# taz.de -- Mehr Transparenz im Pharmageschäft: Ein Kodex für die Pillendreher
       
       > Pharmakonzerne wollen finanzielle Zuwendungen an Ärzte durchschaubar zu
       > machen. Mit Selbstregulierung sollen Gesetze verhindert werden.
       
 (IMG) Bild: Die Kooperation zwischen Arzneimittelfirmen und Medizinierin ist vielfältig – vor allem aber für beide Seiten lukrativ.
       
       Eine strategische Säule des Pharmamarketings sind gute Beziehungen von
       Arzneimittel-herstellern zu Medizinern. Die Palette üblicher Kooperationen
       und Einflussnahmen ist vielfältig: Unternehmen sponsern ärztliche
       Fortbildungsveranstaltungen, sie zahlen gut dotierte Vortragshonorare an
       forschende Mediziner, spenden Geld an Fachgesellschaften und Kliniken. Und
       Tausende sogenannter Pharmareferenten bemühen sich täglich, persönliche
       Kontakte zu Arztpraxen zu pflegen.
       
       Für beide Seiten besonders attraktiv sind „Anwendungsbeobachtungen“ (AWB)
       bereits zugelassener Medikamente, die niedergelassene Ärzte gegen Entgelt
       für Firmen leisten. Ergebnisse werden meist nicht veröffentlicht. Kritiker
       wie Transparency International geißeln AWB als „Scheinstudien, die nur
       Marketingzwecken dienen“; tatsächlich gehe es vor allem darum, bestimmte
       Präparate in der Praxis und am Markt zu platzieren.
       
       Die größten Unternehmen der Branche, organisiert im Verein Freiwillige
       Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA), haben sich im Jahr
       2004 erstmals Wettbewerbsregeln gegeben, um Kooperationen mit Ärzten und
       Apothekern „auf eine transparente und ethisch einwandfreie Basis“ zu
       stellen.
       
       Doch die Selbstverpflichtung endet bislang da, wo es richtig
       aufschlussreich würde: Weder die Namen von Kooperationspartnern noch
       Geldflüsse und Vereinbarungen müssen offengelegt werden. Das könnte sich in
       einigen Jahren ändern. „Möglichst bis 2015“ will der Europäische
       Pharmaverband EFPIA einen neuen, freiwilligen „Transparenzkodex“ einführen,
       hat deren Vizepräsident Stefan Oschmann jetzt angekündigt.
       
       ## „Offenheit ist das beste Rezept“
       
       „Die Pharmaindustrie hat nichts zu verbergen. Und Offenheit ist das beste
       Rezept gegen Misstrauen“, kommunizierte Oschmann, der auch Mitglied der
       Geschäftsleitung des Konzerns Merck ist, per Pressemitteilung. Mitglieder
       der EFPIA sind 35 global agierende Arzneihersteller, neben Merck etwa auch
       Bayer, GlaxoSmithKline, Pfizer, Roche, Sanofi, Takeda.
       
       Wie weit die künftige Transparenz gehen darf, sagte Oschmann nicht im
       Detail, versicherte aber, dass der Kodex „jetzt schnellstens ausgearbeitet“
       werde. Die projektierte Selbstverpflichtung soll sich, jedenfalls im
       Prinzip, am US-amerikanischen „Physician Payment Sunshine Act“ orientieren.
       
       Dessen Publikationsregeln, 2010 im Rahmen der US-Gesundheitsreform per
       Gesetz beschlossen, sind ziemlich umfangreich: Der „Sunshine Act“
       verpflichtet Pharma- und Medizintechnikfirmen, sämtliche Zahlungen und
       geldwerte Zuwendungen, die sie Ärzten und Lehrkrankenhäusern gewährt haben,
       ab einem Wert von 10 US-Dollar zu protokollieren und einmal im Jahr an die
       US-Behörde Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) zu melden.
       
       Die Listen mit Beträgen, honorierten Leistungen und den Namen der
       Begünstigten müssen anschließend im Internet veröffentlicht werden,
       anklickbar von jedermann. Industriegeförderte Forschungsprojekte sollen
       ebenfalls öffentlich benannt werden. Die Aufzeichnungspflicht, verbindlich
       auch für ausländische Unternehmen, die ihre Pillen und Medizinprodukte in
       den USA vermarkten, wird voraussichtlich 2013 beginnen.
       
