# taz.de -- Fluten in Italien: Wenn Überschwemmungen zur traurigen Routine werden
       
       > Cotignola musste über Weihnachten wegen Flutgefahr evakuiert werden. In
       > der norditalienischen Region Emilia-Romagna wird das zur neuen
       > Normalität.
       
 (IMG) Bild: Traversara di Bagnocavallo nach schweren Regenfällen am 20. September 2024
       
       Am Nachmittag des 25. Dezember waren die Menschen in Cotignola mit dem
       befasst, was die meisten an Weihnachten so treiben: das Festmahl verdauen,
       mit Verwandten schwatzen, die Stille genießen, die sich über den kleinen
       Ort [1][in der Emilia-Romagna] gelegt hatte – und die nur vom beharrlichen
       Prasseln des seit dem Vortag anhaltenden Regens unterbrochen wurde.
       
       Doch gegen 18 Uhr war es schlagartig vorbei mit Ruhe und Besinnlichkeit.
       Von draußen schallten die Lautsprecherdurchsagen der Streifen der
       Stadtpolizei herein, sie verkündeten die „Evakuierungsanordnung“ für alle,
       die näher als 300 Meter am Flüsschen Senio wohnen. Und das sind immerhin
       rund 2.500 Bürger*innen des 7300-Einwohner-Nests. Für sie hieß es, das
       Wichtigste zusammenzupacken, um dann bei Verwandten, Freunden oder in einem
       der kommunalen Notquartiere Unterschlupf zu finden.
       
       Am Ende hielten die Deiche des Senio, blieb [2][die große Überschwemmung]
       von Cotignola aus, doch um die Stimmung der Menschen dort war es nicht
       gerade bestens bestellt. „Jeder Regen ruft mittlerweile bei mir
       Angstzustände hervor“, erklärte eine ältere Dame dem TV-Reporter vor Ort.
       Eine junge Frau bilanzierte: „Daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen,
       das war die dritte Flut in drei Jahren“.
       
       In der Tat werden Überschwemmungen und Evakuierungen zur traurigen Routine
       in der norditalienischen Region Emilia-Romagna. Dass ihre Häufung Folge des
       Klimawandels ist, liegt auf der Hand. Auch jetzt, zu Weihnachten, fielen
       binnen zwei Tagen etwa 150 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, genauso
       übrigens wie bei den vorherigen Flutkatastrophen der letzten Jahre.
       
       Nicht nur drei-, sondern gleich fünfmal kamen in den letzten drei Jahren
       die Wassermassen. Am verheerendsten schlugen sie im Mai 2023 zu, als 17
       Tote und Schäden in Höhe von rund zehn Milliarden Euro zu beklagen waren.
       Doch auch im September, dann im Oktober 2024 mussten Tausende Menschen in
       den Provinzen Bologna, Ferrara oder Ravenna ihre Wohnungen verlassen, und
       so mancher war noch mit der Renovierung seines Heims nach der letzten
       Flutwelle befasst, als dann die nächste kam.
       
       ## 1.000 versiegelte Hektar
       
       „Das hier wird leider die neue Normalität“, verkündete denn auch Laura
       Monti, die Vizebürgermeisterin von Cotignola. Eine neue Normalität, die
       sich auch in Wut- und Hassausbrüchen gegenüber den politisch
       Verantwortlichen äußerte, zum Beispiel gegen die Bürgermeisterin von Lugo,
       einem Nachbarort von Cotignola, die den Kommentar lesen durfte: „Wenn die
       Flut bei mir ankommt, hilft dir auch kein Begleitschutz mehr.“ Sie
       erstattete umgehend Anzeige.
       
       Ansonsten aber muss die Politik sich den Herausforderungen [3][der „neuen
       Normalität“] stellen, in einer der Regionen Italiens, deren Böden mit am
       stärksten zuasphaltiert oder -betoniert sind, in einer Region zudem, in der
       allein im Jahr 2024 weitere 1.000 Hektar versiegelt wurden.
       
       Die Antworten heißen bisher: Anlegung neuer Hochwasser-Rückhaltebecken,
       Stabilisierung der Deiche entlang der Flüsschen, die sich bei größeren
       Unwettern schnell in reißende Ströme verwandeln, gründlichere Säuberung der
       Gewässer von Unterholz, das bei Überschwemmungen zum Beispiel unter Brücken
       gefährliche Barrieren bilden kann, die das Wasser stauen. Der Präsident der
       Region, Michele De Pascale, rühmte sich jetzt, die große
       Weihnachtsüberschwemmung sei ausgeblieben, weil die in den letzten zwei
       Jahren ergriffenen Maßnahmen ihre Früchte trügen.
       
       Politische Reaktion heißt aber auch: Teilrückzug aus bedrohten Arealen. Es
       gibt keine Baugenehmigungen mehr in hochwassergefährdeten Zonen. Ja mehr
       noch: Diejenigen schon von Überschwemmungen Geschädigten, die von dort
       wegwollen, bekommen ein großzügiges Angebot. Für den Kauf oder die
       Errichtung eines neuen Eigenheims auf sicherem Gebiet erhalten sie einen
       Zuschuss von bis zu 2.350 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.
       
       Denjenigen allerdings, die von einem solchen Angebot nichts wissen wollen,
       wird jetzt zugleich mitgeteilt, sie blieben in Zukunft „auf eigenes Risiko“
       in der alten Bleibe, dürften also bei durch weitere Überschwemmungen
       auftretenden Schäden nicht mit staatlicher Hilfe rechnen.
       
       28 Dec 2025
       
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