# taz.de -- Kommentar Ex-„Männer“-Chefredakteur: Der schwule Rechtsruck
       
       > David Berger musste gehen, doch unübersehbar hat sich die schwule Szene
       > nach rechts bewegt. Die LGBT- Community hat ein Problem.
       
 (IMG) Bild: Warum nach rechts rücken, wenn es auch nach links geht?
       
       Am Montag vermeldete die Bruno Gmünder GmbH die fristlose Entlassung ihres
       Männer-Chefredakteurs David Berger und trennte sich damit von ihrem 2013
       mit großem Trommelwirbel angeheuerten Posterboy für moderne schwule
       Rechtschaffenheit. Ausgerechnet ein konservativer katholischer Theologe
       sollte Bewegung in eine zähflüssig gewordene schwule Welt bringen und damit
       das am Rande der Bedeutungslosigkeit stehende Lifestyle-Magazin zu einem
       auflagenstarken Vademecum für homosexuelle Männer machen.
       
       Doch die Ära Berger wurde vor allem zur Geschichte einer sich immer weiter
       beschleunigenden Eskalation, die nur mit einem Knall enden konnte. In knapp
       20 Monaten fuhr Berger die ganze unappetitliche Palette an Misogynie,
       Rassismus, Islamfeindlichkeit, Lesben- und Transgenderfeindlichkeit,
       Antifeminismus, Biologismus, Queer- und Linkenbashing, Ageism, Lookism,
       Virilismus und Antisemitismus auf. Und das in seinem höchsteigenen Stil aus
       narzisstischen Peinlichkeiten, kruder Theoriebildung aus Halbwissen und
       eigenen Phobien. Seine Angriffe auf KollegInnen und nicht in sein Weltbild
       passende Gruppen und Institutionen zielten oft weit unter die Gürtellinie.
       
       Wenn er sich nicht selbst in seinen Meinungstexten und Interviews in diesem
       Sinne hervortat, wie [1][beispielsweise in der taz], in dem er
       Männlichkeiten, die nicht seinem persönlichen Gusto entsprechen,
       „irgendwelche Zwischenwesen“ nannte, holte er sich gerne Unterstützung, um
       seine Positionen zu stärken – immer unter dem Vorwand, Diskussionen anregen
       zu wollen.
       
       Er druckte in Männer einen als Glosse getarnten rassistischen Ausfall gegen
       einen homophoben afroamerikanischen Wirtschaftswissenschaftler, der nicht
       nur als „debiler Maximalpigmentierter“ diffamiert wurde oder hypte den
       schwulen „Islamkritiker“ und Lehrer Daniel Krause, der anlässlich des
       siebzigsten Jahrestages der Befreiung von Auschwitz in einer Radiosendung
       bekannte „Mir geht sogar die Massentierhaltung emotional näher als
       Auschwitz. Alle 20 Minuten sterben sechs Millionen Tiere!" Mit dem Wort
       „sogar“ und einer fiktiven Statistik, die zynisch auf die 6 Millionen
       ermordeten jüdischen Menschen rekurriert, ging Krause weit über eine
       Relativierung der Shoa hinaus.
       
       ## Neo-virile rechte Schwule
       
       Mit der Summe des zerschlagenen Porzellans innerhalb der LGBT-Community,
       der Unerträglichkeit des rechten Populismus und letztlich durch die
       distanzlose Nähe zu Krause brachte sich Berger selbst zu Fall. Die
       überfällige Reaktion des Gmünder-Verlages kommt aber zu spät, um noch in
       die Entwicklung einzugreifen.
       
       Denn während die Berger-Kritiker selbstvergessen „Ding Dong! Die Hex‘ ist
       tot“ singen, hat sich hinter den Berger‘schen Blendfeuern und dem exklusiv
       unter Schwulen geführten Streit das politische Gefüge in Deutschland
       verändert. Die Bewegung der neo-virilen und genderkonservativen Rechten in
       die Machtpositionen hat bereits stattgefunden.
       
       Das ist kein Schritt in Richtung Emanzipation selbstbestimmter
       Lebensentwürfe. Es ist ein brutaler Verdrängungskampf um die Definition und
       Ressourcen der erfolgreichen LGBT-Bewegung. Und es erinnert in seinen
       Anfängen an ein Phänomen in der Homosexuellenbewegung zu Beginn des 20.
       Jahrhunderts, als die schwulen, zutiefst misogynen Männerbündler sich von
       der damals revolutionären Idee der Vielfalt der Geschlechter feindselig
       abgrenzten. Sie glaubten, nur eine radikale Anpassung an die immer weiter
       nach rechts rückende Gesellschaft brächte ihnen sowohl Akzeptanz als auch
       Teilhabe an hegemonialer Männlichkeit. Dafür kündigten sie jede Solidarität
       mit sozial ausgeschlossenen Minderheiten und traditionell benachteiligten
       Gruppen. Ein historischer Fehler. Ihre Unterstützung der rechten Kräfte der
       Weimarer Republik durch Diskriminierung nicht-konformer Menschen wurde
       gerne genommen, das schützte sie aber nicht davor, selbst Opfer zu werden,
       denn rechte Ideologien und Homophobie sind untrennbar miteinander verwoben.
       
       ## Akzeptanz auf Kosten der Solidarität
       
       Das letztlich menschenverachtende Bringen von Bauernopfern in Hoffnung auf
       Akzeptanz und Teilnahme an Privilegien verändert eine Gesellschaft nicht in
       Richtung Freiheit. Im Gegenteil: Diese Geschichtsstunde bedarf dringend
       einer selbstkritischen Wiedervorlage in den Debatten der LGBT-Community,
       bevor man glaubt, man könne sich Auschwitz arrogant – pardon – am Arsch
       vorbei gehen lassen.
       
       Berger ist kein Hauptakteur der aktuellen gesellschaftlichen
       Entsolidarisierungsprozesse und Neuverteilungen, dazu ist das Magazin
       Männer zu unwichtig für die öffentlichen Meinungsbildung. Doch er
       produzierte fruchtbare Stimmung und kanalisierte sie geschickt dorthin, wo
       die erstmals salonfähigen schwulen Player sitzen. Diese freuen sich über
       das neue konservative Fußvolk, weil sie so ihre frisch gewonnene
       Definitionsmacht ausbauen können. Für die LGBT-Community heißt das: Sie
       steht an einem Scheideweg und muss ihre Bündnisse und sich selbst dringend
       neu überprüfen.
       
       3 Feb 2015
       
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