# taz.de -- Caspar David Friedrich und der Wald: Romantik mit Försteraugen
       
       > Wissenswertes zur Waldwirtschaft: Der Forstwissenschaftler Wilhelm Bode
       > wagt mit seinem Essay „Waldendzeit“ einen neuen Blick auf Caspar David
       > Friedrich.
       
 (IMG) Bild: Sehnsuchtsbild „Wanderer über dem Nebelmeer“, Ausschnitt
       
       Das ist ein Buch für die stillen Stunden des noch jungen Jahres: In seinem
       [1][Essay „Waldendzeit“] nimmt sich Wilhelm Bode nicht nur, aber vor allem
       die Gemälde des Romantikers [2][Caspar David Friedrich] vor und betrachtet
       sie mit den Augen des Forstwissenschaftlers. Friedrich, dessen Leben sich
       von 1774 bis 1840 hauptsächlich zwischen Greifswald, Rügen und Dresden
       abspielte, gilt als Maler, der in seinen Wäldern, Küsten und Gipfeln
       wahlweise Religiosität, Innerlichkeit, Einsamkeit oder alles zugleich
       ausdrückte.
       
       Man solle, schreibt der Autor Florian Illies in seinem Friedrich-Buch
       „Zauber der Stille“, die Landschaften des Künstlers nicht „als eine
       Abbildung von Wirklichkeit missverstehen“. Friedrich habe Natur eingeatmet,
       um sie als Kunst wieder auszuatmen. Als Beleg gilt Illies wie anderen, dass
       Caspar David Friedrich meist keine realen Landschaften malte, sondern seine
       Bilder aus verschiedenen Eindrücken, die er auf ausgedehnten Wanderungen
       zeichnete, im abgedunkelten Atelier seiner Dresdner Wohnung kunstvoll
       komponierte. Dass allerdings diese Kompositionen auf genauer Betrachtung
       beruhen, hält auch Florian Illies fest.
       
       Da lohnt es sich, mit Wilhelm Bode einmal ganz genau hinzuschauen. Er
       betrachtet Friedrichs Mittelgebirgslandschaften mit den Augen eines
       Forstexperten und sieht darauf „fast ausschließlich Fichten“. So stelle die
       Sepiazeichnung „Landschaft im Riesengebirge“ von 1810 „präzise und
       erstmalig“ einen Fichten-Altersklassenwald dar. „Am Horizont sieht man die
       Schlagfronten der Buchenniederwälder zum Zeitpunkt ihrer Umwandlung; im
       Vordergrund die verschiedenen Altersklassen des Fichtenwaldes, beginnend
       mit einem Kahlschlag links im Vordergrund, dahinter einen Jungwald … sowie
       rechts einen Stangenwald in Reih und Glied.“
       
       Was nach Fachchinesisch klingt, führt direkt hinein in aktuelle
       forstpolitische Debatten. Denn ein „Altersklassenwald“ ist nichts anderes
       als eine Plantage, auf der etwa Fichten gepflanzt, gepflegt und schließlich
       geerntet werden. Auf dem entstandenen Kahlschlag beginnt der Zyklus neu.
       Diese Methode der Forstwirtschaft entstand Anfang des 19. Jahrhunderts,
       also zu der Zeit, in der Friedrich seine Bilder malte. „Es gibt wohl keine
       Periode in der deutschen Waldgeschichte, in der sich das gewohnte und in
       Resten noch natürliche und ungeordnete wie auch ästhetische, wenn auch
       häufig lichte und lückige Waldbild derart tiefgreifend veränderte wie als
       Folge dieser forstlichen Aufklärung in nur wenigen Jahrzehnten um 1800“,
       schreibt Bode, „in rasender Geschwindigkeit verschwand gerade das Waldbild,
       das die Dichter und Maler der Zeit just zu romantisieren begannen.“
       
       ## Der Wanderer blickt auf die unsichere Zukunft
       
       Diese forstliche Aufklärung habe zwar für 200 Jahre eine nachhaltige
       Holzerzeugung effizient organisiert – uns aber auch zu den Problemen
       geführt, vor denen wir heute stehen. Denn die deutschen Forste sind den
       Folgen des Klimawandels mit Dürre, Hitze und Stürmen nicht gewachsen.
       Caspar David Friedrich, so nimmt der Forstwissenschaftler Bode jedenfalls
       an, habe die Gefahr gespürt, die von dem neuen, effizienten [3][Umgang mit
       Wald] und Landschaft ausgegangen war. Und so blicke auf seinem berühmtesten
       Bild der „Wanderer über dem Nebelmeer“ eben nicht wehmütig zurück, sondern
       vielmehr „auf die unsichere Zukunft“.
       
       Bode wäre allerdings kein Forstwissenschaftler, wenn er es dabei beließe.
       Ihm geht es nicht nur darum, neu zu interpretieren – sondern auch darum,
       neu zu handeln. Als Alternative zum wilden und der Nutzung entzogenen
       Urwald einerseits und Fichtenplantagen andererseits schlägt er den
       Dauerwald vor: eine artenreiche [4][Waldform], in der Bäume allen Alters
       wachsen und vereinzelt entnommen werden. Bode bietet eine anregende
       Lektüre, die, anders als der Titel behauptet, im Text ausdrücklich eine
       „Waldzukunft“ aufzeigt. Vielleicht kommt der Weihnachtsbaum am Ende dieses
       Jahres ja bereits, dem Gebot der Stunde entsprechend, aus einem Dauerwald.
       
       4 Jan 2025
       
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