# taz.de -- Türkische Nationalisten in Bremen: Erdoğan-Lobbyisten an der Arbeit
       
       > Die Union europäisch-türkischer Demokraten will in den Bremer Senat. Sie
       > ist mit Erdoğans AKP und den „Osmanen“-Rockern verquickt.
       
 (IMG) Bild: „Sieg der Demokratie“: Bei der Rede von Metin Külünk (M.) waren Mustafa Güngör (l.) und Mehmet Acar (nicht im Bild, beide SPD) ebenso dabei wie Burak Çaylı (r., UETD)
       
       BREMEN taz | Türkische Nationalisten streben in Bremen nach politischem
       Einfluss. Das hat der Bremer Senat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage
       der Linksfraktion nun offiziell festgestellt.
       
       Die sogenannte Union europäisch-türkischer Demokraten (UETD) plane
       spätestens seit 2016 recht ungeniert, „bei den nächsten Bürgerschaftswahlen
       Kandidaten aus den eigenen Reihen aufzustellen“, heißt es in dem
       [1][Papier]. Unklar sei dem Senat, wie dies konkret geschehen solle – ob
       durch die Beeinflussung von KandidatInnen bei etablierten Parteien oder im
       Rahmen von Parteineugründungen.
       
       Die UETD gilt als politische Lobbyorganisation der Partei AKP von Präsident
       Recep Tayyip Erdoğan. Sie hat hierzulande Wahlkampfauftritte von
       AKP-PolitikerInnen oder etwa eine große Demo am Brandenburger Tor gegen die
       Anerkennung des Genozids an den Armeniern organisiert.
       
       Cindi Tuncel, Abgeordneter der Linken, der die Kleine Anfrage an den Senat
       gestellt hat, glaubt nicht, dass die UETD eine eigene Partei gründen werde.
       Er sagt: „Erdoğans AKP versucht, hierzulande Einfluss in bestehenden
       politischen Parteien zu gewinnen.“ Wie sie das genau machen will? „Indem
       sie Abgeordnete unterstützt“, sagt Tuncel. Namen will er nicht nennen.
       
       In Bremen werden insbesondere zwei SPD-Abgeordneten Kontakte zur UETD
       nachgesagt: Mustafa Güngör, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
       in der Bremischen Bürgerschaft und Mitglied im SPD-Landesvorstand, und
       Mehmet Acar. Damit konfrontiert, bestreiten die beiden Abgeordneten
       vehement eine Beeinflussung durch die UETD. Und wirklich erhärten lassen
       sich diese schwerwiegenden Vorwürfe auch nicht.
       
       Richtig ist: Beide hatten mindestens zweimal Kontakt zur UETD. Der taz
       liegen Fotos der beiden beim Besuch einer UETD-Veranstaltung im Oktober
       2016 vor. Als Gast und Redner war dort ebenfalls geladen: Metin Külünk, der
       als AKP-Abgeordneter und Beauftragter für die TürkInnen in Europa so etwas
       wie Erdoğans internationaler Cheflobbyist ist. Damals sollte er eine Rede
       halten, um den „Sieg der Demokratie“ bei der Bremer UETD zu feiern, wie im
       AKP-Sprech euphemistisch der gescheiterte Putschversuch vom 15. Juli 2016
       heißt.
       
       Auf den Fotos sind die beiden bremischen Abgeordneten an einem Tisch mit
       Külünk und dem Regionalvorsitzenden des UETD-Bremen, Burak Çaylı, zu sehen.
       Der Saal ist festlich hergerichtet, das Konterfei Erdoğans blickt von einem
       Bild auf weiße Tischdecken mit Wasser-Flaschen, Fanta und Uludağ-Brause.
       
       Für Güngör und Acar war der Besuch der Veranstaltung ein Termin wie jeder
       andere. Güngör sagt: „Ich bin SPD-Abgeordneter und gehe da auch mit diesem
       Selbstbewusstsein hin. Da vertrete ich meine Partei, nichts anderes wird
       von mir erwartet.“
       
       In dieser Funktion träfe er nicht nur AKP-Abgeordnete, sondern auch
       türkische Sozialdemokraten von der CHP. „Gerade in Zeiten, die schwierig
       sind, muss man reden“, sagt Güngör. Er nehme auch jede Gelegenheit wahr, um
       mit WählerInnen zu reden. „Dabei geht’s mir nicht darum, wer das
       organisiert“, so Güngör. „Wenn es eine Einladung gibt, prüft man den
       Terminkalender und dann geht man dahin“, sagt er.
       
       ## Es gibt kaum Berührungsängste
       
       Auch in anderen Fraktionen gibt es kaum Berührungsängste mit türkischen
       NationalistInnen: Am Samstagnachmittag haben in Bremerhaven rund 700
       Menschen für Erdoğans Offensive gegen Kurden in Nordsyrien demonstriert,
       unter ihnen der Ex-Grüne und heutige CDU-Abgeordnete Turhal Özdal. Auf
       Fotos ist eindeutig zu erkennen, wie er eine Türkei-Fahne mit sich trägt.
       
