# taz.de -- Digitalisierung in Gefängnissen: 404: Kein Anschluss hinter Gittern
       
       > In Gefängnissen geht die Digitalisierung schleppend voran. Gedruckte
       > Zeitungen sind dort unverzichtbar. Wie könnte digital nachgebessert
       > werden?
       
 (IMG) Bild: Inhaftierte in der Justiz-Vollzugsanstalt Willich, 2015
       
       Nachrichten sind heute nur ein Wisch entfernt. Zeitungen gibt es als App,
       als E-Paper, online oft sogar kostenlos. Für Verlage ist das billiger, für
       Abonnent:innen bequemer: kein Drucken, kein Austragen, die News kommen
       früher aufs Display als auf den Frühstückstisch.
       
       So weit, so einfach. Wenn man nicht im Gefängnis sitzt. Von der
       Digitalisierung, die außerhalb der Mauern – mal mehr, mal weniger gut –
       voranschreitet, kommt im Knast wenig an. Gefangene, die wissen wollen, was
       in der Welt draußen passiert, können sich also nicht aufs Internet
       verlassen, sondern sind auf TV und gedruckte Tageszeitungen angewiesen.
       Selbst in den wenigen Gefängnissen, in denen es Internet für Insassen gibt,
       sind darüber E-Paper kaum abgedeckt.
       
       „Die Welt in der Haft ist eine andere. Da spielen Zeitungen noch eine
       wichtige Rolle“, sagt Sybill Knobloch. Sie arbeitet seit 35 Jahren beim
       Verein Freiabonnements für Gefangene und ist seit etlichen Jahren dessen
       Geschäftsführerin. Gegründet wurde der Verein vor 40 Jahren in Berlin –
       übrigens aus dem taz-Umfeld. Prominentes Gründungsmitglied ist der
       langjährige taz-Anwalt Johannes Eisenberg. „Am Anfang hätte niemand
       gedacht, dass der Verein in 40 Jahren noch immer existiert“, sagt Knobloch
       der taz. Printzeitungen sind im Gefängnis eben noch kein Auslaufmodell.
       
       Aktuell ermöglicht der Verein 2.198 Knastabos in ganz Deutschland, erreicht
       nach Knoblochs Einschätzungen aber fünf- bis zehnmal so viele Gefangene, da
       die Abonnent*innen ihre Ausgaben oft mit anderen teilen. [1][Die taz ist
       mit 350 Abonnent*innen vertreten], am häufigsten wird die Süddeutsche
       Zeitung abonniert: 607-mal. Auch ein paar Wochenzeitungen und Magazine
       werden direkt an die Gefangenen ausgeliefert, darunter der Spiegel, das
       Satiremagazin Titanic, kicker und die Siegessäule. Und ein paar
       fremdsprachige Zeitungen sind auch dabei.
       
       Die Gefangenen erhalten die Zeitungen mit der persönlichen Post. Gelesen
       wird wie außerhalb der Mauern auch: morgens vor der Arbeit oder abends zum
       Feierabend. Die Freiabos werden durch Spenden an den Verein finanziert.
       Viele Zeitungen bieten die Gefangenen-Abos außerdem günstiger an.
       
       ## Durchschnittlich 3 Euro Stundenlohn
       
       Das ist auch notwendig, weil die etwa 40.000 Menschen, die in Gefängnissen
       sitzen, sich die Abos in der Regel nicht leisten können, zumal die Preise
       stetig steigen. Eine taz kostete zuletzt regulär 3 Euro, die SZ ist am
       Kiosk für 4,20 Euro pro Ausgabe zu haben. Gefangene haben vor allem das
       Geld zur Verfügung, das sie bei den Pflichtjobs in Haft erarbeiten – und
       dafür erhalten sie gerade einmal [2][durchschnittlich 3 Euro pro Stunde].
       
       Warum spenden Menschen für Knastabos? „Das sind Leute, die selbst Zeitung
       lesen und den Wunsch nachvollziehen können, sich informieren zu wollen“,
       sagt Knobloch. Gleichzeitig machten sie es „aus Empathie mit Gefangenen
       heraus, mit Menschen, die es schwer haben“.
       
