# taz.de -- Leihautos im Straßenverkehr: Umstrittener Öko-Effekt von Car2go
       
       > Carsharing in Großstädten, das mit Smartphones arbeitet, verursacht laut
       > einer Studie mehr Autoverkehr. Anbieter und Ökologen weisen diese These
       > zurück.
       
 (IMG) Bild: Ist die Carsharing-Mitgliedschaft erstmal abgeschlossen, bleibt das Fahrrad öfter zugunsten des Autos stehen, heißt es in der Studie.
       
       BERLIN taz | Den ökologischen Nutzen von Carsharing-Angeboten wie Car2go
       stellt eine neue Studie infrage. Demnach rufen die Smarts oder Minis, die
       man in Großstädten für Spontanfahrten nutzen kann, mehr Autoverkehr hervor
       und tragen nicht dazu bei, diesen zu verringern.
       
       Die Studie „Urbane Mobilität im Umbruch“ hat die Beratungsfirma Civity
       erarbeitet, die sich schwerpunktmäßig mit öffentlichen Dienstleistungen
       beschäftigt. Im Beirat von Civity sitzt auch ein Vertreter der Hamburger
       Hochbahn.
       
       Die Analyse untersucht, welche Auswirkungen Angebote der
       Carsharing-Unternehmen Car2go (Daimler) und Drive-Now (BMW) haben. Diese
       stellen Fahrzeuge zur Verfügung, die man in Städten nicht an festen
       Stationen abholen muss, sondern per Smartphone irgendwo in der Stadt
       findet. Deswegen werden sie „Free-Floating-Carsharing“ genannt. Solche
       Fahrzeuge gibt es unter anderem in München, Stuttgart, Hamburg und Berlin.
       
       Civity hat nach eigenen Angaben ein Jahr lang Millionen Datensätze der
       Carsharing-Firmen erfasst. Einzelne Nutzer wurden auch befragt, allerdings
       nicht repräsentativ. Ein Ergebnis: „In Berlin sind 50 Prozent der Fahrten
       kürzer als 5 Kilometer. Free-Floating-Carsharing ist in einem erheblichen
       Umfang motorisierte Bequemlichkeitsmobilität im Nahbereich, die vorher mit
       stadt- und umweltverträglicheren Verkehrsmitteln, wie dem öffentlichen
       Verkehr und dem Fahrrad, durchgeführt wurde.“
       
       ## Ökologen zweifeln an der Aussage der Studie
       
       Zweifel an dieser Aussage hat Friederike Hülsmann vom Öko-Institut: „Die
       These, dass Car2go und ähnliche Carsharing-Modelle zusätzlichen Autoverkehr
       generieren, lässt sich mit den Daten der Civity-Studie nicht belegen. Um
       solche Aussagen zu treffen, müsste man die Verhaltensänderung von
       Carsharing-Nutzern repräsentativ erfassen und analysieren.“
       
       Die Frage ist: Wie verhalten sich individuelle Carsharing-Nutzer über einen
       längeren Zeitraum tatsächlich? Haben sie ihren Privat-Pkw abgeschafft?
       Legen sie jetzt die eine Fahrt mit der U-Bahn und die andere mit dem
       Leih-Mini zurück? Oder steigen sie von Rad und Bahn komplett auf Drive-Now
       um? Wahrscheinlich gibt es verschiedene Varianten und Mischungen.
       
       ## Studie: Carsharing-Wagen sind keine effizienteren Verkehrsmittel
       
       Außerdem, so lautet eine weitere These der Civity-Studie, würden die hippen
       Kleinwagen fast genauso oft ungenutzt am Straßenrand herumstehen wie
       private Pkws. Jene seien also keine effizienteren Verkehrsmittel. Car2go
       bestreitet diese Zahlen und sagt, die Fahrzeuge wären im Durchschnitt
       mindestens 150 Minuten am Tag im Einsatz, viel länger als private Autos.
       
       Die Beratungsfirma leitet aus ihrer Untersuchung die Botschaft ab, dass die
       Städte den öffentlichen Personennahverkehr und die Infrastruktur für
       Radfahrer verbessern müssten. Free-Floating-Carsharing könne die
       Verkehrssituation nicht nennenswert entspannen.
       
       Der ökologische Verkehrsclub (VCD) Deutschland sieht das teilweise anders.
       „Carsharing und öffentlicher Personennahverkehr gehören zusammen“, sagt
       Projektmanager Gregor Kolbe. „Free-Floating sowie weitere
       Carsharing-Modelle unterstützen diejenigen, die sich entschieden haben, auf
       das Privatauto zu verzichten.“ Der Bundesverband Carsharing, der unter
       anderem die Anbieter mit festen Stationen vertritt, erklärt: „Ein
       Carsharing-Fahrzeug ersetzt durchschnittlich vier bis acht private Pkws.“
       Dieser Entlastungseffekt sei beim Free-Floating aber noch nicht erwiesen.
       
       4 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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