       ## Meldepflichtige Vorteile
       
       Allerdings ist die Behörde CMS in Verzug geraten und noch immer dabei, das
       2010 von US-Präsident Barack Obama unterzeichnete Gesetz in detaillierte
       Ausführungsregeln zu übertragen. Der bisher vorliegende Entwurf nennt als
       Beispiele für meldepflichtige Vorteile unter anderem: Beratungshonorare,
       Vergütungen für Gastbeiträge, Bewirtungen, Geschenke, Spenden,
       Konferenzsponsoring, Zuwendungen für Forschung und Lehre, Lizenzen.
       
       Auch Geschäftsbeteiligungen und Dividenden, die Ärzten gewährt wurden, sind
       zu veröffentlichen. Firmen, die der Publikationspflicht nicht nachkommen,
       müssen mit Geldbußen rechnen, maximal 1 Million US-Dollar pro Jahr. Die
       Ankündigung des europäischen Pharmaverbandes, demnächst freiwillig für mehr
       Transparenz zu sorgen, soll sicherlich auch deutsche Politiker beruhigen –
       und dafür sorgen, dass sie nicht auf die Idee kommen, gesetzliche
       Regelungen nach amerikanischem Vorbild zu entwickeln.
       
       Andererseits verlautbart der Verein FSA, dem derzeit 67 Pharmaunternehmen
       angehören, man würde eine gesetzliche Regelung in Deutschland durchaus
       „begrüßen“, da sie Transparenz für alle Firmen der Branche vorschreibe –
       also unabhängig davon, in welchem Verband sie organisiert sind.
       
       Widerstände erwartet Oschmann offenbar weniger aus der Industrie als von
       Vertretern der Ärzteschaft, aus deren Reihen mögliche Interessenkonflikte
       künftig publik und für jeden Interessierten nachvollziehbar würden. Da
       Gespräche über Einkommen oder Gehalt hierzulande tabubehaftet seien, „mag
       mancher Arzt oder Wissenschaftler von so viel Offenheit zunächst irritiert
       sein“.
       
       ## Kein Mediziner muss sich fürchten
       
       Laut Oschmann muss sich aber kein Mediziner fürchten: „Eine Lösung gegen
       den Willen der Ärzteschaft ist nicht gewollt.“ Deshalb werde der
       europäische Pharmaverband in der Transparenzfrage „sehr eng mit der
       Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
       zusammenarbeiten“.
       
       Initiativen, die auf Publikation geldwerter Zuwendungen seitens der
       Pharmaindustrie zielen, müssten zumindest bei der Arzneimittelkommission
       der Bundesärztekammer (AkdÄ) grundsätzlich gut ankommen. Denn Transparenz
       liegt der AkdÄ um ihren Vorsitzenden Wolf-Dieter Ludwig glaubwürdig am
       Herzen – und das seit Jahren.
       
       2008 kommentierte die Kommission kritisch einen Kodex des FSA, dessen
       Vorgaben den Anspruch erheben, Kooperationen mit Patientenorganisationen
       durchschaubarer zu gestalten. In ihrer Stellungnahme plädierte die AkdÄ
       nicht nur dafür, Zuwendungen an Selbsthilfeverbände aufzulisten und ins
       Internet zu stellen, was die Unternehmen inzwischen auch mehr oder weniger
       detailliert tun.
       
       Die AkdÄ forderte außerdem, sämtliche Kooperationsverträge zwischen
       Pharmaunternehmen und Patientenorganisationen in einem Onlineregister
       öffentlich zu dokumentieren. Dieser Anregung für aussagekräftige
       Transparenz sind die FSA-Firmen bis heute nicht gefolgt. Vielleicht würden
       sie ihre Position ja überdenken, wenn die AkdÄ ihre Registerforderung auch
       auf Kooperationsverträge zwischen Ärzten und Pharmaunternehmen ausweiten
       würde.
       
       5 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Peter Görlitzer
       
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