       Mustafa Öztürk aus der Grünen-Fraktion hatte wie Güngör und Acar 2015 das
       Forum der UETD für einen türkischen Wahlaufruf an potenzielle WählerInnen
       genutzt. Öztürk allerdings sagt: „Heute würde ich das nicht mehr machen.
       Die UETD war zu der Zeit anders ausgerichtet als danach.“ Nach den
       Gezi-Protesten habe man zunehmend beobachten können, wo die Organisation
       stehe: „Wer unkritisch zu Missständen in der Türkei schweigt und nur
       nacherzählt, was aus AKP-Kreisen kommt, ist nicht reflektiert genug.“
       
       Auch Bremens Senat bewertet mittlerweile den türkischen Einfluss in Bremen
       deutlich anders [2][als noch im August 2017], als er noch angab, weder von
       türkischen Spionagetätigkeiten noch von Bespitzelungen in Moscheevereinen
       in Bremen etwas zu wissen.
       
       ## Werbung für Erdoğan
       
       Klarer zu fassen sind nach Angaben des Senats die Tätigkeiten der UETD. Im
       Frühjahr 2017 habe diese systematisch Erdoğans Wahlkampf für dessen
       Referendum unterstützt. Der Verein habe Webeflyer verteilt und kostenlose
       Bustransfers zum Wahllokal nach Hannover organisiert. Seit dem
       gescheiterten Putschversuch in der Türkei 2016 habe der Verein eine
       breitere Präsenz, betreibe mehrere Standorte in Bremen und umzu und stehe
       mit der türkischen Regierung im regen Austausch.
       
       Doch das ist noch nicht alles: Dem Senat liegen auch Hinweise darauf vor,
       dass sich in Bremen ein Chapter der nationalistischen Rockergruppierung
       „Osmanen Germania BC“ gegründet hat. Neben einem Treffen von 70 Mitgliedern
       in Kutten im Juli 2017, das die Polizei auflöste, soll es Hinweise auf eine
       Gründung in sozialen Medien geben. Erkenntnisse zur konkreten
       Mitgliederanzahl oder einem Vereinsheim hat der Senat jedoch nicht.
       
       Unter Berufung auf die Landeskriminalämter anderer Länder geht der Bremer
       Senat davon aus, dass „Teile der Gruppierung ‚Osmanen Germania BC‘ mit dem
       türkischen Geheimdienst zusammenarbeiten“. Gleichzeitig geben Osmanen
       häufig den Sicherheitsdienst bei Kundgebungen der UETD.
       
       ## Gewalt gegen KurdInnen
       
       [3][Die Stuttgarter Nachrichten ] hatten gemeinsam [4][mit dem ZDF-Magazin
       Frontal 21] unter Berufung auf Abhörprotokolle kürzlich über Verquickungen
       zwischen AKPlern, den Osmanen-Rockern und der UETD berichtet. Dort heißt
       es, der Erdoğan-Vertraute Külünk sei eine Art Mittelsmann, der den Rockern
       zu Geld und Waffen verholfen haben soll. Von Külünk gibt es beides: Fotos
       mit Erdoğan und Fotos mit den Chefs der Osmanen Germania. Der
       Verfassungsschutz interpretiert letztere Treffen als öffentliches
       Bekenntnis der Erdoğan-Politik zum gewalttätigen Rockerklub.
       
       Külunk hat laut Frontal21 sogar konkret dazu aufgefordert, Gewalt gegen
       hier lebende KurdInnen auszuüben, davon Filmaufnahmen zu machen und diese
       in die Türkei zu schicken. Um „jedem zu zeigen, was mit denen passiert, die
       sich gegen die Politik Erdoğans erheben“, so der Mitschnitt eines
       Külünk-Telefonats.
       
       Güngör sagt, er kenne diese Berichte genauso wenig wie die Senatsvorlage.
       Aber, wenn das alles stimmen sollte, wäre das fatal: „Wenn Külünk demnächst
       nach Bremen kommen würde, würde ich ihn auf diese Vorwürfe direkt
       ansprechen.“
       
       Tuncel besorgt, dass UETD-Anhänger Menschen mit abweichenden Meinungen
       einschüchterten: „Viele Türken, die eigentlich gegen das Referendum waren,
       hatten Angst, sich gegen Erdoğans Politik auszusprechen.“ Er selbst bekomme
       täglich Drohanrufe. Im Hintergrund laufe dann oft militärische Musik, die
       Anrufer beschimpften ihn auf Türkisch und Deutsch, ohne jedoch konkrete und
       justiziable Drohungen auszusprechen. Er sagt: „Die wissen genau, was sie
       tun.“
       
       19 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/media.php/13/20180213_KA%20Radikale%20Erdogan-Anh%C3%A4nger.pdf
 (DIR) [2] /Archiv-Suche/!5436167&s=t%C3%BCrkischer+geheimdienst+bremen&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [3] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.tuerkisches-netzwerk-in-deutschland-erdogans-vertrauter-zuendelt-im-suedwesten.7cef9078-0d68-45f2-9452-c980b9254d45.html
 (DIR) [4] https://www.zdf.de/politik/frontal-21/osmanen-germania-104.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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