       Der Verein kümmert sich nicht ausschließlich um die Vermittlung von
       Zeitungen. Mittlerweile vermittelt er auch Bücher, organisiert den Runden
       Tisch für ausländische Gefangene, koordiniert ein Kochprojekt mit
       Ehrenamtlichen in der JVA für Frauen in Berlin-Lichtenberg und ruft
       alljährlich zu Weihnachten dazu auf, Bücher, Telefongeld oder andere
       Weihnachtsgeschenke an Gefangene zu spenden. Hauptfokus liegt aber weiter
       auf dem Zugang zu Informationen für Gefangene.
       
       Der Verein führt daher immer wieder Umfragen in Gefängnissen durch, unter
       anderem zum Stand der Digitalisierung in den Haftanstalten. Eine Umfrage
       von 2019 ergab, dass immerhin in fünf von sieben Bundesländern, in denen
       die Umfrage durchgeführt wurde, ein eingeschränkter Internetzugang für
       Gefangene verfügbar war. Allerdings nicht über alle Haftanstalten hinweg,
       weil die Gefängnisleitungen die Internetzugänge individuell regeln.
       Freigeschaltet waren vor allem die Seiten der Agentur für Arbeit sowie von
       Anbietern von Schul- oder Ausbildungsmaßnahmen zur Entlassungsvorbereitung.
       In mehreren Bundesländern gab es Videotelefonie.
       
       ## 2,7 Prozent Internetnutzung
       
       Von Oktober 2024 bis Januar 2025 rief der Verein Abonnent*innen in
       Gefängnissen aus allen Bundesländern zu einer Umfrage über
       Nachrichteninteresse und Medienkonsum auf. 150 meldeten sich zurück. Die
       gaben das Fernsehen mit knapp 90 Prozent als meistgenutzte
       Informationsquelle an, gefolgt von Printmedien mit 70 Prozent. Etwa jede
       zehnte Person gab an, Videotext zu verwenden. Das Internet lag bei
       lediglich 2,7 Prozent.
       
       In Berlin sollen Gefangene bald Internetzugang bekommen und E-Paper lesen
       können. Dort gibt es in vielen Justizvollzugsanstalten bereits das
       sogenannte Haftraummediensystem (HMS). Die Senatsverwaltung für Justiz
       beschreibt es so: „Das HMS ist ein stationäres All-in-one-System und
       besteht aus einem in der Regel mittels Schwenkarm im Haftraum befestigten
       Touchbildschirm und optionalem Zubehör wie einer Tastatur, Kopfhörern oder
       einem Blu-ray-Player.“ Das HMS dient als Computer mit Schreibprogramm. Auch
       E-Books können darüber gelesen werden.
       
       Weitere Dienste wie Telefonie und Videotelefonie können kostenpflichtig
       zugebucht werden. Internet gibt es bisher nicht. Das soll sich 2026 aber
       ändern, wie die Senatsverwaltung auf taz-Anfrage mitteilt. Dann soll auch
       die Internetseite des Verbundes der öffentlichen Bibliotheken Berlins
       erreichbar sein, über die viele nicht nur deutschsprachige Zeitungen
       gelesen werden können.
       
       Tatsächlich kommt das alles reichlich spät, ist unzureichend ausgebaut und
       zudem noch teuer. Fernsehen und Radio kosten pro Monat 13,95 Euro. Wer
       E-Mails schreiben möchte, muss pro Monat 1,95 Euro zahlen, während das
       außerhalb der Mauern meist kostenlos ist. D[3][er Dienst wird von Telio zur
       Verfügung gestellt], ein privates Unternehmen, das in fast ganz Deutschland
       die Telefonie in Gefängnissen bereitstellt.
       
       ## Internet für alle
       
       [4][Ein Pilotprojekt hatte bereits 2018 Tablets in die JVA Heidering
       gebracht]. Das lief 2019 aus. [5][Zwei Jahre später verkündete der damalige
       Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne)] Internet für alle Gefangenen. Ende
       2022 bekam dann die Frauen-JVA in Lichtenberg als Erste das HMS. Allerdings
       ohne E-Mail-Funktion und anders als geplant ohne Internet, [6][wie 2023
       netzpolitik.org aufdeckte]. Und in den beiden großen Berliner Gefängnissen,
       Tegel und Plötzensee, fehlt das HMS bis heute komplett. Laut
       Senatsverwaltung liegt das an fehlender Netzwerkinfrastruktur. Diese werde
       aber an den beiden Standorten nachgerüstet und das Problem im kommenden
       Jahr behoben, so die Senatsverwaltung.
       
