# taz.de -- Tod im Hamburger Untersuchungsgefängnis: Suizid in U-Haft wirft Fragen auf
       
       > Ein mutmaßlicher Kleindealer hat sich in Haft das Leben genommen. Für die
       > Staatsanwaltschaft ist der Fall erledigt, nicht aber für die
       > Hinterbliebenen.
       
 (IMG) Bild: Ist für viele Schwarze in Deutschland alltäglich, aber zermürbend: Polizeikontrolle.
       
       Hamburg taz | Am Morgen des 19. Februar fanden MitarbeiterInnen der
       Justizvollzugsanstalt (JVA) Hahnöfersand einen Mann tot in seiner Zelle. Er
       hatte sich an der Gardinenstange erhängt. Das vermeldete die Justizbehörde
       vor einigen Wochen. Freunde und Familienangehörige des Verstorbenen hatten
       jedoch Zweifel geäußert, dass Diabi J. sich selbst umgebracht hat. Seit
       gestern liegt nun der Obduktionsbericht vor und bestätigt: Es war Suizid.
       
       Der 21-jährige J., der aus Guinea-Bissau nach Deutschland geflohen war,
       wurde am 15. Januar nahe der Reeperbahn festgenommen. Die Polizei warf ihm
       vor, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben. Sie fand
       allerdings nur 1,65 Gramm Marihuana – eine Menge, die als „Eigenbedarf“
       gilt und in der Regel nicht zur Anzeige führt. Anders bei J., der in
       Untersuchungshaft musste.
       
       Gegen J. seien damals bereits Ermittlungen wegen Betäubungsmittelbesitzes
       im Gange gewesen, so die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, Nana
       Frommbach. Der Haftrichter habe Untersuchungshaft angeordnet, weil laut
       seiner Einschätzung Fluchtgefahr bestanden habe.
       
       Von Fluchtgefahr gehen Haftrichter und die Staatsanwaltschaft immer dann
       aus, wenn der Beschuldigte Familie oder andere Verbindungen im Ausland hat
       – bei Geflüchteten ist dies naturgemäß der Fall.
       
       „Man kann diesbezüglich durchaus von einer rassistischen Struktur
       sprechen“, sagt der Hamburger Strafverteidiger Benjamin Tachau. Die
       Haftbegründung der „Fluchtgefahr“ werde exzessiv auf Ausländer angewendet.
       Zudem drohten Geflüchteten zum Teil exorbitante Strafen, wenn sie mit einer
       geringen Menge Drogen erwischt werden, so Tachau. Da sie meistens keine
       Arbeitserlaubnis hätten, ginge die Staatsanwaltschaft auch bei geringen
       Mengen Betäubungsmittel von gewerbsmäßigem Handel aus.
       
       Die Staatsanwaltschaft hat die Akte Diabi J. bereits geschlossen. Für die
       Hinterbliebenen ist der Fall aber noch nicht geklärt. Ein enger Freund des
       Verstorbenen beschreibt J. als positiven Menschen, der es immer verstanden
       habe, andere zum Lachen zu bringen. Ein anderer fragt: „Was muss passieren,
       damit ein so fröhlicher Mensch so zur Verzweiflung gebracht wird, dass er
       sich umbringt?“
       
       17 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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