# taz.de -- Graue Wölfe in Bremen: Vergessene Faschisten
       
       > Unscheinbare Vereine sind Rückzugsorte für türkische Rechtsextreme. Sie
       > mobilisieren für das Türkentum – und gegen Kurden.
       
 (IMG) Bild: Arglose Passant*innen ahnen meist nicht, dass hier rechtsextreme Graue Wölfe ihren Verein betreiben: die türkische Familien Union in Walle
       
       Bremen taz | Es ist eine unscheinbare Straßenecke. Ein Eckhaus mit
       Morgensonne, direkt an der Straßenbahnhaltestelle. Ein paar verdreckte
       Stufen führen zur Eingangstür hoch, vor dem Aufgang liegt meist Müll herum.
       Einladend ist es nicht. Auf einer vergilbten Markise steht: Bremen Türk
       Aileler Birliği, übersetzt: türkischer Familienverband Bremen. Unverdächtig
       ist zunächst auch das Schild über dem Eingang: „Türkische Familien Union e.
       V.“. Dabei haben türkische Rechtsextreme der Partei MHP (Milliyetçi Hareket
       Partisi) hier ihre Vereinsräume.
       
       Auch wer sich das Schild genau anschaut, erkennt nicht auf den ersten
       Blick, dass hier türkische Faschisten, der Selbsbezeichnung nach Idealisten
       („Ülkücü“) oder auch Graue Wölfe genannt, weitgehend unbehelligt ihrem
       Geschäft nachgehen. Nur auf dem Höhepunkt des türkischen Wahlkampfes im
       vergangenen Juni waren im Fenster Wahlplakate der MHP aufgehängt. Darauf
       prangten auch die drei charakteristischen Halbmonde der Grauen Wölfe.
       
       Die MHP firmiert in Europa unter anderem unter dem Dachverband
       „[1][Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in
       Deutschland]“ mit dem Kürzel ADÜTDF. Ihr Logo, zwei rote Minarette mit
       weißem Halbmond vor blauem Hintergrund, ist auch auf dem Schild des Bremer
       Vereins zu sehen. Der Verfassungsschutz zählt bundesweit 170 solcher
       lokalen Vereine, in denen 7.000 Rechtsextreme organisiert sind. In Bremen
       schätzt der Geheimdienst die Zahl ihrer Aktiven auf 200 Personen, die
       regelmäßig Feste organisieren, bei denen die „ideologische Ausrichtung und
       Verbreitung des Gedankenguts gegenwärtig sei“. Politisch setzen sie sich
       für ein großtürkisches Reich ein und halten sich für eine überlegene
       „Rasse“.
       
       Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP koalieren
       offiziell [2][mit der MHP in der „Volksallianz“]. Erdoğan brachte den
       MHP-Abgeordneten Cemal Çetin sogar zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin
       Angela Merkel (CDU) mit, die ihm umgehend [3][die Hand schüttelte]. Cetin
       ist gleichzeitig der höchste Funktionär des Europäischen Dachverbandes der
       Grauen Wölfe Avrupa Türk Konfederasyon.
       
       ## Feindbilder gibt es genug
       
       Im [4][Verfassungsschutzbericht 2017 heißt es], dass der Dachverband sich
       nach außen hin um ein gesetzeskonformes Verhalten bemüht und Anhänger der
       „Ülkücü“-Bewegung insbesondere im Internet ihre rassistischen
       Überlegenheitsvorstellungen ausleben: „So werden in sozialen Netzwerken
       Gewaltaufrufe und gewaltverherrlichende Äußerungen verbreitet, die sich
       gegen Feindbilder richten.“ Und davon gibt es genug: Sie hassen Juden,
       Christen, Armenier, Griechen, Kommunisten, Freimaurer, Israel, Zionisten,
       die EU, den Vatikan, die Vereinigten Staaten und natürlich die Kurden sowie
       die PKK.
       
