# taz.de -- Kommentar Oury Jalloh: Es darf keine Ermittlungstabus geben
       
       > Die Staatsanwaltschaft prüft den Fall des verbrannten Asylbewerbers Oury
       > Jalloh. Auch die Mord-These muss jetzt endlich offen untersucht werden.
       
 (IMG) Bild: Ungültig: Der Jalloh-Prozess 2007 im sachsen-anhaltinischen Dessau.
       
       Oury Jalloh verbrannte 2005 in einer Arrestzelle der Dessauer Polizei. Es
       war ein Fall voller Seltsamkeiten. Jalloh soll seine Matraze selbst
       angezündet haben, obwohl er gefesselt und betrunken war. Er soll mit einem
       Feuerzeug gezündelt haben, das bei der Festnahme übersehen wurde und auch
       am Tatort erst vier Tage nach dem Brand gefunden wurde. Erst eine zweite
       Obduktion ergab, dass Jalloh eine gebrochene Nase und andere
       Kopfverletzungen aufwies.
       
       Trotz all dieser Merkwürdigkeiten ging die Staatsanwaltschaft bisher immer
       davon aus, dass Jalloh sich selbst angezündet hat, um auf sich aufmerksam
       zu machen. Einem Polizist, der im zweiten Anlauf zu einer Geldstrafe
       verurteilt wurde, machte die Staatsanwaltschaft nur den Vorwurf, dass er zu
       spät auf die Alarmsignale aus der Arrestzelle reagiert hatte.
       
       Nun stellt die Staatsanwaltschaft immerhin in den Raum, dass es auch eine
       andere Todesursache gegeben haben könnte. Sie hat ein neues
       Todesermittlungsverfahren eingeleitet und dabei offene Fragen
       zusammengestelt. Wenn das ernst gemeint ist und nicht nur Kritiker
       beruhigen soll, ist dies zu begrüßen.
       
       Das Ermittlungsdesaster bei der NSU-Mordserie darf sich nicht wiederholen.
       Damals wurde jahrelang angenommen, die Ceska-Morde seien das Werk einer
       türkischen Mafia. Tatsächlich waren Rechtsradikale die Täter. Wer in die
       falsche Richtung ermittelt, kann nicht fündig werden.
       
       Im Fall Oury Jalloh gehen dessen Freunde schon lange davon aus, dass er
       sich nicht selbst angezündet hat, sondern ermordet wurde. Für die Ermittler
       war dies bisher undenkbar, nun scheint sich das Tabu etwas zu lockern.
       
       Doch auch wenn nun hoffentlich alle naheliegenden Fragen gestellt werden,
       dann gelten am Ende doch rechtsstaatliche Grundsätze. Nur weil die
       Selbsttötung Jallohs unwahrscheinlich war, ist ein Mord von Polizisten oder
       Dritten noch nicht bewiesen.
       
       So könnte es zwar sein, dass Polizisten Jalloh misshandelt haben und dann
       durch einen Brand in der Arrestzelle die Spuren verwischen wollten.
       Naheliegend ist das aber keineswegs. Polizisten haben genug Erfahrung,
       Verletzungen auf der Polizeiwache zu erklären, gerade bei einem betrunkenen
       und aggressiven Mann. Es ist abwegig, dass sie deshalb einen Mord begehen,
       der soviele Fragen aufweist und sie erst recht verdächtig macht.
       
       Auch das jüngst von der Staatsanwaltschaft eingeholte Gutachten stützt die
       Mord-These nicht. Denn es wurden gerade keine Spuren von
       Brandbeschleunigern gefunden, die laut Jallohs Freunden notwendig waren, um
       die Arrest-Matraze überhaupt zum Brennen zu bringen.
       
       Es kann sein, dass der Todesfall nie nachvollziehbar aufgeklärt wird, aber
       angesichts der kaum glaubhaften offiziellen Version sollte doch alles getan
       werden, um Alternativ-Hypothesen zu überprüfen. Es darf keine
       Ermittlungstabus geben, nur weil auch Polizisten die Täter sein könnten.
       
       4 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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