# taz.de -- Klimaklage in der Schweiz zugelassen: Gegen die Betonfraktion
       
       > Vier Inselbewohner aus Indonesien verlieren ihr Zuhause durch die
       > Klimakrise. Ihre Klage gegen einen Schweizer Betonkonzern wurde nun
       > zugelassen.
       
 (IMG) Bild: Die Kläger*innen Ibu Asmania, links, und Arif Asmania, Mitte, vor dem Gerichtsgebäude in Zug, 3. September 2025
       
       Vier Indonesier*innen dürfen in der Schweiz um ihre Heimat kämpfen.
       Denn das Kantonsgericht in Zug hat ihre Klage gegen den Schweizer
       [1][Betonkonzern Holcim] zugelassen. Die Kläger*innen leben auf der
       Insel Pari, die vom Klimawandel bedroht ist: Sie berichten von
       Überschwemmungen, die ihre Häuser und Algenfarmen zerstören, und von
       versalzenden Brunnen.
       
       Verantwortlich für die zunehmende Unbewohnbarkeit der Insel ist der
       Meeresspiegelanstieg infolge der Erderhitzung. Und verantwortlich dafür ist
       zu zwei Tausendsteln Holcim.
       
       Denn der Konzern ist einer der größten Zementproduzenten der Welt und hat
       [2][Berechnungen des Projekts Carbon Majors] zufolge zwischen 1990 und 2023
       3,2 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen, 0,18 Prozent aller CO₂-Emissionen aus
       dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas sowie aus der Zementproduktion.
       
       Indonesier*innen verklagen mithilfe internationaler NGOs einen
       Schweizer Konzern, der weltweit für Schulen und Luxusbauten, für Tunnel und
       den Züricher Zoo Beton herstellt. Der Prozess – so viel vorweg – wird den
       weltweiten Klimaschutz nicht revolutionieren. Aber er zeigt: Die Klimakrise
       dringt zunehmend und unaufhaltsam in jeden Aspekt unseres Lebens ein, und
       damit auch in die Bilanzen gigantischer Konzerne. Ihre vergangenen und
       gegenwärtigen Klimasünden holen sie ein.
       
       ## Kläger*innen sehen sich in ihrer Persönlichkeit verletzt
       
       Die vier Inselbewohner*innen [3][verlangen von Holcim], seinen
       CO₂-Ausstoß zu reduzieren sowie Schadensersatz zu zahlen und die
       Inselbewohner*innen bei der Anpassung an den Meeresspiegelanstieg zu
       unterstützen. Sie argumentieren, dass sie von Holcim in ihrer
       Persönlichkeit verletzt werden. Denn im [4][Schweizer Zivilgesetzbuch]
       steht: „Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu
       seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht
       anrufen.“
       
       Die Schweizer Rechtsprechung habe daraus unter anderem das Recht auf
       Privat- und Familienleben abgeleitet sowie persönliche Freiheit und
       körperliche Unversehrtheit, wirtschaftliches Fortkommen und das Recht auf
       Leben, erklärt Theresa Mockel, die für das European Center for
       Constitutional and Human Rights die Klage unterstützt.
       
       Holcim selbst leugnet seinen Anteil an der Erderhitzung nicht, aber wer für
       die Folgen aufkommen müsse, sei eine politische und keine juristische
       Frage. Außerdem investiere Holcim doch schon viel in klimafreundliche
       Betonalternativen. Überhaupt: Es gebe doch noch andere Zementhersteller,
       was ist eigentlich mit deren Verantwortung?
       
       Das Gericht lässt sich darauf nicht ein: „Jeder einzelne Beitrag ist
       unerlässlich, um dem Klimawandel entgegenzuwirken“, schreibt es. Und der
       Prozess ersetze demokratisch legitimierte Klimaschutzpolitik nicht, sondern
       ergänze sie.
       
       ## Klimaklagen werden die Klimakrise nicht lösen
       
       Holcim und die anderen riesigen Klimaverschmutzer wissen seit Jahrzehnten,
       dass sie die Erde erhitzen und damit das Leben auf dem Planeten teurer,
       gefährlicher und tödlicher machen. Holcim führt seine eigenen Investitionen
       in CO2-freie Baustoffe an. Aber wie die anderen Konzerne hätten auch die
       Schweizer spätestens in den 1980ern anfangen können, ihr Geschäftsmodell
       von CO₂-Emissionen zu befreien, nicht erst heute.
       
       Die Heimat der Menschen auf Pari wird wahrscheinlich unbewohnbar werden.
       Dass die dafür mitverantwortlichen Unternehmen Angst haben müssen, verklagt
       zu werden, ist gut: Irgendjemand wird für die Folgen des Klimawandels
       bezahlen müssen. Gerecht wäre es, wenn es die Verschmutzer tun.
       
       Ehrgeizigeren Klimaschutz wird das aber wahrscheinlich nicht erzwingen. Ein
       ähnlicher Prozess in Deutschland zwischen einem Peruaner und dem
       Energiekonzern RWE dauerte acht Jahre: Die Richter*innen und
       Gutachter*innen flogen nach Peru, um sich den Gletschersee anzuschauen,
       der das Haus des Klägers bedrohte. Gutachten [5][mussten angefordert,
       kritisiert und überarbeitet werden]. Ähnlichen Aufwand erwarten
       Beobachter*innen auch beim Holcim-Prozess.
       
       Aufseiten der Kläger*innen arbeiten Anwält*innen und
       Rechtsexpert*innen von NGOs, die sich nicht gleichzeitig um genauso
       plausible Klimaklagen nigerianischer Viehhalter*innen gegen
       Kohlekonzerne oder vietnamesischer Reisbäuer*innen gegen Autobauer
       kümmern können.
       
       Klimaklagen gegen Unternehmen werden deswegen die Klimakrise nicht lösen.
       Aber sie zeigen, wie weitreichend die Folgen der Erderhitzung sind. Und für
       die vier Indonesier*innen können sie dabei helfen, so etwas wie
       Klimagerechtigkeit zu erreichen.
       
       22 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.holcim.de/
 (DIR) [2] https://carbonmajors.org/Entity/HolcimGroup-67
 (DIR) [3] /Klimaklage-in-der-Schweiz/!6110937
 (DIR) [4] https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de
 (DIR) [5] /Klimaklage-gegen-RWE/!6076998
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Waack
       
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