# taz.de -- Radfahrer in Berlin: Bei allem, was rechts ist
       
       > Rechtsabbiegende Autos sind eine der größten Gefahrenquellen. Wie können
       > Unfälle vermieden werden? Eine Tour rund um den Alexanderplatz.
       
 (IMG) Bild: Wer ist schneller: Die Radlerin oder das abbiegende Auto? Und: Wer lebt danach noch?
       
       An dieser Kreuzung wurde nicht mit Ampeln gegeizt: Fußgänger, Radler und
       Autofahrer auf dem Weg von Prenzlauer Berg nach Mitte haben an der Ecke
       Prenzlauer Allee/Torstraße ihr jeweils eigenes Lichtzeichen. Allerdings
       sind die Grünphasen nicht identisch – die für die Radler ist teilweise
       deutlich kürzer als jene für die anderen beiden Gruppen. Die Folge: Viele
       Radler orientieren sich an den beiden anderen Grünsignalen und überqueren
       die Kreuzung, wenn die kleine Radlerampel schon Rot zeigt. Häufig untermalt
       von einem Hupkonzert jener Autofahrer, die abbiegen wollen.
       
       Empörung gibt es auch in der Gegenrichtung, an der Kreuzung
       Alexanderstraße/Karl-Marx-Allee. Wer von der rosa Einkaufsbude Alexa
       kommend nach Norden will, hat nur eine Ampel vor sich: Sie gilt für Radler
       und für Autos. Angesichts der Radfahrermassen gelingt es nur wenigen Autos,
       während einer Grünphase rechts abzubiegen. Als Folge bildet sich eine
       zweite Reihe von Rechtsabbiegern, die oft weit auf den Radstreifen
       vorfahren, um nahende Radfahrer überhaupt erkennen zu können – wodurch sie
       ihnen in die Quere kommen. Viele Radler quittieren das mit wilden Gesten
       und Schimpfen.
       
       Radfahrer und motorisierte Rechtsabbieger sind eine gefährliche
       Konstellation. Das falsche Verhalten der Auto- oder Lkw-Fahrer beim
       Abbiegen ist laut polizeilicher Unfallstatistik die mit Abstand häufigste
       Ursache von fremdverschuldeten Radfahrunfällen. Zudem sind die Verletzungen
       der Radler bei diesen Unfällen oft besonders schwer. Im Schnitt sterben
       laut dem Lobbyverband ADFC jedes Jahr elf Radler im Berliner Straßenverkehr
       – häufig, weil sie von rechtsabbiegenden Auto- und Lastwagenfahrern
       übersehen, überrollt oder zu Tode geschleift werden.
       
       ## Gefahrenorte am Alex
       
       Nicht nur der ADFC moniert das. Auch bei der Verkehrslenkung Berlin, die
       unter anderem für Verkehrsfluss und Ampelsteuerung verantwortlich ist, weiß
       man, dass „die Unachtsamkeit der Kfz-Fahrer beim Rechtsabbiegen ein
       generelles Problem“ ist, wie eine Sprecherin mitteilt. Vor diesem
       Hintergrund müssen die beiden oben geschilderten Ecken nahe des
       Alexanderplatzes als Gefahrenorte gelten.
       
       Doch ein Blick in die Statistik der Polizei offenbart Erstaunliches: Zwar
       sind beide Kreuzungen im Ganzen betrachtet als unfallträchtig bekannt; es
       gab dort jährlich zwischen fünf und 16 Unfälle mit Radlerbeteiligung.
       Regelmäßig macht dort die erst dieses Jahr eingerichtete Fahrradstaffel der
       Polizei Kontrollen. Doch schaut man lediglich auf die geschilderte
       Abbiegesituation, wurden in den Jahren 2011 bis 2014 an der Ecke
       Alexanderstraße/Karl-Marx-Allee jährlich zwischen drei und sechs Unfälle
       mit Radlern registriert; an der Ecke Torstraße/Prenzlauer Allee hingegen
       kein einziger.
       
       Die verschiedenen Ampelschaltungen hätten damit nichts zu tun, sagt ein
       Sprecher der Polizei: „Es gibt keine plausiblen Gründe für die stark
       unterschiedlichen Unfallzahlen. Letztendlich ist das individuelle Verhalten
       der Verkehrsteilnehmer die Ursache für die Unfälle.“
       
       Genauso sieht das Bernd Zanke, Sicherheitsexperte des ADFC. Dass so selten
       Radfahrer an der Ecke Torstraße/Prenzlauer Allee umgefahren werden, lässt
       sich seiner Meinung nach damit erklären, dass der Radweg dort auf der
       Straße verläuft. Und dass die Radler meist in großen Gruppen und somit gut
       erkennbar über die Kreuzung rauschen. Er vergleicht das mit der Situation
       in Brandenburg: „Auch dort passieren – anders als man meinen könnte – 93
       Prozent aller Unfälle mit Radfahrern in geschlossenen Ortschaften. Weil sie
       meist allein unterwegs sind und selten in Massen auftauchen.“
       
       Um die Situation an der Ecke Alexanderstraße/Karl-Marx-Allee zu
       entschärfen, verlangt Zanke bauliche Veränderungen an der erst vor einigen
       Jahren neu gestalteten Kreuzung. Statt eines Radwegs rechts neben der
       Autoabbiegespur sollten die Radler, die geradeaus wollen, rechtzeitig vor
       der Kreuzung auf eine Radspur links neben der Autoabbiegespur gelenkt
       werden. Die Unfallhäufigkeit an dieser Kreuzung ist Zankes Meinung nach ein
       weiterer Beleg dafür, dass die vom ADFC mantramäßig wiederholte Forderung
       richtig ist, Radwege vom Gehweg auf die Fahrbahn zu verlagern.
       
       Auch die Verkehrslenkung Berlin nennt dies eine „Lösungsmöglichkeit, die in
       letzter Zeit öfters genutzt wird“. Um sie umzusetzen, müssten die
       vorhandenen Radwege „entsprechend eingebunden werden“. Fragt sich, warum
       das nicht schon beim Umbau dieser Kreuzungen geschehen ist.
       
       26 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Schulz
       
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