# taz.de -- Antisemitismus im Kulturbetrieb: Von stillen Boykotten und den Möglichkeiten der Gegenwehr
> Kein ESC ohne Israel: Der Bundestag beschäftigte sich in einer
> Ausschusssitzung mit dem Antisemitismus im Kulturbereich.
(IMG) Bild: Die Nova Music Festival Exhibition zum Gedenken an die Opfer in Israel vom 7. Oktober 2023, im Flughafen Tempelhof, Berlin
Der Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestags beschäftigte sich in
seiner 11. Sitzung am Mittwoch spätnachmittags mit den deutsch-israelischen
Kulturbeziehungen und dem Antisemitismus im Kulturbereich. Die Leitung
oblag Gregor Gysi (Die Linke), da der Ausschussvorsitzende Sven Lehmann
(Bündnis 90/Die Grünen) erkrankt war.
Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, eröffnete die
Sitzung. In seinem Eingangsstatement sprach er von einem bedrückenden
Thema. Der neue Antisemitismus habe nach dem Überfall der Hamas auf Israel
am 7.10.2023 ein in Deutschland und ganz Europa erschreckendes Ausmaß
angenommen. Dagegen wolle er die deutsch-israelischen Austauschprogramme
stärken, Veranstaltungen [1][wie die Nova-Exhibition] oder Einrichtungen
wie das Jüdische Museum Berlin hervorgehoben unterstützen.
Einen stillen Boykott jüdischer oder israelischer Künstler und
Wissenschaftler werde die Bundesregierung nicht tolerieren. Er warnte
davor, würde sich die Israel-Boykottbewegung etwa aktuell beim
ESC-Wettbewerb durchsetzen, würde sich die Bundesrepublik von einem solchen
Event zurückziehen.
Zur Aussprache hatten die im Bundestag vertretenen Parteien verschiedene
Sachverständige geladen und zuvor um deren schriftliche Stellungnahmen
gebeten. Hetty Berg (Jüdisches Museum Berlin) berichtete, dass jüdische
Künstler, ob aus den USA oder Israel, von vielen deutschen
Kulturinstitutionen erst gar nicht mehr eingeladen würden. Sei es aus
Furcht vor Protesten oder aus Vorurteilen. Sie wies aber auch darauf hin,
dass der Vorwurf des Antisemitismus manchmal missbraucht werde, etwa um
Kritik an der aktuellen israelischen Regierung entgegenzuarbeiten.
Auch Stella Leder (Institut für Neue Soziale Plastik) sagte unter Berufung
auf eine Studie aus dem Oktober 2025, dass im Vergleich der vergangenen
zwanzig Jahre alle deutsch-jüdisch-israelischen Austauschbereiche
rückläufig gewesen seien. Boykottbewegungen würden dies durch ein
einseitiges und negativ vermitteltes Israelbild erwirken. Dem könnte die
Bundesregierung durch eine besser verankerte strukturelle Förderung
kultureller Austauschprogramme (ähnlich wie in der Wissenschaft)
entgegenarbeiten.
## Kein neues Phänomen
Olaf Zimmermann (Deutscher Kulturrrat) sagte, Boykott, Silencing und
Antisemitismus seien kein neues Phänomen. Dies sei nicht erst durch den
Zuzug islamisch orientierter Flüchtlinge oder Migranten zum ernsthaften
Problem geworden. Boykottbewegungen wie BDS oder Strike Germany werde
jedoch auch aus engagierten Kreisen der Kulturszene entschieden
widersprochen. Positive Aktivitäten (wie den von der Bundesregierung
reaktivierten und neu aufgelegten Deutsch-Hebräischen Übersetzerpreis)
halte er allerdings für vielversprechender als zu sehr auf „regulatorische
Maßnahmen“ zu setzen.
Meron Mendel (Bildungsstätte Anne Frank) hingegen sieht in der mangelnden
Bereitschaft der Kulturszene zum Kampf gegen Antisemitismus deren
begründete Sorge, von der amtierenden rechten israelischen Regierung
vereinnahmt zu werden. Selbst lautstark (antiisraelisch) auftretende
Künstlerinnen wie Candice Breitz, die wie Adania Shibli [2][sogar gegen
eine Kritik in der taz prozessierte], seien nach Mendel illegitimerweise
gecancelt worden.
Zudem seien es die AfD-Mitglieder, die zu 50 Prozent antisemitisch seien.
Auch habe die frühere Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu wenig gegen
Islamfeindlichkeit getan. Sechs Millionen Muslime fühlten sich, so Mendel,
pauschal in Deutschland ausgegrenzt. Ähnlich argumentierte auch Marcus
Funck (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin), dessen Beitrag auf
die Wissenschaft- und Kunstfreiheit abzielte. Er möchte eine
antiisraelische Positionierung von einem projektiven Antisemitismus
abgegrenzt wissen.
Dem widersprach der Autor Chaim Noll. Der neue Antisemitismus agiere
gezielt gegen Israel. Er spreche mit seiner antikolonialen Phraseologie
insbesondere Jüngere sowie sich links verstehende Akteure in Kultur und
Medien an. Auch die öffentlich-rechtlichen Medien hätten beim Gaza-Krieg
unhinterfragt Hamas-Narrative verbreitet. Sie hätten zum aktuell
grassierenden Antisemitismus beigetragen. Der islamisch grundierte
Judenhass spiele dabei eine große Rolle, wenn auch nicht die einzige.
Fast schon resignativ merkte Josef Schuster (Zentralrat der Juden in
Deutschland) an, die Hamas habe zumindest den Propagandakrieg gewonnen.
Veranstaltungen mit jüdischen oder israelischen Künstlern dürften aber aus
Sorge vor Übergriffen nicht abgesagt werden. Er forderte mehr Mut von den
Institutionen. Die Polizei sowie eine engagierte Öffentlichkeit seien in
der Lage, diese zu schützen. Alles andere sei nicht akzeptabel.
4 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Andreas Fanizadeh
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