       In Bremen verfolgen die türkischen Nationalist*innen laut Senatsantwort auf
       eine Anfrage der Linksfraktion der Bremer Bürgerschaft die Absicht, [5][in
       der Bürgerschaft Fuß zu fassen]. Und mindestens ein Abgeordneter in der
       Bürgerschaft steht dem Denken der rechtsextremen Grauen Wölfe sehr nahe:
       Turhal Özdal vertritt die CDU und demonstrierte Anfang des Jahres noch
       zusammen mit Anhängern der MHP für den Krieg gegen die Kurden. Zunächst war
       er bei den Grünen, bis er zur Union überlief. Auffällig ist auch, dass er
       [6][politisch eine einseitige Anfrage zu Kurden und der PKK stellte].
       
       Jemand, der sich konkret mit der Bedrohung und dem Agieren der Grauen Wölfe
       in Bremen auskennt, ist Cindi Tuncel von der Linken. Zahlreiche Drohanrufe
       und Hass-E-Mails sind das Ergebnis dieser und anderer Anfragen, die der
       Abgeordnete zu den Aktivitäten der Erdoğan-Freunde in Bremen gestellt hat.
       
       Über den Verein in der Waller Heerstraße sagt Tuncel: „Es gibt in Bremen
       viele Vereine wie den in Walle, sie verbreiten ihren Faschismus
       insbesondere unter türkischen Jugendlichen – vorgeblich helfen sie bei
       Hausaufgaben.“
       
       Sie schreckten allerdings auch nicht vor Gewalt zurück, die sie im
       Verdeckten ausübten. Politisch gelte immer noch die vom verstorbenen
       „ewigen Führer der Bewegung“, Alparslan Türkeş, 1996 ausgegebene Losung für
       Exil-Türk*innen, sich einen legalistischen Anstrich zu geben, Politik und
       Gesellschaft zu infiltrieren, dabei aber niemals das Ziel vor Augen zu
       verlieren: die Verbreitung des Türkentums.
       
       Nach Ansicht von Tuncel arbeiten sie dabei „clever und brutal“ [7][im
       Hintergrund] und geben vor, sich für Integration zu engagieren. „Aber für
       Integration ist es nicht förderlich, dass Faschisten Kinder zu Faschisten
       ausbilden – viele Jugendliche sind anfällig“, sagt Tuncel.
       
       Tuncel war jahrelang Jugendsozialarbeiter. Sicher sei, dass auch in Bremen
       zwischen MHP und Erdoğan-Anhänger kein Blatt Papier passt. Genaue Grenzen
       könnten nicht gezogen werden – „es ist ein Graubereich“, berichtet der
       Bürgerschaftsabgeordnete.
       
       Der Bremer Verfassungsschutz bestätigt, dass sich der Chef der Bremer
       [8][Erdogan-Lobby-Organisation UETD], Burak Caylı, sich mit dem
       Vorsitzenden der Türkischen Familien Union in Bremen, Recep Haciömeroglu,
       im März dieses Jahres getroffen hat. Es existieren [9][Facebook-Bilder
       dieses Treffens].
       
       Das Foto aus dem Gebäude an der Waller Heerstraße zeigt die Räume von innen
       – im Hintergrund prangt neben Nationalisten-Kitsch und der türkischen auche
       eine uigurische Flagge, die für Panturkismus und für „Ostturkestan“ steht –
       also großtürkisches Reich bis nach Westchina.
       
       Die türkische Familienunion war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
       
       5 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6deration_der_T%C3%BCrkisch-Demokratischen_Idealistenvereine_in_Deutschland
 (DIR) [2] /Archiv-Suche/!5515598&s=nationale+allianz+erdogan/
 (DIR) [3] https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/extremismus-graue-woelfe-angela-merkel-tuerkei-treffen/komplettansicht
 (DIR) [4] https://www.verfassungsschutz.de/download/vsbericht-2017.pdf
 (DIR) [5] https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahUKEwi_jIbgv5fdAhUI2qQKHSOgBH8QFjAAegQIABAC&url=https%3A%2F%2Fwww.bremische-buergerschaft.de%2Fdrs_abo%2F2018-02-14_Drs-19-1534_b1256.pdf&usg=AOvVaw0UvZm3kKBzrkpyFO3P-LgL
 (DIR) [6] /!5520378/
 (DIR) [7] https://www.derwesten.de/staedte/essen/integrationsrat-ist-ein-hort-der-grauen-woelfe-id6084510.html
 (DIR) [8] /!5482762/
 (DIR) [9] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2113375198891574&set=a.1546402128922220&type=3&theater
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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