# taz.de -- Wem nützt die „Aktivrente“?: Nichts für Künstler und Bauern
> Durch den Steuerbonus der „Aktivrente“ steigt die Beschäftigung der Alten
> nur um 10 Prozent, so eine Studie. Viele kriegen den Steuerbonus gar
> nicht.
(IMG) Bild: Wird die Ausnahme bleiben: Ein Rentner arbeitet in einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen
Der 80-Jährige hatte sich bei einem Unternehmen im Sicherheitssektor
beworben und machte im Gespräch einen „super“ Eindruck, wie die
Personalverantwortliche der Firma erzählte. Doch sein Geburtsdatum hatte
sie in den Bewerbungsunterlagen vorher nicht gecheckt und kam darob später
ins Grübeln. Dennoch sagte sie dem Mann einen Probetag zu. Und stellte ihn
dann ein.
80-Jährige, die im Sicherheitsdienst in Vollschicht arbeiten wollen und
können und neu eingestellt werden, dürften die absolute Ausnahme sein. Das
Beispiel ist aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie der
Bertelsmann-Stiftung, die Unternehmen nach ihrer Bereitschaft befragte,
Menschen im Rentenalter zu beschäftigen. Befragt wurden zudem in einer
zweiten Bertelsmann-Studie 3.000 Personen zwischen 60 und 71 Jahren, ob die
Einführung der Aktivrente, also eines steuerfreien Hinzuverdienstes von
monatlich 2.000 Euro, sie dazu motivieren würde, im Rentenalter zu
arbeiten.
Das Ergebnis der Befragung: Das Arbeitsvolumen der derzeit 569.000
erwerbstätigen Personen im Alter zwischen 66 bis 70 Jahren würde durch die
„Aktivrente“ um 10 Prozent steigen, das wären rechnerisch 25.000 bis 33.000
zusätzliche Vollzeitstellen.
Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass die überwiegende Zahl
der arbeitenden Rentner:innen den Steuerbonus einfach so mitnimmt und so
oder so arbeiten würde. Experten warnten bereits vor hohen
[1][Mitnahmeeffekten] mit der neuen Steuererleichterung.
## Viele Jobs sind gar nicht „altersgerecht“
Für den Staat rechne sich die Aktivrente erst, wenn die Schwelle von
mindestens zusätzlichen 40.000 Vollzeitstellen erreicht sei, heißt es in
der Bertelsmann-Studie. Erst dann seien die für den Fiskus entstehenden
Einkommensteuerverluste kompensiert.
Die Frage ist, welche Unternehmen Ältere überhaupt weiter beschäftigen,
geschweige denn neu einstellen wollen. In Interviews mit
Vertreter:innen von 17 Unternehmen gaben nur 3 der befragten
Unternehmen an, sich „aktiv um die Rekrutierung von Personen im Rentenbezug
zu bemühen“, heißt es in der Studie.
Die andere Variante, bereits im Unternehmen tätige Mitarbeiter auch nach
Renteneintritt weiter zu beschäftigten, also den Renteneintritt
hinauszuschieben, stößt bei manchen Unternehmen auf rechtliche Bedenken.
Für ältere Beschäftigte bestehe aufgrund ihrer oft langen
Betriebszugehörigkeit „ein starker Kündigungsschutz, was aus
Arbeitgebersicht eine unbefristete Einstellung im Rentenalter weniger
attraktiv machen kann“, heißt es in dem Papier.
Werden die Älteren nur befristet eingestellt, gibt es diese Sorge nicht.
Mit dem Rentenpaket 2025 soll daher auch die sachgrundlos befristete
Beschäftigung von Rentner:innen im selben Betrieb ab 2026 erlaubt
werden.
In den meisten Betrieben wirbt man aber nicht direkt um die Alten. „In den
Bereichen Pflege, Reinigung, Produktion und Bau wurden die jeweiligen
Arbeitsbedingungen als nicht altersgerecht eingeschätzt“, zeigte die
Unternehmensbefragung. Was konkret bedeutet, dass gerade Menschen in sehr
belastenden Berufen im Alter gar nicht mehr weiterarbeiten können und damit
auch nicht von der Steuerfreiheit eines Hinzuverdienstes profitieren.
## 890 Millionen Euro im Jahr kostet der Bonus
Die „Aktivrente“, die Möglichkeit, als Rentner:in 2.000 Euro im Monat
steuerfrei hinzuverdienen, bedeutet für den Staat laut [2][Gesetzentwurf]
pro Jahr 890 Millionen Euro an steuerlichen Mindereinnahmen. Der
Gesetzentwurf soll am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten
werden und am 1. Januar 2026 in Kraft treten.
