# taz.de -- Klaus Wowereit über Tempelhof: „Es geht nicht um den Bürgermeister“
       
       > Beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld stehe die Zukunft der Stadt auf
       > dem Spiel, sagt Klaus Wowereit (SPD). Mit ihm habe das aber nichts zu
       > tun.
       
 (IMG) Bild: Kommt schon mal vor im Berlin: Schlange vor dem Bürgeramt, hier in Neukölln
       
       taz: Herr Wowereit, ist der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld eine
       Abstimmung über Ihre Zukunft? 
       
       Klaus Wowereit: Der Volksentscheid hat einen Titel und einen Inhalt, es
       geht um die Zukunft des Tempelhofer Felds. Insbesondere um Wohnungsbau am
       Rande des Feldes und den Erhalt der Freifläche in der Mitte. Im
       Abstimmungstext steht nichts von Klaus Wowereit.
       
       Nun macht die SPD diesen Entscheid zu einer Frage über die
       Zukunftsfähigkeit Berlins, und das ist normalerweise eng mit dem
       Regierenden Bürgermeister verknüpft … 
       
       Es geht tatsächlich um eine wesentliche Richtungsentscheidung für die
       Zukunft der Stadt. Das sehe ich auch so.
       
       … und der erste Repräsentant dieser Stadt ist doch der Regierende. Wenn
       also am 25. Mai eine Mehrheit die Sache anders sieht als der Senat, dann
       dürften auch Sie als Regierender keine Zukunft mehr haben. 
       
       Das mag ja Ihre These sein. Die ist aber falsch. Ganz abgesehen davon, dass
       ich eine Mehrheit aufseiten des Senats sehe. Ich sag’s noch mal: Es geht um
       eine inhaltliche Frage, es geht um Wohnungen für die vielen Menschen, die
       in den nächsten Jahren zu uns kommen – nicht um den Regierenden
       Bürgermeister. Wenn jede sachliche Frage, die in der Stadt zu entscheiden
       ist, derart platt personalisiert wird, ist das falsch. Viele Leute sehen
       das überhaupt nicht so persönlich wie Sie.
       
       Die Grünen zeigen auf ihren Plakaten erst gar nicht das Tempelhofer Feld,
       sondern einen erschöpften Wowereit im Parlament, dem man nicht die Zukunft
       noch eines Flughafens anvertrauen sollte. 
       
       Dieses Plakat ist vom Niveau her unterste Kiste. Davon abgesehen: Die
       Grünen machen wie immer etwas, was keiner verstehen kann. Sie sind für eine
       Bebauung am Feldrand und sagen doch, sie unterstützen das Volksbegehren
       gegen jegliche Bebauung. Das ist ziemlich schizophren.
       
       War es denn notwendig, sich wegen 4.700 Wohnungen auf so einen großen
       Streit einzulassen und das zur Zukunftsfrage zu erklären? Das sind doch
       letztlich kaum 3 Prozent von jenen 140.000 neuen Wohnungen, die der Senat
       bis 2030 für nötig hält. Riskiert man damit nicht zu viel? 
       
       Was riskiert man da? Wir waren es doch nicht, die den Volksentscheid auf
       den Weg gebracht haben. Es ist das legitime Recht eines jeden, ein
       Volksbegehren gegen die Politik des Senats auf den Weg zu bringen. Das sagt
       aber noch nichts darüber, wie gut die Argumente dafür sind. Wer gegen alles
       ist, verhindert Entwicklung.
       
       Legitimes Recht? SPD-Landeschef Stöß oder Stadtentwicklungssenator Müller
       werfen den Initiatoren egoistisches Denken vor, sie kritisieren die
       Haltung, Wohnungsbau theoretisch gutzuheißen, aber abzulehnen, wenn er in
       der Nachbarschaft konkret wird. 
       
       Ich bin auch der Meinung, dass ein solches Denken falsch ist.
       Selbstverständlich muss bei vielen Themen das individuelle Empfinden mit
       dem Allgemeininteresse abgewogen werden. Wenn es in Berlin allgemeiner
       Maßstab wird, nein zu sagen, wenn man selbst betroffen ist, dann wird
       Stillstand kommen, und zwar nicht nur auf dem Tempelhofer Feld.
       
