# taz.de -- Agrarminister über Biolandwirtschaft: Schnitzel mit „Tierschutzkriterien“
       
       > Angesichts der jüngsten Skandale bei Bio-Landwirten fordert
       > Niedersachsens Landesminister Meyer bessere Kontrollen – und mehr
       > Unterstützung der Öko-Bauern.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr als 3.000 Legehennen in einem Stall sollten Bio-Bauern halten, findet Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne)
       
       taz: Herr Meyer, die Agrarindustrie erobert immer stärker die
       Biolandwirtschaft. Manche Unternehmen halten 24.000 Legehennen in einem
       Gebäude. Wird so die Bio-Idee verraten? 
       
       Christian Meyer: Ich halte das auf jeden Fall für problematisch, weil ja
       gerade die Biokunden erwarten, dass in bäuerlichen und nicht in
       industriellen Strukturen produziert wird. Es stimmt leider, dass auch der
       Biobereich teilweise internationale industrielle Strukturen bekommen hat.
       Deshalb bin ich sehr dafür, dass man Obergrenzen in der Tierhaltung auch im
       Biobereich noch klarer definiert. Auch bei der konventionellen Produktion
       sind Grenzen überschritten, aber die Ökobranche sollte da Vorbild sein.
       Maximal 3.000 Legehennen in einem Gebäude ist sicher eine Grenze, über die
       man reden sollte.
       
       Großbetriebe waren auch in den Skandal verwickelt, in dem Tausende Tonnen
       konventionelle Sonnenblumenreste aus der Ukraine an Biohennen verfüttert
       wurden. Wie sollen solche Fälle verhindert werden? 
       
       Wer Ware aus unsicheren Quellen bezieht, weil sie dort etwas billiger ist,
       muss aufpassen. Er sollte stärker darauf achten, was im Herkunftsland
       zertifiziert wird, und das auch durch Eigenkontrollen in Deutschland
       überprüfen. Besonders von der Biobranche würde ich allerdings erwarten,
       dass sie vor allem auf hofeigenes und Biofutter aus der Region setzt, wie
       das die bäuerlichen Biobetriebe ja in der Regel auch machen – anders als
       offensichtlich manche Bio-Legehennen-Unternehmen mit ihren großen
       Futtermühlen.
       
       Aber für die Aufsicht der privaten Biokontrolleure sind doch die Länder
       zuständig. Haben Ihre Behörden hier versagt? 
       
       Was Niedersachsen angeht, ist die Kontamination mit Pestiziden dort, wo der
       belastete ukrainische Sonnenblumenkuchen direkt angekommen ist – also im
       Hafen in Brake –, durch amtliche Kontrollen aufgefallen. Das hat also
       funktioniert. Wir werden künftig noch zielgerichteter hinschauen,
       insbesondere bei der Ware aus Drittstaaten. Wir haben dafür in
       Niedersachsen auch im Ökobereich die Zahl der Kontrolleure aufgestockt.
       
       Die EU-Kommission hat eine völlig neue Ökoverordnung vorgeschlagen, die
       strengere Regeln für die Importe aus Drittstaaten vorsieht. Was halten Sie
       davon? 
       
       Hier muss besser als bisher reguliert und kontrolliert werden. Diesen
       Aspekt kann man aber sehr gut – wie andere verbesserungswürdige Regelungen
       auch – in die bestehende Ökoverordnung einfügen. Auf keinen Fall braucht
       man dafür eine Totalrevision der Verordnung.
       
       Nach dem Willen der Kommission dürfen Ökobauern ihre Produkte nicht mehr
       als bio verkaufen, falls diese mehr Pestizide enthalten als für Babynahrung
       erlaubt – auch wenn die Betriebe dafür nicht verantwortlich sind. Ist das
       gerecht? 
       
       Mehr Gift in konventioneller Ware als in Ökoware zuzulassen halte ich für
       den falschen Weg. Aber: Ein höherer Grenzwert nur für den Biobereich wäre
       gefährlich, weil der Biolandwirt das nicht in der Hand hat, dass Pestizide
       von konventionellen Nachbarn auf seine Felder abdriften. Dann wäre
       Ökolandwirtschaft in manchen Regionen nicht mehr möglich, weil dort
       konventionelle und Bio-Äcker zu dicht beieinanderliegen. Die Verbraucher
       könnten dann Biobauern nicht mehr dafür honorieren, dass sie mehr für
       Tierschutz, Umwelt und Klima tun.
       
