# taz.de -- Skandal um Flüchtlingsunterkunft: Neuer Betreiber in Burbach
       
       > Jetzt wird auch gegen den Chef von European Homecare und den Leiter der
       > Einrichtung ermittelt. Ab sofort betreut das DRK die Flüchtlinge.
       
 (IMG) Bild: European Homecare – steht hier zwar noch draußen auf dem Schild der Burbacher Notunterkunft, ist aber ab sofort nicht mehr drin
       
       KÖLN taz | European Homecare (EHC) darf ab sofort die
       Flüchtlingseinrichtung in Burbach nicht mehr betreiben. NRW-Innenminister
       Ralf Jäger (SPD) hat das Essener Unternehmen am Dienstag von allen Aufgaben
       entbunden und das Deutsche Rote Kreuz mit der Betreuung der Notunterkunft
       beauftragt. Damit zieht er die Konsequenzen aus neuen Vorwürfen.
       
       „Angesichts der massiven Verdachtsmomente gegen den Leiter der Einrichtung
       und weitere Mitarbeiter ist das Vertrauen für eine zuverlässige
       Zusammenarbeit mit diesem Dienstleister in Burbach nicht mehr gegeben“,
       sagte Jäger. Hintergrund ist, dass die Staatsanwaltschaft den
       Verdächtigenkreis wegen des Misshandlungsskandals in der ehemaligen
       Siegerlandkaserne ausgeweitet hat.
       
       Die Ermittlungen richten sich nicht mehr nur gegen mehrere
       Sicherheitskräfte, sondern auch gegen den EHC-Chef Sascha Korte und den
       Leiter der Burbacher Einrichtung, einen 34-Jährigen gelernten
       Versicherungskaufmann.
       
       „In ihrem Fall wird dem Vorwurf nachgegangen, sie hätten zumindest von der
       Existenz von ‚Problemzimmern‘ und deren strafrechtlich relevanter Nutzung
       gewusst und diese nicht unterbunden“, erklärte der Siegener
       Oberstaatsanwalt Johannes Daheim. „In Betracht kommen insoweit
       Freiheitsberaubung und Nötigung in mittelbarer Täterschaft oder durch
       Unterlassen sowie Körperverletzungsdelikte.“
       
       Am Montag ließ die Staatsanwaltschaft die Wohnungen der beiden durchsuchen,
       ebenso die Unternehmenszentrale in Essen sowie Verwaltungsräume in der
       Burbacher Notunterkunft. Die Auswertung der dabei sichergestellten
       Unterlagen dauert an. „Es könnte sein, dass noch weitere Beschuldigte
       dazukommen“, sagte Daheim.
       
       ## Höchste Zeit für kritische Fragen
       
       Nach dem Entzug von Burbach betreibt EHC nun mehr noch fünf
       Landesflüchtlingsunterkünfte in Nordrhein-Westfalen. Sie würden sich einer
       umfassenden Überprüfung stellen müssen, kündigte Innenminister Jäger an.
       „Wir brauchen jetzt Gewissheit, dass derartige Vorwürfe nicht auch andere
       Landeseinrichtungen betreffen.“ Er sei sich sicher, dass auch seine
       Kollegen aus anderen Bundesländern „mehr als kritische Fragen an EHC
       stellen werden“. Höchste Zeit wäre es jedenfalls.
       
       „Wir verbinden wirtschaftliches Handeln mit sozialer Kompetenz!“, wirbt EHC
       zwar für sich. Menschenrechtsorganisationen klagen jedoch seit Jahren schon
       über die schlechten Zustände in den Heimen des Familienunternehmens. So
       soll EHC die vertraglich vereinbarten Betreuungsstandards systematisch
       ignorieren, es würden zu wenige Psychologen, Sozialpädagogen und Erzieher
       beschäftigt, hygienische Bedingungen sollen vielfach ebenso unzumutbar sein
       wie die Verpflegung. Auch andernorts soll es zu Misshandlungen gekommen
       sein.
       
