# taz.de -- Thüringer Landtag: Der Wackelkandidat
       
       > Was passiert, wenn Bodo Ramelow im dritten Wahlgang nicht zum
       > Ministerpräsidenten gewählt wird? Das ist juristisch unklar.
       
 (IMG) Bild: Staatskunst und Selfies. Bodo Ramelow (l.), hier mit Matthias Hey
       
       BERLIN/DRESDEN taz | Am Freitagmorgen wird Bodo Ramelow ohne Gegenkandidat
       im Thüringer Landtag antreten, um der erste Linkspartei-Ministerpräsident
       der ersten rot-rot-grünen Landesregierung zu werden. Das Ganze ist ein
       Wagnis, die Mehrheit ist mit einer Stimme denkbar knapp. Doch Ramelow ficht
       das nicht an: „Es gibt keinen Grund für den leisesten Hauch von
       Pessimismus“, sagt er. Und: „In Niedersachsen regiert Rot-Grün auch nur mit
       einer Stimme.“
       
       Ramelow denkt lieber an die Zeit nach Freitagvormittag. Dann gehe es „um
       Staatskunst und das normale Geben und Nehmen, das Landespolitik ausmacht“,
       so Ramelow zur taz. Mit ihm als Ministerpräsidenten.
       
       Der Optimismus ist nicht unbegründet. Denn für Rot-Rot-Grün läuft es rund.
       94 Prozent der Thüringer Basis der Linkspartei haben für den
       Koalitionsvertrag votiert – ein Ergebnis, das an DDR-Zeiten erinnert. Auch
       die grüne Basis hat mit 84 Prozent Ja-Stimmen Rot-Rot -Grün abgesegnet.
       Alles ist vorbereitet.
       
       Die Spitzen von SPD, Grünen und Linkspartei haben viel getan, um das
       Projekt unfallfrei über die Bühne zu bekommen. Der mehr als 100 Seiten
       starke Koalitionsvertrag ist ein exakt austarierter Kompromiss, der wenig
       unklar lässt. Ramelow hat seine Genossen dazu gebracht, den in der
       Linkspartei verhassten Begriff Unrechtsstaat zu akzeptieren. Bei der
       Verteilung der Ministerien hat die Linkspartei ihre Juniorpartner großzügig
       bedacht. Die SPD bekommt drei Ministerposten – genauso viel wie die
       Linkspartei. Die Grünen, die in Thüringen so viele Mitglieder haben wie in
       Berlin-Kreuzberg, zwei.
       
       ## Lieberknechts Rolle rückwärts
       
       Schließlich wurden auch mögliche Abweichler im Vorfeld eingebunden. Uwe
       Höhn, Ex-SPD-Wirtschaftsminister, der sich anfangs skeptisch über
       Rot-Rot-Grün geäußert hatte, ist mit dem Amt des Vize-Landtagspräsidenten
       bedacht worden. Der Grüne Olaf Möller, der als schwer kalkulierbar gilt,
       wird Staatssekretär unter der grünen Umweltministerin Antje Siegesmund.
       
       Was Rot-Rot-Grün zudem hoffen lässt, ist der desolate Zustand der CDU.
       Noch-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hatte erst angekündigt,
       dass die CDU einen Kandidaten ins Rennen schicken wird. Donnerstagabend
       folgte die Rolle rückwärts. Sie wolle [1][„nicht in die Arena des Löwen
       steigen“]. Lieberknecht scheint klar geworden zu sein, dass ihr am Freitag
       ein unerfreuliches Ergebnis drohen würde – noch nicht mal alle CDU-Stimmen.
       Auch als Parteichefin wird sie nicht mehr antreten. Damit ist der Weg frei
       für den forschen Fraktionschef Mike Mohring.
       
       Die Entscheidung fiel am späten Dienstagabend in der Erfurter
       Parteizentrale. Auch Exministerpräsident Bernhard Vogel war da – um alle
       Möglichkeiten eines Machterhalts in letzter Minute auszuloten.
       