       Die Hälfte der Wohnungen sollen für Mieten zwischen 6 und 8 Euro und damit
       auch für Leute mit weniger Geld zu haben sein. Senator Müller bekommt aber
       zu hören, dass man ihm das nicht glaubt. Hat die SPD da ein
       Vertrauensproblem? 
       
       Nein, hat sie nicht. Wenn die Initiatoren des Volksbegehrens die Haltung
       von Senat und Abgeordnetenhaus falsch darstellen, ist das eine bewusste
       Fehlinformation. Die mag ja im politischen Kampf üblich sein, aber das
       macht sie nicht richtig.
       
       Darf man nun mit Fehlinformationen arbeiten oder nicht? 
       
       Ich kann es nicht verhindern – wir sind doch in einer politischen
       Auseinandersetzung. Wir können nur aufklären.
       
       Haben die Leute vielleicht kein Vertrauen, weil Zusagen bei einem anderen
       Großprojekt, dem BER – die Eröffnung 2012 – nicht eingehalten wurden? 
       
       Beim Flughafen kommt ja auch keiner auf die Idee, ihn nicht fertig zu
       bauen.
       
       Einige doch. 
       
       Wer?
       
       Die Piraten zum Beispiel. 
       
       Sind die in der Regierung? Es gab schon immer Leute, die den Flughafen
       nicht haben wollten. Auch das ist in der politischen Auseinandersetzung
       legitim, aber eben grundfalsch.
       
       Sie haben selbst mit Rot-Rot Volksentscheide und damit große
       Mitspracherechte eingeführt. Ärgert Sie das heute? 
       
       Nein, auch wenn ich ein klarer Anhänger der repräsentativen Demokratie bin.
       Dass sich Volksentscheide gegen die Regierungspolitik richten, liegt in der
       Natur der Sache. Umgekehrt geht es ja leider nicht, dass eine Regierung mal
       das Volk befragen kann, weil ihr Entscheidungen des Abgeordnetenhauses
       nicht gefallen oder vor großen Projekten die Haltung der Berliner geklärt
       werden soll.
       
       Das könnten Sie ja einführen. 
       
       Gerne – aber dafür habe ich keine Mehrheit im Parlament.
       
       Warum nicht? 
       
       Weil das Parlament zu Recht befürchtet, dass das fürs Parlament ein
       Machtverlust sein könnte. Aber bleiben Sie mal ganz gelassen: Unterm Strich
       ist es ja so, dass in Berlin bislang nur ein Volksbegehren erfolgreich war:
       das zu den Wasserverträgen.
       
       Na ja, beim Energie-Volksentscheid war es schon sehr knapp. 
       
       Knapp vorbei ist auch daneben. Selbstverständlich muss eine Regierung aber
       auch akzeptieren, wenn es mal anders ausgeht. Doch das heißt nicht, dass
       man sich zu diesen Themen nicht streiten kann und sollte.
       
       Sie haben kritisiert, dass der Senat nicht mehr Einfluss vor der Abstimmung
       nehmen darf. 
       
       Ich habe gesagt, dass ich bei früheren Volksentscheiden nicht immer gleiche
       Möglichkeiten gesehen habe, für die eigene Position zu werben. Wenn ich an
       die Kampagne der Antragsteller beim Volkentscheid zu „Pro Reli“ denke – die
       hatten Millionen zur Verfügung, da herrschte absolut keine
       Waffengleichheit.
       
       Aber so wie die Initiatoren eines Volksbegehrens Geld bei ihren
       Unterstützern lockermachen können, gibt es auf Senatsseite die
       dahinterstehenden Parteien mit ihren Kassen. 
       
       Eben nicht. Wenn es pro Legislaturperiode fünf, sechs oder noch mehr
       Volksbegehren gibt, dann sind die Kassen der Parteien schnell leer. Die
       haben ja schon Schwierigkeiten, ihre normalen Wahlkämpfe zu finanzieren.
       