       Gegründet wurde EHC 1989 unter dem Namen „Korte & Mrosek“. Auf dem
       Höhepunkt der hysterischen Diskussion über die „Asylantenschwemme“
       entdeckte Firmengründer Rudolf Korte, der zuvor mit Baubeschlägen gehandelt
       und einen Schlüsseldienst betrieben hatte, die Flüchtlingsbetreuung als
       lukratives Geschäftsfeld. Er startete mit vier Wohnheimen in Hessen.
       
       Anfang der 1990er Jahre expandierte Korte gen Ostdeutschland. Ein
       Traummarkt: Die Ex-DDR war noch nicht unter den Wohlfahrtsverbänden
       aufgeteilt und die Verantwortlichen hatten damals schon keinerlei Skrupel,
       profitorientierte Privatfirmen zu beauftragen. Korte baute eine 750 Plätze
       fassende Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz auf, dann Unterkünfte in
       Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt.
       2001 folgte die Umbenennung in European Homecare. Im selben Jahr übernahm
       der „soziale Dienstleister“ in NRW drei Erstaufnahmeeinrichtungen des
       Landes sowie zwei Wohnheime. Auch die Betreuung von Flüchtlingen im
       Transferbereich des Flughafens Düsseldorf und im Abschiebegefängnis Büren
       fiel an EHC.
       
       ## Tagespauschale von 12,90 Euro
       
       Das Erfolgsrezept: mit Dumpingpreisen die Konkurrenz unterbieten. Das
       bewährte sich auch in Österreich, wo die Firma 2003 den Betrieb der vier
       größten Bundesbetreuungseinrichtungen übernahm. Eine Tagespauschale von
       12,90 Euro hatte EHC dem Innenministerium angeboten. Ein Konsortium aus
       Caritas, Diakonie, Volkshilfe und Rotem Kreuz sah sich nicht in der Lage,
       unter 15 Euro zu gehen. Zuvor hatte der Satz bei 17 Euro gelegen. Das
       österreichische Engagement ist allerdings inzwischen beendet. 2010 kündigte
       EHC die Verträge. Da pro Fall abgerechnet würde, rentiere sich angesichts
       sinkender Asylbewerberzahlen das Geschäft nicht mehr, so die Begründung.
       
       In Deutschland betreibt EHC mittlerweile rund 40 Einrichtungen. Über die
       Übergriffe in der ehemaligen Siegerlandkaserne zeigte sich Geschäftsführer
       Sascha Korte „betroffen und schockiert“. Er sei jedoch „sicher, dass die
       polizeiliche Ermittlungsarbeit ergeben wird, dass EHC im Vorfeld keine
       Informationen über die Vorfälle in Burbach hatte“, ließ der Sohn des
       Firmengründers mitteilen.
       
       Nach der Aufdeckung des Misshandlungsskandals hatte sich Jäger zunächst auf
       die Sicherheitsdienste konzentriert und Konsequenzen für den Betreiber
       nicht in Betracht gezogen. Der Rausschmiss von EHC aus der Burbacher
       Flüchtlingsunterkunft kann nun als der Versuch eines Befreiungsschlags des
       Innenministers gesehen werden, der in den vergangenen Tagen zunehmend unter
       Druck geraten ist. Angesichts immer neuer Enthüllungen fordern CDU und FDP
       mittlerweile seinen Rücktritt. Einen „Morast an organisierter
       Verantwortungslosigkeit“ warf ihm FDP-Fraktionsvize Joachim Stamp vor.
       
       Die Piratenfraktion verlangt eine Sondersitzung des Innenausschusses, „in
       der vollumfänglich über die Misshandlungen und Vernachlässigungen in den
       NRW-Einrichtungen aufgeklärt wird“. Es müsse „jetzt Schluss sein mit der
       Salami-Taktik des Innenministers“, forderte ihr flüchtlingspolitischer
       Sprecher Frank Herrmann.
       
       7 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Krüger
 (DIR) Pascal Beucker
       
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