# taz.de -- Nach Angriff auf Journalisten: Fretterode-Prozess beginnt erneut
       
       > Zwei Neonazis jagten und verletzten in Thüringen Journalisten.
       > Mittlerweile ist das über sieben Jahre her. Ein erstes Urteil hatte der
       > BGH aufgehoben.
       
 (IMG) Bild: Die beiden Angeklagten mit ihren Anwält:innen vor dem Landgericht im thüringischen Mühlhausen am 22. 12
       
       Ein 60 bis 70 Zentimeter langer Schraubenschlüssel, ein Baseballschläger,
       ein Messer und Pfefferspray. Damit sollen Gianluca K. und Nordulf H. im
       April 2018 zwei Journalisten im thüringischen Fretterode verletzt haben. So
       lautet die Anklage [1][sieben Jahre nach der Tat]. Seitdem ist viel
       passiert, aber ein rechtskräftiges Urteil gibt es noch nicht. An diesem
       Montagmorgen begegneten sich die vier im Landgericht Mühlhausen erneut.
       
       Die betroffenen Journalisten nahmen im Gerichtssaal als Nebenkläger Platz.
       Merlin M., einer der beiden, sagte der taz später, er sei aufgeregt, weil
       er die Angeklagten wieder sehe. „Aber von diesem Prozess erwarte ich kein
       Urteil, was der Tat angemessen ist.“ Er fühle sich als Pressevertreter
       nicht richtig von der Justiz in Mühlhausen geschützt, sagt M.
       
       Es ist der zweite Anlauf für den Prozess. Zwar gab es im September 2022
       einen ersten Schuldspruch, [2][aber den kassierte der Bundesgerichtshof
       (BGH)], nachdem die Staatsanwaltschaft und einer der betroffenen
       Journalisten Revision eingelegt hatten. In der Entscheidung des BGH hieß
       es, die „Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich als durchgreifend
       rechtsfehlerhaft“. Eine andere Kammer des Gerichts muss das Verfahren
       deshalb neu aufrollen.
       
       Zu diesem zweiten Prozessauftakt in Mühlhausen verlas die
       Staatsanwaltschaft zunächst die Anklage. 2018 seien die beiden Journalisten
       aus Göttingen in Fretterode gewesen, um das Anwesen des stellvertretenden
       NPD-Vorsitzenden Thorsten Heise aus dem Auto heraus mit einer Kamera zu
       beobachten. Nordulf H. ist der Sohn des bekannten Neonazis, Gianluca K.
       gilt als politischer Ziehsohn. Sie hätten die Journalisten bemerkt und
       gejagt, bis deren Fahrzeug im Straßengraben landete.
       
       H. habe sich vermummt, die Scheiben des verunfallten Autos zertrümmert und
       Pfefferspray in den Innenraum gesprüht. Als einer der Journalisten
       ausgestiegen sei, habe H. mit dem Schlüssel auf ihn eingeschlagen. Dann sei
       K. mit einem Baseballschläger auf den Journalisten losgegangen. Nordulf H.
       habe zeitgleich mit einem Messer die Reifen zerstochen und die Kamera aus
       dem Wagen gezogen. Dabei habe er auf den anderen Journalisten eingestochen
       und ihn am Oberschenkel verletzt.
       
       Am Ende des ersten Prozesses 2022 verurteilte das Landgericht Gianluca K.
       wegen Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr
       Freiheitsstrafe auf Bewährung. Nordulf H., zur Tatzeit 19 Jahre alt, bekam
       eine Jugendstrafe von 200 Sozialstunden. Die Nebenklage kritisierte die
       Strafen als skandalös mild. Den mutmaßlichen Raub der Kamera sowie die
       neonazistische Gesinnung der Täter ließ das Gericht im Urteil unerwähnt.
       
       Auch der BGH wies im März 2024 in seiner Entscheidung, das Urteil
       aufzuheben, darauf hin, dass der mutmaßliche Raub im Verfahren nicht
       ausreichend geprüft wurde. Das solle im zweiten Verfahren anders laufen.
       
       Trotz der harschen Kritik durch den BGH dauerte es noch mehr als anderthalb
       Jahre, bis der Prozess erneut beginnen konnte. Sven Adam, Anwalt einer der
       Nebenkläger, reichte im Juni eine Verzögerungsrüge ein. Nun sagte er, er
       erwarte, dass das Gericht zumindest einen schweren Raub feststelle. Das
       würde eine Mindeststrafe von fünf Jahren Haft für Erwachsene bedeuten.
       
       22 Dec 2025
       
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