       Sie haben Ihre politische Karriere in Tempelhof begonnen, Sie waren
       Bezirksverordneter, mit 31 schon Stadtrat für Volksbildung. Was ist das
       Tempelhofer Feld für Sie? 
       
       Das Feld ist gerade vor dem Hintergrund des 65. Jahrestags der
       Berlin-Blockade auch ein historischer Ort. Aber es ist genauso Ort des
       Wandels, und dazu haben der Senat und ich selbst beigetragen – mit unserem
       klaren Bekenntnis gegen innerstädtischen Flugverkehr. Da gab es ja auch
       einen Volksentscheid und vorher heftigen Gegenwind gegen die Schließung des
       Flughafens.
       
       Von Architekten ist zu hören, dass das, was für das Feld geplant ist, eher
       mittelmäßig sei und nicht dem besonderen Stellenwert des Orts entspreche. 
       
       Was wollen Sie da anders machen? Wohnungsbau, erst recht wenn er bezahlbar
       sein soll, ist selten ein architektonisches Wunderwerk. Ich habe hier in
       meinem Büro internationale Architekten sitzen gehabt, die haben alle
       dieselbe Randbebauung aufgezeichnet, die wir jetzt planen. Da gibt es
       stadtplanerisch in der Tat nicht allzu viele Möglichkeiten. Vorausgesetzt,
       der überwiegende Teil des Tempelhofer Feldes bleibt eine Freifläche, was
       von uns ja garantiert wird.
       
       Auf den SPD-Plakaten ist viel Weite und Leere zu sehen – aber nichts von
       den geplanten Häusern. Warum scheut sich die SPD, die abzubilden? 
       
       Was gebaut werden soll, ist doch hier genau beschrieben (er holt einen
       Infoflyer aus einer Mappe). 
       
       Aber es ist nicht auf den 15.000 SPD-Plakaten drauf. Da ist nur Leere –
       genau das, was die Bebauungsgegner fordern. 
       
       Da wird gezeigt, dass der überwiegende Teil der Freifläche bleiben wird.
       Aber die Frage, wie Plakate gemacht werden, ist Sache der Werbeagentur und
       der Partei. Das ist nicht meine Frage. Aber schauen Sie sich das
       Infomaterial doch genau an: Da steht der Wohnungsbau sehr im Zentrum.
       
       Wir haben Sie bislang nicht auf Skates oder beim Grillen auf dem Feld
       gesichtet – nutzen Sie die Fläche privat? 
       
       Meine Freizeit ist relativ begrenzt, insofern sind es auch meine
       Nutzungsmöglichkeiten.
       
       Aber Sie waren schon da? 
       
       Natürlich, und was ich da erlebt habe, hat mich darin bestätigt, wie gut es
       war, den Flughafen aufzugeben und das Gelände zu öffnen. Darum meine ich
       aber auch, dass die Leute eine moderate Randbebauung akzeptieren werden.
       Denn die Weite bleibt erhalten. 230 Hektar bleiben frei, eine riesige
       Fläche.
       
       Dazu müssen diese Leute in der Wahlkabine erst mal erkennen, wo und wie sie
       für eine Bebauung stimmen können. Was halten Sie denn von dem viel
       kritisierten Abstimmzettel? 
       
       Man kann manches kritisieren, was die Landeswahlleiterin macht. Zum
       Beispiel, dass bei den Unterschriftenlisten nicht strikt auf die Angabe des
       Geburtsdatums geachtet wurde. Aber wie sollte man – von Formulierungen
       abgesehen – einen Wahlzettel völlig anders machen, wenn nun mal zwei
       Gesetzentwürfe getrennt zur Abstimmung stehen? Ich kann das ohnehin nicht
       beeinflussen – eine Landeswahlleiterin hat eine ziemlich eigenständige
       Position.
       
       16 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
 (DIR) Bert Schulz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Klaus Wowereit
 (DIR) Tempelhofer Feld
 (DIR) Volksentscheid
 (DIR) Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Volksentscheid Tempelhofer Feld
 (DIR) Bürgeramt
 (DIR) Tempelhofer Feld
 (DIR) Tempelhofer Feld
 (DIR) Gentrifizierung
 (DIR) Tempelhofer Feld
 (DIR) Pro und Contra
 (DIR) Berlin
 (DIR) Berlin
 (DIR) SPD
 (DIR) Tempelhofer Feld
 (DIR) Tempelhofer Feld
 (DIR) Rechnungshof
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wahlberechtigte in Berlin: Meldet euch, wenn ihr könnt!
       
