Frage stellen, denn es ist die
       ungeklärte Frage des Jahrhunderts.“ Oswald sah mich misstrauisch an.
       „Kennen Sie eine Partei, die die sozialökologische Transformation ernst
       nimmt?“
       
       23 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Unfried
       
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