       Aber viele Leute kaufen ja extra Bio, weil sie keine Pestizide im Essen
       wollen. Muss der Staat dafür sorgen, dass die Ökofelder nicht kontaminiert
       werden? 
       
       Erst mal ist ja Fakt, dass die Bioprodukte deutlich rückstandsfreier sind
       als konventionelle, weil der Landwirt keine Pestizide verwendet. Aber es
       kann durch Abdrift von konventionellen Kollegen, industrielle
       Vorbelastungen oder Luftemissionen punktuell etwas passieren. Wenn der
       Verursacher ermittelt werden kann, muss er für den Schaden aufkommen. Wir
       müssen eine Haftungsregelung zum Schutz unserer Biolandwirte einführen,
       statt den unschuldigen Biolandwirt dafür verantwortlich zu machen.
       
       Viele Biolandwirte klagen darüber, dass ihre Gewinne sinken. Wie wollen Sie
       denn erreichen, dass mehr Bauern auf Bio umstellen? 
       
       Die Förderung der Umstellung muss langfristig erhöht werden und verlässlich
       sein. Außerdem: Die niedersächsische CDU hat gerade eine Tierschutzabgabe
       auf alle tierischen Produkte vorgeschlagen, um damit Tierschutz – zum
       Beispiel mehr Platz im Stall – bei Landwirten zu honorieren. Ich halte das
       als grüner Agrarminister für eine interessante Idee, verbunden mit einer
       klaren Kennzeichnung des Produktes. Das würde auch den Biobereich stärken.
       Wir wollen, dass nicht nur das Herkunftsland auf dem Schnitzel und den
       Steaks draufstehen muss, sondern auch Tierschutzkriterien, also zum
       Beispiel Öko-, Freiland- oder Massenstall-Haltung.
       
       Einige Supermarktketten und der Bauernverband haben doch gerade ein
       Bonussystem für mehr Tierschutz auf privater Basis initiiert. Reicht das
       nicht? 
       
       Diese „Tierwohl-Initiative“ ist ein erster Schritt. Aber es fehlt eben eine
       Komplettumlage auf alle tierischen Produkte, die zur Honorierung von mehr
       Tierschutz dient. Fleisch muss teurer werden, um damit die ökologischen und
       gesundheitlichen Folgekosten der Fleischproduktion zu zeigen. Außerdem
       fehlt bei der Initiative die Kennzeichnung für den Verbraucher, damit er
       auch erkennen kann, ob er Fleisch aus besserer Tierhaltung kauft.
       
       Herr Meyer, manche konventionelle Bauern düngen so viel, dass das
       Grundwasser kontaminiert wird. Nun will die Bundesregierung die
       Düngeverordnung reformieren. Löst sie das Problem so? 
       
       Wir werden dem Entwurf, so wie er heute vorliegt, im Bundesrat nicht
       zustimmen können. Er reicht nicht aus, um die Vorgaben der EU zur
       Grundwasserqualität zu erfüllen. Er sieht zwar umfangreiche Pflichten für
       die Landwirte vor, wie sie ihre Flächen düngen. Aber das nützt wenig, wenn
       unsere Düngebehörde nicht auf Tier- und Flächenzahlen der Betriebe
       zugreifen kann, um zu ermitteln, wo zu viel gedüngt wird. Unsere
       Düngekontrolle fährt da blind. Wir wollen, dass die Daten automatisch
       jährlich den Düngebehörden übermittelt und auf Plausibilität überprüft
       werden können. Der Bund sperrt sich hier in unverantwortlicher Weise.
       
       Wie kommen Sie darauf? 
       
       In den Landkreisen Cloppenburg und Vechta zum Beispiel bräuchte man nach
       den Regeln der jetzigen Düngeverordnung dreimal so viel Fläche, um die
       Ausscheidungen der Schweine, Hühner und Puten dort ordnungsgemäß
       auszubringen. Nur ein Drittel der Gülle wird jedoch in andere Landkreise
       gebracht. Das bedeutet: In den schweine- und geflügelreichen Landkreisen
       Niedersachsens fehlen rechnerisch 65.000 Hektar, um die Gülle ordnungsgemäß
       auszubringen. Eine Fläche größer als der Bodensee wird damit systematisch
       überdüngt, ohne dass die Kontrollbehörde die erzeugten Mengen und Flächen
       kennt. Das kann so nicht weitergehen, wenn wir unser Grundwasser besser
       schützen wollen.
       
       22 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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