# taz.de -- CO2-Bepreisung hilft bei Energiewende: Emissionshandel wird Klimaschützer
       
       > Lange hatte er keinen guten Ruf. Aber nun dürfte der Handel mit
       > CO2-Zertifikaten den Rückgang der Kohleverstromung beschleunigen.
       
 (IMG) Bild: Emissionshandel bringt weniger CO2, hier das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde
       
       Freiburg taz | Lange wurde er beschimpft, jetzt mausert sich der
       [1][EU-Emissionshandel zum Klimaschützer]. Denn die Politik der EU treibt
       den [2][CO2-Preis im Emissionshandel] auf immer neue Höhen. Mitte Februar
       kostete der Ausstoß einer Tonne erstmals seit Beginn des Zertifikatehandels
       im Jahr 2005 mehr als 40 Euro, inzwischen sind es 42. Weil jedes Kraftwerk,
       das fossile Energieträger verbrennt, für die erzeugte CO2-Menge
       entsprechende Zertifikate vorweisen muss, wirkt deren Preis unmittelbar auf
       den Strompreis an der Börse. [3][Damit beflügelt der Emissionshandel
       inzwischen auch die Energiewende].
       
       Über Jahre hinweg dümpelte der CO2-Preis unter 20 Euro je Tonne – und
       konnte so wenig Wirkung entfalten. Doch die jüngsten Entscheidungen der
       [4][EU haben den Emissionshandel] erheblich aufgewertet: Im Dezember hatten
       sich die Mitgliedsstaaten darauf verständigt, den CO2-Ausstoß bis 2030 um
       mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Bisher waren lediglich 40
       Prozent Minderung angepeilt. Das Europaparlament strebt sogar 60 Prozent
       Reduktion an. Somit werden Emissionszertifikate in Europa knapper und damit
       teurer.
       
       Analysten einiger Geldhäuser sehen die Preise daher weiter steigen. Die
       Privatbank Berenberg zum Beispiel erwartet bereits in diesem Jahr einen
       Preis von 65 Euro je Tonne, im kommenden Jahr sei im Mittel sogar von 85
       Euro auszugehen. Von „viel politischem Rückenwind“ für den CO2-Preis
       schreiben auch Analysten der Commerzbank.
       
       Einen Hinweis, in welche Richtung der CO2-Preis im Emissionshandel gehen
       könnte, gibt auch jener CO2-Preis, den Deutschland für die Sektoren Wärme
       und Verkehr eingeführt hat (also solche, die nicht dem europäischen
       Emissionshandel unterliegen): Im Jahr 2026 soll die Tonne hier zwischen 55
       und 65 Euro kosten. Da es keinen sachlichen Grund gehen kann, in
       verschiedenen Sektoren unterschiedliche CO2-Preise zu erheben, dürfte
       dieses Preisniveau auch Maßstab für den Kraftwerkssektor sein.
       
       ## CO2-Zertifikate verteuern Strom
       
       Die Kosten der CO2-Zertifikate verteuern die Erzeugung von Strom aus
       fossilen Brennstoffen nach einer fixen Formel. So schlägt bei
       Braunkohlekraftwerken jeder Euro, um den die Tonne CO2 teurer wird, auch
       mit rund einem Euro pro Megawattstunde auf den Strompreis durch. Bei
       modernen Gaskraftwerken – diese erzeugen weniger CO2 – ist es nur rund ein
       Drittel des Betrages.
       
       Deswegen gehen Marktbeobachter wie etwa das Energiewirtschaftliche
       Instituts (EWI) der Universität Köln davon aus, dass das verschärfte
       Klimaziel der EU auch marktgetrieben zu einem schnelleren Rückgang der
       Kohleverstromung führen kann. „Dadurch könnte die Stromerzeugung aus Kohle
       bereits vor dem geplanten Ausstieg im Jahr 2038 fast vollständig aus dem
       Markt gedrängt werden“, sagt Max Gierkink, Wissenschaftler am EWI.
       
       Da der Preis fossil erzeugten Stroms die Preise an der Strombörse bislang
       noch erheblich prägt, wurde die Energie am Terminmarkt parallel zum
       CO2-Preis zuletzt deutlich teurer. Wer heute Strom zur Lieferung im Jahr
       2022 verkauft, erhält dafür rund 56 Euro pro Megawattstunde. Wer hingegen
       im Jahr 2017 (als CO2 noch billig war) Strom für das Folgejahr anbot, bekam
       für die gleiche Menge zeitweise kaum mehr als 30 Euro.
       
       ## Neue Betriebsjahre für Wind- und Sonnenanlagen
       
       Für CO2-freie Stromerzeuger ist diese Entwicklung ausgesprochen
       vorteilhaft, denn damit kommen immer mehr Wind- und Solarstromanlagen ohne
       Förderung aus. Folglich dürfte der gestiegene Börsenstrompreis mancher
       alten Windkraftanlage, die nach 20 Jahren keine Vergütung aus dem
       Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mehr bekommt, noch ein paar zusätzliche
       Betriebsjahre bescheren.
       
       Zwar liegt der Marktwert von Wind- und Sonnenstrom an der Börse etwas
       niedriger als der dort für planbare Kraftwerke ausgewiesene
       Jahresmittelwert („Baseload“) – schlicht, weil die Unberechenbarkeit der
       fluktuierenden erneuerbaren Erzeuger eingepreist werden muss.
       
       Kalkuliert man dieses Manko ein, kann Windstrom vom Land derzeit an der
       Börse bei langfristiger Vermarktung rund 42 Euro pro Megawattstunde
       erzielen. Aufgrund abweichender Erzeugungsprofile kommt die
       Offshore-Windkraft sogar auf etwa 48 Euro, ähnlich die Photovoltaik. Solche
       Preise publiziert auf Basis der täglichen Marktdaten regelmäßig der
       Berliner Strommarkt-Analyst [5][Energy Brainpool].
       
       ## Neue Phase für Energiewende
       
       Die Energiewende tritt damit in eine neue Phase, weil angesichts solcher
       Marktpreise zunehmend Projekte ohne EEG-Förderung auskommen. Der
       Energiekonzern EnBW zum Beispiel hat jüngst in Weesow-Willmersdorf in
       Brandenburg einen Solarpark in Betrieb genommen, der keine gesetzlich
       garantierte Vergütung in Anspruch nimmt. Ähnliches plant die EnBW mit dem
       Windpark He Dreiht in der Nordsee, der bei einer installierten Leistung von
       900 Megawatt ebenfalls ohne EEG kalkuliert ist.
       
       So könnte die CO2-Bepreisung in Zukunft das wichtigste Instrument des
       Klimaschutzes werden und dabei die gesetzlich definierten
       Einspeisevergütungen zunehmend verdrängen. Politisch ist das vielfach
       gewollt; der Ruf nach mehr Markt beim Ökostromausbau wurde zuletzt immer
       lauter.
       
       22 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/emissionshandel/
 (DIR) [2] https://www.dehst.de/DE/startseite/startseite-node.html
 (DIR) [3] /Auswirkungen-der-Coronakrise/!5759316
 (DIR) [4] /Entscheidung-ueber-Emissionshandel/!5717349
 (DIR) [5] https://www.energybrainpool.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
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