# taz.de -- Schwuler Buchladen macht zu: Erlesener Ort
       
       > Am Samstag schließt der Hamburger Buchladen "Männerschwarm" nach 34
       > Jahren. Er war eine Institution der Schwulenbewegung.
       
 (IMG) Bild: Als alles anfing: Der Männerschwarm am Neuen Pferdemarkt
       
       HAMBURG taz | Kaum vorstellbar für junge Menschen ist, dass das Hamburger
       Schanzenviertel zu den besten Zeiten der Alternativbewegung noch nicht
       Amüsierviertel, sondern eher gering hip war. Wo bis in die frühen
       Siebzigerjahre noch echte Proleten lebten, waren die Catwalks der Linken.
       Für heterosexuell empfindende Menschen vor allem muss man dies sagen: St.
       Pauli war für Schwule, für alle sogenannten sexuellen Außenseiter das
       Asyl-Quartier schlechthin. Hier, in die dunklen Ecken zog es schwule Männer
       - und Lesben, bis in die Achtziger, in die "Ika-Stuben".
       
       Und in diese Gegend kam 1981 Hamburgs erster schwuler Buchladen. Kein
       Pornoshop, sondern ein literarisch und politisch anspruchsvolles
       Unternehmen namens "Männerschwarm". An den Neuen Pferdemarkt, eine
       vielspurige Straße, auf der Autofahrer damals gern auf Tempo 80
       durchstarteten. Ein unmöglicher Ort. Zugleich aber war kein Platz für die
       Gründung günstiger, schien es. Das "Spundloch", der Tanzschuppen
       schlechthin, lag nahe bei, ebenso das damals noch schein-nicht-schwule "Why
       Not?", später das "Ludovika" oder bis heute das "Crazy Horst".
       
       Vielleicht musste dieses Haus dort angesiedelt sein, zumal die Mieten in
       jenen Jahren noch für Bafög-Empfänger gut bezahlbar waren - und dass St.
       Georg mal zum St. Gayorg werden würde, war auch nicht ausgemacht. Recht
       eigentlich war der Männerschwarm natürlich kein Geschäft für
       Buchhändlerisches, das für sich ideelle Erstrechte beanspruchen konnte. Es
       gab ja auf St. Pauli den "Revolt-Shop" - aber dort ging es um sexuelle
       Accessoires und Pornomaterial. Der "Männerschwarm" wollte jedoch, und das
       ist sein größtes Verdienst, eine Stelle für Suchende sein, die das
       Deutungs, also Empfehlungsmonopol von Buchhändlerinnen unterlaufen wollten.
       Nirgends sonst war Thomas Mann als schwuler Autor gepriesen. Mit anderen
       Worten: Im Männerschwarm musste man nicht umständlich und unverständig nach
       Lesenswertem, das auch nichtheterosexuelle Lesebedürfnisse bedient, fragen.
       
       Wer als schwuler Autor auf sich hielt, war also am Neuen Pferdemarkt zu
       Gast. Felice Picano las dort aus seinem immer noch anbetungswürdig guten
       Roman "Gefangen in Babel", der letzten aggressiven, nicht mehr puttensüßen
       New-York-Geschichte aus der Zeit vor Aids; Ronald Schernikau stellte sein
       politisch exzentrisches Werk "die tage in l." vor, immer noch prima lesbar
       als glühender Irrweg zur Entgötterung des Kapitalismus; oder Jürgen Lemke,
       der als DDR-Autor zur Wendezeit nach Hamburg kam, um seine
       DDR-Homo-Porträts "Ganz normal anders" vorzustellen: Allesamt erste Sahne,
       literaturgeschichtlich kanonisch für ihre Erzählfelder - die in jedem
       anderen Kontext nicht gebührend vorgestellt worden wären, schon gar nicht
       mit ihren schwulen Perspektiven. Glückwunsch nachträglich den
       Männerschwärmern, dass sie uns die Besuche dieser Autoren überhaupt
       ermöglicht haben.
       
       Das waren echte Highlights, zumal es das Literaturhaus noch nicht gab und
       andere Häuser in Hamburg für diese schwule Explizitheit nicht zur Verfügung
       stehen wollten. Die Erinnerung wird gern gülden, und dabei soll auch nicht
       weiter ausgesponnen werden, dass diese gewisse Literaturatmosphäre im
       Männerschwarm nie allen behagte; dieser Gestus des Eingeweihten -
       gelegentlich wünschte man sich dort ein bisschen weniger Ernsthaftigkeit,
       die aus jeder Pore Lesefron zu verströmen schien. Vielleicht hätte ein
       wenig Musik zur Lockerung beigetragen? Dass nicht das eigene Räuspern und
       Hüsteln, ja, die eigenen Schritte durch den Laden, durch den man cruiste
       (nach Lesestoff, was sonst), donnernd hörbar gewesen wären?
       
       23 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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