       Damit ist Berlin immerhin weiter als alle anderen Bundesländer, wie
       taz-Recherchen ergeben haben. In Bayern konnten Gefangene bis vor Kurzem
       teils nur zweimal im Monat für je 20 Minuten telefonieren. Jetzt ist es
       einfacher geworden, kostet nichts, und bald soll es sogar Haftraumtelefonie
       geben. Auch die meisten anderen Bundesländer führen langsam
       Haftraumtelefonie ein. Noch muss aber meist auf dem Gang telefoniert
       werden.
       
       In gesonderten Räumen bieten viele Haftanstalten spätestens seit der
       Coronapandemie zudem Videotelefonie an sowie den Zugang zur digitalen
       Lernplattform Elis. Aber regelmäßig E-Mail-Schreiben – was günstiger und
       schneller wäre als Briefkorrespondenz oder Online-Nachrichtenseiten lesen
       oder im Internet Wohnungen und Jobs suchen zur Vorbereitung auf die
       Haftentlassung – das ist nur vereinzelt möglich.
       
       Baden-Württemberg will nun ein eigenes Pilotprojekt testen. 50 Insassen in
       Ulm und Schwäbisch Gmünd sollen [7][Mini-PCs auf die Zellen bekommen],
       womit ein gesicherter Zugang zum Internet möglich ist, gesichertes
       E-Mailing, Videotelefonie, E-Learning, Fernsehen, Radio sowie ein
       gefängnisinternes Schwarzes Brett. Wann es losgeht, ist noch nicht bekannt.
       
       ## Individuelle Lösungen statt Gesamtstrategie
       
       Hessen habe „eine fachliche Digitalstrategie entworfen“, sagt ein Sprecher
       des dortigen Justizministeriums der taz und plane – wie auch
       Mecklenburg-Vorpommern – die Einführung eines HMS. In den meisten
       Bundesländern gibt es keine Gesamtstrategie, aber individuelle Lösungen. So
       können Gefangene in Untersuchungshaft im Saarland „bei umfangreichen
       Ermittlungsakten diese auf einem Tablet mit reiner Lesefunktion einsehen“.
       
       In Schleswig-Holstein können „geeignete Gefangene“ Mails senden und
       empfangen. Rheinland-Pfalz will ein Pilotprojekt zum „zukunftsträchtigen
       Thema Telemedizin“ starten – also die Möglichkeit, online eine Sprechstunde
       bei Ärzt:innen wahrzunehmen. Aus Bremen heißt es: „In Einzelfällen wird
       ein kontrollierter Zugang zum Internet auf Antrag eines Gefangenen im
       Beisein eines Fachdienstes gewährt.“
       
       Doch bei Einzellösungen solle es nicht bleiben. Die Länder haben die
       Justizministerkonferenz aufgefordert, bis zum Frühjahr eine
       Digitalstrategie für den Justizvollzug vorzulegen. Eine Sprecherin der
       Bremer Senatsverwaltung für Justiz weist außerdem auf die Relevanz
       digitaler Kompetenzen für die Resozialisierung hin. „Eine ‚digitale
       Resozialisierung‘ ist nicht nur mit den Grundprinzipien des modernen
       Strafvollzugs vereinbar; sie ist sogar geboten, damit die Strafgefangenen
       den digitalen Anschluss an die Gesellschaft nicht verlieren.“
       
       26 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] https://www.berlin.de/sen/justv/presse/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1158828.php
 (DIR) [6] https://netzpolitik.org/2023/internet-in-berliner-haftanstalten-testperson-insasse/
 (DIR) [7] https://www.staatsanzeiger.de/nachrichten/politik-und-verwaltung/so-viele-pcs-bekommen-haeftlinge-fuer-testlauf-im-suedwesten/
       
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