       Die Sitzung dauerte drei Stunden, es gab Zoff und am Ende ein Ergebnis, das
       keins ist: Die CDU wird weder mit Mohring noch einen Zählkandidaten, wie
       der CDU-Frau Birgit Diezel und dem Jenaer Universitätspräsident Klaus
       Dicke, im ersten Wahlgang antreten. Vor allem eine Kandidatur von Mohring
       hätte für Stress gesorgt: Denn die AfD-Fraktion hatte signalisiert, dass
       sie Mohring – anders als Lieberknecht – wählen würde. Das liegt quer zu der
       Linie des CDU-Bundesgeschäftsführers Peter Tauber, der einen mit
       AfD-Stimmen gewählten CDU-Ministerpräsidenten zum No-go erklärte.
       
       ## Plan B bei der CDU
       
       Unterstützung bekommt CDU-Mann Tauber dabei von unverhoffter Seite. Susanne
       Hennig-Wellsow, Landeschefin der Linkspartei in Thüringen, sagte der taz:
       „Ich finde die klare Haltung von Peter Tauber zur AfD richtig.“ Allerdings
       müsse man abwarten, ob „Mohring sich daran hält“. Es kursieren Gerüchte,
       dass Mohring AfD-Fraktionschef Björn Höcke das Familienministerium
       angeboten haben soll.
       
       Und: Es gibt in der CDU einen Plan B. Falls Ramelow in den ersten beiden
       Wahlgängen nicht die nötige absolute Mehrheit von 46 Stimmen erreicht,
       lässt sich die CDU alles offen. Dann soll die Fraktion ad hoc entscheiden,
       ob sie jemanden nominiert.
       
       Allerdings rechnet auch in der Union kaum noch jemand wirklich damit, dass
       die Ein-Stimmen-Mehrheit des Linksbündnisses wackelt.
       
       Die Linkskoalition ist sich ihrer Sache so sicher, dass Probeabstimmungen
       in den Fraktionen ausfallen. Man könne „den Abgeordneten ruhig vertrauen“,
       so Linkechefin Hennig-Wellsow. Ramelow war Mittwoch in den Fraktionen von
       SPD und Grünen. Die Stimmung war entspannt. Hennig-Wellsow glaubt zudem,
       dass die „Zerrissenheit der CDU die Chancen für Rot-Rot-Grün deutlich
       erhöht“.
       
       ## Wahlmodus unklar
       
       Ungemach droht, falls es doch zum dritten Wahlgang kommt. Dort reicht die
       relative Mehrheit. Doch der Wahlmodus ist umstritten. Was, wenn die CDU
       auch dann keinen Gegenkandidaten aufstellt? Rot-Rot-Grün ist wie der
       Verfassungsrechtler Martin Morlok der Ansicht, dass dann nur die Ja-Stimmen
       zählen und Ramelow theoretisch eine Stimme reichen würde.
       CDU-Landtagspräsident Christan Carius hat indes bei Wolfgang Zeh ein
       Gegengutachten beauftragt: Demnach würde, wenn Ramelow nicht mehr Ja- als
       Nein-Stimmen erhält, Lieberknecht geschäftsführend im Amt bleiben.
       
       Die Lage ist unübersichtlich. Carius will am Freitag den Landtag
       entscheiden lassen, welcher Wahlmodus gilt. Doch letztgültig befinden kann
       darüber nur das Landesverfassungsgericht. SPD-Landesgeschäftsführer René
       Lindenberg hält Carius vor, „parteipolitisch zu agieren“.
       
       Ramelow sieht das auch so. „Carius’ Aufgabe ist es die Verfassung anwenden,
       nicht auszudeuten.“ Zudem sei auch FDP-Mann Andreas Kniepert, Mitautor der
       Verfassung, der Ansicht, dass es im dritten Wahlgang Nein-Stimmen nicht
       gibt. „Und Kniepert steht mir politisch wirklich nicht nahe“, so Ramelow.
       
       Aber völlig ausgeschlossen ist nicht, dass es am Freitagmittag nur einen
       Ministerpräsidenten unter Vorbehalt gibt.
       
       4 Dec 2014
       
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 (DIR) Michael Bartsch
       
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