# taz.de -- Homeless in Berlin: Corona hilft gegen Obdachlosigkeit
       
       > 400 Wohnungslose werden ab Mai rund um die Uhr untergebracht. Auch eine
       > Obdachlosen-Lotsen-Taskforce wird eingerichtet.
       
 (IMG) Bild: Obdachlose am Hauptbahnhof in Zeiten von Corona
       
       Die Coronakrise sei für alle eine Herausforderung – „aber für Menschen, die
       auf der Straße leben, ist sie eine Katastrophe“. Auch deshalb, so
       Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Mittwoch, „ist es wunderbar,
       dass es nun eine Obdachlosen-Taskforce gibt“. Sogenannte
       Obdachlosen-Lotsen, die selbst mal wohnungslos waren, sollen nun auf ihre
       Art den Menschen in Not helfen.
       
       Breitenbach stellte das Projekt am Mittwoch zusammen mit [1][Jörg Richert]
       vor, dem Vorstandsvorsitzenden der Sozialgenossenschaft Karuna. Bei dem
       freien Träger sind die Lotsen angestellt. Das Abgeordnetenhaus hat für die
       Taskforce 300.000 Euro bereitgestellt. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen
       des Modellprojekts Solidarisches Grundeinkommen. Zehn von zwölf
       Lotsenstellen seien bereits besetzt.
       
       Bei der Pressekonferenz, die aus einem Saal von Karuna als Livestream
       übertragen wurde, winkten Männer und Frauen der Taskforce – zu erkennen an
       orangefarbenen Westen – in die Kamera. Ihr Job sei nicht, Sozialarbeiter zu
       ersetzen, betonte Breitenbach. Es gehe darum, ihr Know-how zu nutzen: „Die
       Menschen auf der Straße da abzuholen, wo sie sind.“
       
       Im Januar hatte Berlin eine flächendeckende [2][Zählung von Obdachlosen]
       durchgeführt. Mit rund 2.000 Gezählten war das Ergebnis deutlich niedriger
       ausgefallen als erwartet. Bis dahin war von bis zu 10.000 Obdachlosen in
       Berlin die Rede. Aus Scham hätten sich allerdings viele Menschen versteckt,
       vermuteten Experten. Breitenbach sagte dazu am Mittwoch nur so viel: „Wir
       können nicht garantieren, alle zu erreichen.“
       
       ## Noch kein Infektionsfall
       
       Richert sprach von 400 „verfestigten“ Kontakten zu Obdachlosen. Weil viele
       Hilfseinrichtungen wegen Infektionsgefahr schließen mussten, versuche man
       die Menschen nun anderweitig aufzufangen. Die Lotsen verteilten Essen,
       Trinkwasser und Atemschutzmasken und wiesen Wege zu Unterkünften. 500 Essen
       würden zentral am Boxhagener Platz ausgegeben und mit E-Bikes ausgefahren.
       
       Zum Glück, so Breitenbach, gebe es in der Obdachlosenszene noch keinen
       Infektionsfall. Um das Risiko einzudämmen, stelle Berlin nun weitere
       Unterkünfte für Obdachlose bereit, die rund um die Uhr geöffnet sind. In
       der bisherigen Notunterkunft der Kältehilfe in der Storkower Straße stehen
       ab 1. Mai 100 Plätze zur Verfügung. Die Berliner Stadtmission kann in der
       Lehrter Straße 110 Menschen beherbergen, 35 Plätze davon sind für Frauen
       und acht für Rollstuhlfahrer. Ferner sind drei Einzelzimmer für
       Corona-Verdachtsfälle geplant. In einer Jugendherberge in der Kluckstraße
       in Tiergarten sind bereits 200 Obdachlose untergebracht.
       
       Die Gesamtkosten für alle drei Unterkünfte – Vollverpflegung inklusive –
       bezifferte Breitenbach auf rund 2 Millionen Euro. Eine Einzelzimmerlösung
       in Hostels oder Hotel werde man aus Kostengründen leider „nicht
       hinkriegen“. Hier kritisierte Richert auch das Deutsche Jugendherbergswerk.
       Statt maßvoller Tagessätze verlange dieses für die Unterbringung von
       Obdachlosen „schwindelerregende Preise“.
       
       Irgendwann werde Corona ein Ende haben, sagte Breitenbach. Die Menschen
       zurück in die Obdachlosigkeit zu schicken, werde bitter. Ihre Hoffnung sei
       aber, dass der eine oder andere durch den Umgang mit dem Virus kapiert hat,
       dass es Wege gibt, von der Straße zu kommen.
       
       29 Apr 2020
       
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