Doch die Aktivrente schließt viele aus, sie gilt nicht für Beamte und nicht
für Selbstständige. Gerade Letztere arbeiten häufig im Rentenalter weiter.
Auch Landwirte bleiben außen vor. Und Honorarkräfte, die etwa über die
Künstlersozialkasse (KSK) versichert sind und noch mit 68 Jahren
Musikstunden geben, haben ebenfalls nichts von dem Steuerbonus. Gerade
Freiberufler:innen, die prekär verdienen und im Alter weiterarbeiten oder
weiterarbeiten müssen, bleiben also außen vor.
Der [3][Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland] VGSD hat dazu
eine Petition gestartet, die bereits von 53.000 Menschen unterschrieben
wurde, darunter sind Verbände, die Designer, Musiklehrer:innen, Hebammen,
Heilpraktiker:innen, Freie Journalist:innen und Komponist:innen
vertreten. Die Selbstständigen nicht miteinzubeziehen in den Steuerbonus,
wirft auch verfassungsrechtliche Fragen auf.
Die geplante Aktivrente sei eine „aus der Zeit gefallene Idee
rückschrittlicher Politiker:innen“, urteilte die „Allianz deutscher
Designer“ (AGD), die darauf hinwies, dass zum Beispiel KSK- Versicherte
sonst Arbeitnehmer:innen gleichgestellt sind. Nur eben bei der
Aktivrente nicht.
12 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Zukunft-des-Rentensystems/!6113270
(DIR) [2] https://dip.bundestag.de/drucksache/entwurf-eines-gesetzes-zur-steuerlichen-f%C3%B6rderung-von-arbeitnehmerinnen-und-arbeitnehmern/282929?f.wahlperiode=21&f.typ=Dokument&f.herausgeber_dokumentart=Bundestag-Drucksache&rows=25&sort=verteildatum_ab&pos=3&ctx=d
(DIR) [3] https://www.vgsd.de/mit-regelmaessigen-updatespetition-aktivrente-auch-fuer-selbststaendige-jetzt-mitzeichnen/
## AUTOREN
(DIR) Barbara Dribbusch
## TAGS
(DIR) Rente
(DIR) Arbeit
(DIR) Steuer
(DIR) Bertelsmann-Studie
(DIR) Bertelsmann-Stiftung
(DIR) GNS
(DIR) Reden wir darüber
(DIR) Arbeitsmarkt
(DIR) Wehrdienst
(DIR) Rente
(DIR) Schwarz-rote Koalition
(DIR) Haushalt
(DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Wirtschaftsstandort Deutschland: Unternehmen verlagern Zehntausende Jobs ins Ausland
Niedrigere Kosten, Fachkräftemangel, attraktive Märkte: Deutsche Firmen
zieht es ins Ausland. Allerdings entstanden auch zahlreiche Jobs im Inland.
(DIR) Rente, Flugsteuer und Wehrdienst: Hinterher will man die anderen auch leiden sehen
Sogar CSU-Chef Söder sagt mal was Richtiges, Merz' Leitungsstil lässt zu
wünschen übrig und die Splitterlösung beim Wehrdienst zerstört jedes
„Wir-Gefühl“.
(DIR) Deutschlandtag der Jungen Union: Kanzler ohne Spaß im Funpark
Die Junge Union lehnt das geplante Rentenpaket ab und droht, es zu
blockieren. Aber Kanzler Merz will die schwarz-rote Koalition nicht
gefährden.
(DIR) Kabinett beschließt Aktivrente: Ein Steuergeschenk für Großverdiener*innen?
Ab 2026 sollen Rentner*innen, die weiterarbeiten, 2.000 Euro steuerfrei
dazu verdienen dürfen. Für Selbstständige gilt das nicht. Wer profitiert?
(DIR) Zukunft des Rentensystems: 7.000 Euro, vom Staat geschenkt
Im Finanzministerium wird an einem Gesetzentwurf zur „Aktivrente“
gearbeitet. Er könnte die Gerechtigkeitsdebatten befeuern, nicht abmildern.
(DIR) Altersbericht der Bundesregierung: Mythos „Babyboomer“
Von pauschalen Erleichterungen für alle Rentner:innen profitieren auch
jene, die schon genug haben. Wichtiger sind zielgerichtete Maßnahmen gegen
Altersarmut.