# taz.de -- Kongos Rebellen erobern weitere Stadt: Der Krieg wird zum Flächenbrand
> Die Armee der DR Kongo überlässt den M23-Rebellen Uvira an der Grenze zu
> Burundi. Das Land unterstützt Kongos Armee und Ruanda feindlich gesinnte
> Milizen.
(IMG) Bild: M23-Rebellentruppen am Grenzübergang, der die kongolesische Stadt Bukavu mit Cyangugu in Ruanda verbindet
Der [1][Friedensvertrag] zwischen der Demokratischen Republik Kongo und
Ruanda, den beide Präsidenten am 4. Dezember in Washington unterzeichneten,
ist erst wenige Tage alt – nun fällt die strategisch wichtige Großstadt
Uvira im Osten des Landes an die von Ruanda unterstützten [2][Rebellen der
AFC/M23 (Allianz des Kongoflusses/Bewegung 23. März)].
Am Mittwochmorgen bestätigt die M23 gegenüber der taz in einer
Textnachricht: Uvira sowie der nahe gelegene Grenzübergang zu Burundi
stehen unter ihrer Kontrolle. Anwohner bestätigen, die Regierungsarmee sei
geflohen. [3][Videos auf M23-nahen Kanälen] zeigen gegen Mittag erste
Aufnahmen von M23-Kämpfern, die in geordneten Kolonnen auf ansonsten
menschenleeren Straßen in die Stadt einmarschieren. Einige lokale
Milizionäre sollen sich noch in Uvira aufhalten, war am Mittwochmorgen
berichtet worden.
Die Regierungstruppen in Uvira packten am Dienstagnachmittag ihre Sachen,
als die M23-Truppen den kleinen Ort Kiliba 16 Kilometer weiter nördlich
erreicht hatten. Viele Soldaten und Milizionäre haben sich per Boot aus
Uvira nach Süden abgesetzt, nach [4][Kalemie] 280 Kilometer südlich am
Tanganjikasee.
Dies könnte ein Wendepunkt werden, der die ganze Region mit in den
Kongo-Konflikt hineinzieht. Denn Uvira mit rund 700.000 Einwohnern ist das
Eintrittstor aus dem Osten der DR Kongo gen Burundi und das wirtschaftliche
Nadelöhr für den Handel mit Tansania und den dortigen Zugang zum Indischen
Ozean. Die Stadt war der Sitz der Provinzregierung von Südkivu, seit die
eigentliche Provinzhauptstadt [5][Bukavu im Februar kampflos an die
M23-Rebellen gefallen] war. Von Uvira aus wollte das Regierungslager die
verlorenen Gebiete zurückerobern – nun ist das Gegenteil eingetreten.
## M23 kappt letzte Nachschubroute der Armee
Uvira liegt an der Nordspitze des gewaltigen Tanganjikasees. Die Stadt ist
quasi ein einziger großer, langgestreckter Hafen und hat gerade eine
richtige Straßenkreuzung. Die Straße, die von dort abgeht, führt an die
Grenze zu Burundi und weiter in die dortige Wirtschaftsmetropole Bujumbura,
20 Kilometer weiter östlich am Seeufer.
Das kleine Nachbarland ist ein enger Partner von Kongos Regierung. Seit
drei Jahren hat Burundi mehr als 10.000 Soldaten in der DR Kongo
stationiert, um die marode kongolesische Armee im Kampf gegen die von
Ruanda gut ausgerüstete M23 zu unterstützen. Über den Flughafen in
Bujumbura direkt an der Grenze flog Kongos Armee in den vergangenen Monaten
Nachschub und Waffen ein.
„Wir wurden in den vergangenen Tagen mehrfach von burundischem Territorium
aus angegriffen“, betonte M23-Präsident Bertrand Bisimwa am Dienstag in
einer Pressekonferenz in Goma. „Wir haben allerdings keine Ambitionen,
burundisches Territorium zu besetzten“, sagte er ausdrücklich.
Der Grenzübergang zwischen Uvira und Bujumbura ist nun unter
Rebellenkontrolle. Damit sind alle Nachschubwege für Kongos Armee und die
in der DR Kongo stationierten burundischen Truppen sowie für Kongos Armee
abgeriegelt. Und die M23 hat in den vergangenen Tagen verlauten lassen,
dass sie mehrere Hundert burundische Soldaten gefangengenommen hat.
## Burundi, ein Pulverfass
Dies kann die innenpolitischen Spannungen in Burundi verschärfen. Das Land
steckt seit Jahren in einer tiefen Wirtschaftskrise, es gibt kaum mehr
Benzin an den Tankstellen. Die Lebensmittelpreise sind deswegen enorm hoch.
Rund 160.000 kongolesische Flüchtlinge werden in Burundi in den Lagern an
der Grenze nur rudimentär von Hilfsorganisationen versorgt. Allein in den
letzten Tagen sind weitere 30.000 gekommen.
Burundis Bevölkerung ist über die Beteiligung am Krieg in der DR Kongo
unzufrieden, denn die Soldaten werden kaum bezahlt. Viele desertieren und
finden sich in burundischen Gefängnissen wieder. Unter Burundis
Tutsi-Minderheit gibt es überdies Solidarität mit der Tutsi-geführten M23
sowie mit Ruanda.
