# taz.de -- Rot-grüne Pseudo-Verhandlungsergebnisse: Studienplätze doppelt verkauft
       
       > In ihren Koalitionsverhandlungen versprechen SPD und Grüne in Hamburg
       > mehr Studienplätze durch Hochschulpakt-Mittel. Doch dass es die gibt, ist
       > längst bekannt - und hilft den Unis nicht.
       
 (IMG) Bild: Große Geste, keine Neuigkeiten: Kerstan und Stapelfeldt nach den Verhandlungen
       
       HAMBURG taz | Die kurzen Statements, die die Vertreter von Grünen und SPD
       am Ende eines Verhandlungstages vom Fuß der roten Rathaustreppe verkünden,
       sind meist unkonkret und unbefriedigend für die wartenden Journalisten. So
       auch am Mittwoch als der Punkt Wissenschaft abgehandelt war, und der Grüne
       Jens Kerstan sagte, es sei ein „sehr guter Verhandlungstag“ gewesen.
       Noch-Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) ergänzte, es sei
       verabredet, dass es „zusätzliche Mittel für Hochschulen, Wissenschaft und
       Forschung insgesamt geben wird“.
       
       Die wenigen ausschmückenden Details, die sich die beiden dann aus der Nase
       ziehen ließen, lassen allerdings aufhorchen. Über die Höhe des Plus wird
       nichts gesagt. Das werde am Ende noch mal verhandelt, sagte Kerstan. Die
       berühmten „Bafög-Millionen“ – das sind etwa 30 Millionen Euro die Hamburg
       übrig hat, weil der Bund diese Zahlung übernimmt – sind es jedenfalls
       nicht. Und dann sagte Kerstan: „Uns ist Aufstieg durch Bildung auch im
       Hochschulbereich wichtig. Deswegen wird es im Rahmen des Hochschulpaktes
       einen deutlichen Aufbau von Studienplätzen geben.“ Und Stapelfeldt sagte
       noch, dass bis 2015 schon im Rahmen des von Bund und Ländern vereinbarten
       Hochschulpakts II etwa 2.000 Studienanfängerplätze geschaffen worden seien
       und dank des Hochschulpakts III deren Zahl wahrscheinlich um 500 auf 2.600
       Anfängerplätze ansteige.
       
       Soweit so gut. Nur ist die Sache mit dem Hochschulpakt seit Oktober 2014
       bekannt und keineswegs ein Zugeständnis im Rahmen rot-grüner
       Koalitionsgespräche. Von 2016 bis 2020 bekommt Hamburg insgesamt 405
       Millionen Euro, um bis 2023 zusätzliche Studierende durchzuschleusen.
       Uni-Präsident Dieter Lenzen hatte seinerzeit im taz-Interview kritisiert,
       dass die Hochschulen mit diesem Geld „nicht besser finanziert sind, wie es
       die Politik suggeriert“. Für die Uni-Hamburg bedeute dies, dass sie noch
       einmal ein paar hundert Anfänger im Jahr zusätzlich aufnehme. Zwar bekomme
       sie pro Studierenden 6.500 Euro, doch könne man von diesem Geld keine
       Professuren besetzen, weil diese Zuschüsse befristet seien, eine Professur
       sei jedoch eine Dauertätigkeit. Für eine qualitätsvolle Lehre brauche man
       aber 40 Prozent professorale Lehre. Lenzen: „Wir können nicht alles über
       Lehraufträge abdecken.“
       
       Doch was die Professuren betrifft, steht den Hochschulen ein weiterer Abbau
       bevor. Allein an der Uni Hamburg wird die Lehrleistung bis 2016 um fünf
       Prozent reduziert. Das geht aus einer Vereinbarung zwischen Behörde und Uni
       hervor, die auch deshalb nötig wurde, weil die Hochschulen wegen der
       Schuldenbremse nur noch eine jährliche Budgetsteigerung von 0,88 Prozent
       erhalten, die Tarif- und Kostensteigerungen nicht ausgleicht.
       
       Hier muss man also ran, wenn man die Erosion der Hochschulen stoppen will.
       Eben dies hatten die Grünen im Wahlprogramm versprochen und zusätzlich eine
       höhere Grundfinanzierung von jährlich einem Prozent. Doch allein dieses
       eine Prozent würde sechs Millionen Euro im Jahr kosten. Das „Spielgeld“,
       das die SPD für Änderungen am Haushalt für alle Ressorts zugesteht, soll
       kaum das Doppelte betragen.
       
       Gibt es also wirklich mehr Geld für die Hochschulen? Oder bleibt es bei der
       SPD-Linie und – wie man hört – auch bei Senatorin Stapelfeldt? Die
       Präsidentin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Jacqueline
       Otten, freut sich über die grundsätzliche Bereitschaft, nennt aber die
       Zusagen „noch recht unkonkret“. Für den FPD-Politiker Wieland Schinnenburg
       sind Kerstans und Stapelfeldts Statements „substanzlose
       Absichtserklärungen“. Es sei noch nicht ein Euro dazu gewonnen. Würde die
       FDP mit der SPD über eine Regierung verhandeln, würde sie auf die
       Überführung der Bafög-Millionen in den Wissenschaftshaushalt „bestehen“.
       
       Diesen Punkt kann auch Hochschulpolitikerin Dora Heyenn nicht verstehen.
       „Es gab keine Bürgerschaftssitzung im letzten halben Jahr, bei der die
       Grünen nicht gefordert haben, dass dieses Geld ganz und gar in die
       Hochschulen fließen muss“, sagt die derzeit fraktionslose Politikerin der
       Linken.
       
       Die neue Linkspartei-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus sagt: „Wenn man
       die Qualität verbessern will, dann müssen die Bafög-Gelder an die
       Hochschulen.“ Sie habe den Eindruck, dass die SPD mit dem Hochschulpakt III
       längst beschlossenene Maßnahmen verkauft, um den Grünen „zur
       Gesichtswahrung zu verhelfen“.
       
       12 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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