       In 100 Tagen wird gewählt. Abstimmen wollen auch Neuberliner. Dafür muss
       man sich im Bürgeramt anmelden – aber das muss man erst mal können.
       
 (DIR) Volksentscheid Tempelhofer Feld: Wo der Himmel über Berlin weit ist
       
       Ein großer unbebauter Naturraum mit kilometerweitem Auslauf ist derzeit die
       Attraktion Berlins – und zugleich begehrt als Bauland.
       
 (DIR) Debatte ums Tempelhofer Feld: Mehr als ein Speckgürtel
       
       Terminal, Industriequartiere, Wohnviertel, Kirchen, Friedhöfe – sie alle
       haben die Entwicklung des Feldes über Jahrzehnte beeinflusst. Ein Rundgang.
       
 (DIR) Bedrohte Kleingärten: Gartenzwerge gegen Investmentriesen
       
       Am Sonntag findet in Charlottenburg ein Bürgerentscheid statt. Es geht um
       eine Gartenkolonie – und um undurchsichtige Machenschaften.
       
 (DIR) Soll das Tempelhofer Feld frei bleiben?: Pro: Die Freifläche ist ein Juwel
       
       In sechs Tagen stimmen die Berliner über die Zukunft des Tempelhofer Felds
       ab. Sie haben sich noch nicht entschieden, wie Sie abstimmen? Die taz
       hilft. 
       
 (DIR) Soll das Tempelhofer Feld frei bleiben?: Contra: Es kann flott gebaut werden.
       
       In sechs Tagen stimmen die Berliner über die Zukunft des Tempelhofer Felds
       ab. Sie haben sich noch nicht entschieden, wie Sie abstimmen? Die taz
       hilft.
       
 (DIR) Kommentar Berliner SPD: Keine Alternative zu Wowereit
       
       Der Landesparteitag der Sozialdemokraten in Berlin hat gezeigt, dass die
       SPD in der Hauptstadt nur wenig vorzeigbares Personal aufzubieten hat.
       
 (DIR) Parteitag der Berliner SPD: Parteichef Stöß darf weitermachen
       
       Die eigene Partei im Umfragetief, der Regierende unbeliebt. All das
       thematisierte Jan Stöß nicht. Wiedergewählt wird er dennoch. Aber nicht mit
       einem Traumergebnis.
       
 (DIR) Fraktionschef Saleh zu SPD-Parteitag: „Über 80 Prozent für Jan Stöß“
       
       Fraktionschef Raed Saleh, vor kurzem noch als Gegenkandidat von Stöß
       gehandelt, sagt dem Landeschef „volle Unterstützung“ bei den heutigen
       Neuwahlen zu.
       
 (DIR) Tempelhofer Feld: Entscheid schützt nicht vor Bänken
       
       Die Initiative wirbt mit „100% Tempelhofer Feld“, doch auch Gastronomie,
       Sportanlagen und Bäume werden erlaubt sein. Eine Umfrage sieht die
       Initiative vorn.
       
 (DIR) taz-Diskussion Tempelhofer Feld: Stein oder nicht Stein?
       
       Die Diskussion "Das Tempelhofer Feld - eine Jahrhundertchance" zeigte, wie
       dynamisch der Abstimmungskampf verläuft. Und dass Bauen viel heißen kann.
       
 (DIR) Kritik vom Landesrechnungshof: Wowereit lässt fünf gerade sein
       
       Der Landesrechnungshof moniert die fehlende Kostenaufstellung für die
       geplante Zentral- und Landesbibliothek und fordert, mehr Standorte zu
       prüfen.
       
 (DIR) Tempelhofer Feld: Senat spart sich Werbekampagne
       
       Die rot-schwarze Berliner Landesregierung gibt kaum Geld aus, um für ihre
       eigene Position beim Volksentscheid zu werben.