In Burundi regieren die ehemaligen Hutu-Rebellen der CNDD/FDD
(Nationalkomitee/Front zur Verteidigung der Demokratie) unter Präsident
Évariste Ndayishimiye, die dem Nachbarland Ruanda feindlich gesinnt sind.
Seit zehn Jahren kriselt es zwischen den beiden Bruderstaaten, zeitweise
waren die Grenzen geschlossen. In den vergangenen Tagen kam es nun erstmals
zwischen Burundi und Ruanda zu direkten Auseinandersetzungen, Raketen
flogen über die Grenze.
## Im Visier Ruandas: FDLR-Warlord „Omega“
Ruandas Armee betrachtet Burundi als Hutu-Hochburg, die die letzten noch
aktiven ruandischen Völkermordtäter von 1994 beherbergt. Prominentester
Fall ist der Militärchef der ruandischen Hutu-Miliz [6][FDLR (Demokratische
Kräfte zur Befreiung Ruandas)], Pacifique Ntawunguka, bekannt unter seinem
Kriegsnamen Omega.
Die FDLR-Miliz ist [7][aus der früheren ruandischen Hutu-Armee
hervorgegangen], die 1994 den Völkermord an Ruanda Tutsi verübte, von
Tutsi-Rebellen besiegt wurde und sich dann nach Kongo absetzte. 1997/98
hatte Omega – ein katholischer Kreuzritter, der seinen Truppen predigt,
Gott habe Ruanda nur den Hutu gegeben – von Kongos aus versucht, Ruanda
zurückzuerobern und die damals neue Tutsi-Regierung von Präsident Paul
Kagame zu stürzen. Der Einmarsch wurde gestoppt, seitdem gilt Omega aber
als Hauptfeind für Ruandas Regierung.
Omegas FDLR-Kämpfer wurden 2022 in die Reihen von Kongos Regierungsarmee
integriert. Seitdem werden sie von Kinshasa bezahlt und ausgerüstet.
Gegenüber der taz erwähnten hochrangige FDLR-Offiziere, die 2024
desertierten, dass manche FDLR-Truppen in Südkivu burundische Uniformen
tragen und ihr Anführer Omega von Burundi aus den Kampf mit der dortigen
Armeeführung koordiniert.
In den von den USA vermittelten Friedensverhandlungen zwischen Ruanda und
der DR Kongo galt die FDLR für Ruanda als Hauptgrund, warum man den Krieg
der von Tutsi-Generälen geführten M23-Rebellen unterstützt. Im
Friedensvertrag von Washington ist festgeschrieben, dass Kongos Regierung
die FDLR „neutralisiert“. Im Gegenzug soll Ruanda dann seine
„Defensivmaßnahmen“ einstellen.
Doch Ruanda traut Kongos Regierung nicht und will offenbar das FDLR-Problem
selbst lösen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche FDLR-Offiziere im
Kongo gezielt ermordet oder von der M23 gefangengenommen und in ihre Heimat
Ruanda überstellt. Darunter auch Omegas Bodyguard, [8][mit dem die taz 2024
sprach] und der kurz darauf von Ruandas Geheimdienst angeheuert wurde, um
Omega aufzuspüren. Dieser bestätigte: Omega befindet sich in Burundi.
## Aufrufe, den Frieden zu wahren
Kongos Regierungssprecher Patrick Muyaya verurteilt den M23-Vorstoß nach
Uvira. „Das Friedensabkommen wird nicht eingehalten; dafür trägt der
ruandische Präsident die Verantwortung“, so Muyaya am Dienstag: „Ruanda
will den Krieg regionalisieren, denn das Ziel ist nicht mehr nur
kongolesisches Territorium, sondern eindeutig Burundi.“
Ruandas Regierungssprecherin Yolande Makolo feuerte zurück: „Schluss mit
den Lügen. Die Demokratische Republik Kongo kann nicht Garantin des
Waffenstillstands sein, wenn sie ihn in Wirklichkeit als Erste gebrochen
hat und keinerlei Absicht hat, die gerade erst unterzeichneten Washingtoner
Abkommen zu respektieren.“
Die USA gemeinsam mit zahlreichen europäischen Regierungen, darunter
Deutschland, riefen am Dienstagabend dazu auf, das Friedensabkommen zu
respektieren, und forderte die M23 und Ruanda „dringend“ auf, ihre
Offensivoperationen „unverzüglich einzustellen“.
10 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Versoehnung-zwischen-Kongo-und-Ruanda/!6135570
(DIR) [2] /M23-Rebellen-in-Goma/!6082625
(DIR) [3] https://x.com/Kivuinfo24/status/1998705753700417984
(DIR) [4] /Krieg-im-Kongo/!5441270
(DIR) [5] /Krieg-in-der-DR-Kongo/!6069754
(DIR) [6] /Schwerpunkt-Kongo-Kriegsverbrecherprozess/!t5009879
(DIR) [7] /Voelkermord-Ruanda/!5997547
(DIR) [8] /Ruandische-Hutu-Miliz-in-der-DR-Kongo/!5999184
## AUTOREN
(DIR) Simone Schlindwein
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