# taz.de -- Medizinerin kritisiert Pillen-Hersteller: „80 Prozent Pseudoinnovationen“
       
       > Milliarden aus dem Gesundheitssystem werden von Arznei-Herstellern
       > entführt, sagt Christiane Fischer. Korruption sollte für Ärzte strafbar
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Qual oder Wahl? Pillen-Hersteller bei der Arbeit
       
       taz: Frau Fischer, der Pharmakonzern GlaxoSmithKline soll in China
       Beschäftigte im Gesundheitsbereich bestochen haben. In den USA wurde der
       Konzern wegen ähnlicher Vorwürfe letztes Jahr zu einer Rekordstrafe
       verurteilt. Sind Bestechung und Vorteilsnahme auch in Deutschland üblich? 
       
       Christiane Fischer: Ja, natürlich ist das auch in Deutschland üblich, wenn
       auch nicht so direkt wie zum Beispiel in China, wo Ärzte direkt ihre Hand
       aufhalten. Hier läuft das zum Beispiel über Anwendungsbeobachtungen und
       Vorträge, für die man bezahlt wird oder über Kongressteilnahmen.
       
       Welche Konsequenzen hat das für Patientinnen und Patienten? 
       
       Die Konsequenz ist, dass das Verordnungsverhalten verändert wird. Von den
       1.600 chemischen Substanzen, die weltweit als Medikamente auf dem Markt
       sind, handelt es sich nur bei zehn Prozent um inhaltliche Innovationen. Das
       heißt sie haben wirklich einen therapeutischen Fortschritt erbracht. 80
       Prozent gelten hingegen als Pseudoinnovationen. Diese Medikamente kosten
       deutlich mehr als vergleichbare Präparate, sind aber nicht besser. Deshalb
       sind Pseudoinnovationen richtig gefährlich fürs Budget. In Deutschland
       belastet das natürlich vor allem die Krankenkassen.
       
       Sind wir der Pharmalobby schutzlos ausgeliefert? 
       
       Man kann sich natürlich unabhängig informieren. Man kann zum Beispiel
       seinen Arzt oder seine Ärztin fragen: Lassen Sie Pharmavertreter rein? Sind
       Sie Mitglied bei Mezis? Man kann Gute Pille, schlechte Pille lesen, eine
       Laienzeitschrift, die Arzneimittel bewertet. Auch für Ärztinnen und Ärzte
       gibt es gute Fachzeitschriften. Also es geht, wenn es auch mühsam ist, der
       finanziellen Übermacht der Pharmaindustrie etwas entgegenzusetzen.
       
       Welche Verantwortung sehen Sie bei der Ärzteschaft? 
       
       Die Ärzteschaft hat natürlich eine Verantwortung sich unabhängig zu
       informieren. Aber ich denke wir brauchen vor allem Strafgesetze gegen
       Korruption.
       
       Wo steht Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern? 
       
       Im Mittelfeld. Es gibt Länder, die sind strenger. In Indien ist zum
       Beispiel auch Laienwerbung für Medikamente verboten. Und es gibt Länder,
       die noch laxer sind.
       
       Was können wir von der Großen Koalition erwarten? 
       
       Laut Koalitionsvertrag soll Korruption in Zukunft für alle Ärzte im
       Strafgesetzbuch strafbar werden. Das ist eine Mezis-Forderung, das wäre
       gut. Dafür zu sorgen, dass das auch wirklich so ins Strafgesetzbuch kommt,
       wird die Aufgabe der nächsten Monate sein, weil die Pharmaindustrie alles
       daran setzen wird, dieses Gesetz zu torpedieren.
       
       Welche Geschütze werden da aufgefahren? 
       
       Die Pharmaindustrie setzt auf freiwillige Selbstkontrolle. Unternehmen wie
       GSK betonen, dass sie freiwillig für mehr Transparenz sorgen wollen. Aber
       das reicht nicht aus. Ich sehe darin eine Gesetzesverhinderungsstrategie,
       sonst nichts.
       
       Bei der Zulassung von Medikamenten wollen die Koalitionäre hingegen weniger
       Kontrolle. Worum geht es da genau? 
       
       Die letzte Regierung hat eingeführt, dass der therapeutische Mehrwert einer
       Substanz bei neu zugelassenen Medikamente ab dem zweiten Jahr regelmäßig
       nachgewiesen werden muss, um den höheren Preis zu rechtfertigen. Nur eine
       Substanz hatte bei diesen Kontrollen einen eindeutigen therapeutischen
       Mehrwert und wird somit von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Aus
       Sicht der Pharmaindustrie ist das natürlich ein Milliardenverlust.
       
       Warum will die Große Koalition das ändern? 
       
       Ich sehe das als ganz klaren Erfolg der Pharmalobby.
       
       17 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Weis
       
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