# taz.de -- „Riesenschlamperei“ im Fall Oury Jalloh: Keine Lust, ins Gesetz zu schauen
       
       > Dass Oury Jalloh in der Todesnacht eingesperrt blieb, hätte ein Richter
       > entscheiden müssen. Die Polizisten behaupten, das hätten sie nicht
       > gewusst.
       
 (IMG) Bild: Das Urteil des Bundesgerichtshofs wird am Donnerstag nächster Woche verkündet
       
       KARLSRUHE taz | Im Prozess um den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh
       übte die Bundesanwaltschaft harte Kritik an der Dessauer Polizei. Die
       Missachtung des Richtervorbehalts sei eine „Riesenschlamperei“ gewesen,
       sagte Bundesanwalt Johann Schmid. Das Urteil des Bundesgerichtshofs wird am
       Donnerstag nächster Woche verkündet.
       
       Im Januar 2005 verbrannte der damals 22-jährige Oury Jalloh in einer
       Arrestzelle der Dessauer Polizei. Obwohl der stark betrunkene Mann an
       Händen und Füßen fixiert war, soll er seine schwer brennbare Matratze mit
       einem Feuerzeug in Brand gesetzt haben.
       
       Im Dezember 2012 verurteilte das Landgericht Magdeburg im zweiten Anlauf
       den Polizisten Andreas S. wegen fahrlässiger Tötung zu 10.800 Euro
       Geldstrafe (120 Tagessätze). S., der zum Zeitpunkt des Todes
       Dienstgruppenleiter war, hätte Jalloh permanent im Auge behalten müssen.
       Schließlich hatte der Polizeiarzt, der die Fixierung empfahl, vor
       Selbstverletzungen gewarnt.
       
       Die Angehörigen von Jalloh legten als Nebenkläger Revision gegen das Urteil
       ein. Sie wollen, dass Polizist S. zusätzlich wegen „Freiheitsberaubung mit
       Todesfolge“ verurteilt wird. Weil S. den Gewahrsam nicht unverzüglich von
       einem Richter genehmigen ließ, sei die Haft rechtswidrig gewesen. „Die
       Identität von Oury Jalloh war schon drei Stunden vor seinem Tod
       festgestellt“, betonte Nebenklage-Anwältin Gabriele Heinecke, „anschließend
       hätte S. ihn freilassen müssen“.
       
       ## „Unvermeidbarer Verbotsirrtum“
       
       Der Angeklagte hatte beim Magdeburger Prozess allerdings erklärt, ihm sei
       der gesetzliche Richtervorbehalt unbekannt gewesen. Das Landgericht hatte
       daraufhin einen „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ angenommen. Darin sah nicht
       nur die Nebenklage, sondern auch Bundesanwalt Schmid einen Rechtsfehler.
       „Ich gehe davon aus, dass die Dessauer Polizisten den Richtervorbehalt
       durchaus kannten, aber aus Bequemlichkeit missachteten“, erklärte nun der
       Bundesanwalt. Jedenfalls sei der Verbotsirrtum von S. nicht unvermeidbar
       gewesen. „Ein kurzer Blick ins Gesetz hätte genügt.“
       
       Anders als die Nebenklage forderte Schmid aber keinen neuen Prozess. „Das
       Urteil beruhte nicht auf diesem Rechtsfehler.“ Hätte S. einen Richter
       eingeschaltet, hätte dieser nicht unbedingt die sofortige Freilassung des
       betrunkenen Jalloh angeordnet. Die Verteidiger von Polizist S. forderten
       Freispruch für ihren heute 54-jährigen Mandanten. Möglicherweise sei Jalloh
       nicht an einem Hitzeschock gestorben, wie das Landgericht annahm, sondern
       an einem plötzlichen Herztod infolge seines Rausches.
       
       Keine Rolle spielten vor dem BGH die Zweifel an der bisher angenommenen
       Todesursache. Die Initiative „Gedenken für Oury Jalloh“ hatte im letzten
       Herbst ein Gutachten vorgelegt. Danach sei es unmöglich, dass Jalloh die
       Matratze selbst in Brand gesteckt hatte. Die Staatsanwaltschaft
       Dessau-Roßlau hat im April ein neues Todesermittlungsverfahren eröffnet, um
       die vielen noch offenen Fragen zu klären.
       
       Rund 40 Unterstützer der Initiative waren zum Prozess nach Karlsruhe
       gekommen. Nach dem Ende der Verhandlung gab es Sprechchöre: „Oury Jalloh –
       das war Mord“. Der Bruder des Verstorbenen konnte nicht nach Deutschland
       kommen, weil ihm die deutsche Botschaft in Guinea zunächst das Visum
       verweigerte.
       
       29 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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